Chanukka

Ein Interview von Eva Rincke, durchgeführt am 23. Dezember 2022 in der Synagoge in Baden-Baden

 Entzünden des Chanukka-Leuchters vor dem Theater in Baden-Baden [Quelle: Israelitische Kultusgemeinde Baden-Baden]  
Entzünden des Chanukka-Leuchters vor dem Theater in Baden-Baden [Quelle: Israelitische Kultusgemeinde Baden-Baden]

Hier in der Synagoge in Baden-Baden spreche ich heute mit dem Gemeinderabbiner, Herrn Daniel Naftoli Surovtsev, und mit Frau Irina Grinberg, der Büroleiterin und Assistentin des Vorstands der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden K.d.ö.R.

Im Dezember haben Sie das Lichterfest Chanukka gefeiert. Können Sie mir erzählen, wie Sie das in der Gemeinde feiern und welche Bedeutung dieses Fest hat – in der Religion und vielleicht auch für Sie persönlich?

Rabbiner Surovtsev: Chanukka ist ein sehr besonderes Fest. Fast alle jüdischen Feiertage werden im Kreis der Familie gefeiert oder in der Synagoge im Kreis der Gemeinde. Ich glaube, das Chanukka-Fest ist die einzige Ausnahme von diesem Prinzip. An Chanukka soll man das Fest in die Öffentlichkeit bringen. An Chanukka entzündet man Kerzen. Nach dem jüdischen religiösen Gesetz soll man diese Kerzen am Fenster aufstellen - oder in anderen Worten: Man soll es so machen, dass alle diese Kerzen sehen können.

Deswegen ist Chanukka auch für mich persönlich und für unsere Gemeinde ein besonderes Fest. Seit ein paar Jahren entzünden wir in unserer Gemeinde einen großen Chanukka-Leuchter vor dem Theater in der Stadtmitte von Baden-Baden. Wir machen das genauso in Rastatt und in Bühl. Wir entzünden diesen Chanukka-Leuchter wie man es nach dem jüdischen Gesetz macht: an allen acht Tagen des Chanukka-Festes in der Nacht.

Einmal machen wir eine große Feier: Chanukka für alle. Alle Gäste und alle unsere Gemeindemitglieder können vorbeikommen und mit uns Chanukka feiern. Wir haben kein eigenes Gemeindegebäude und unsere Synagoge ist ziemlich klein. Weil wir wollen, dass diese Feier so groß wie möglich wird, mieten wir einen Saal für diese Feier. So feiern wir Chanukka in unserer Gemeinde.

Seit ein paar Jahren versuchen wir, zu Chanukka Geschenke an unsere älteren Gemeindemitglieder zu verteilen. Das sind verschiedene Geschenke, aber natürlich Chanukka-Kerzen und Chanukka-Leuchter, damit alle auch Chanukka zu Hause feiern können.

Für mich hat Chanukka auch eine persönliche Bedeutung, weil wir Chanukka auch in unserer Familie feiern und die Kinder Geschenke bekommen. Ich versuche, so viele Geschenke zu verteilen, dass alle meine Kinder an jedem Tag von Chanukka was bekommen: acht Tage lang. Das hat eine besondere Bedeutung. Warum? Man verteilt Geschenke an Erwachsene und auch an Kinder, weil das Wort „Chanukka“ auf Hebräisch die gleichen Buchstaben hat wie das Wort „Henuch“. Das Wort „Henuch“ bedeutet „Erziehung“ oder „Bildung“. Das heißt, man versucht an diesem Feiertag, die Kinder durch Feiern zu erziehen und sie in Verbindung zu unserer Geschichte und Tradition zu bringen. Natürlich auch die anderen Menschen. Deswegen zündet man an Chanukka die Kerzen draußen auf den metallenen Leuchtern an, damit man das sehen kann.

Irina Grinberg: Wir bereiten auch für unsere Kinder-Spielgruppe Geschenke vor. Der Rabbiner macht sich große Mühe. Er versucht zum Beispiel aus Legosteinen etwas Schönes mit Bezug zu den jüdischen Gebräuchen zu bauen. Einmal war das der Chanukkija-Leuchter. Und was haben Sie dieses Mal gemacht?

Rabbiner Surovtsev: Einmal haben wir Kreisel gemacht. Es gibt einen religiösen Brauch für Kinder. Dass Kinder an Chanukka mit einem Kreisel spielen. Das sind besondere Kreisel mit vier Buchstaben. Dreidel heißt das - oder Sewiwon auf Hebräisch. Vor einem Jahr habe ich solche Kreisel aus Lego gebaut und dann haben diese selbst zusammengestellten LEGO-Sets an alle Kinder verteilt. Dieses Jahr war das eine Spendenbox.

 Chanukka-Leuchter in Rastatt [Quelle: Israelitische Kultusgemeinde Baden-Baden]  
Chanukka-Leuchter in Rastatt [Quelle: Israelitische Kultusgemeinde Baden-Baden]

Können Sie uns die besondere Bedeutung der Spendenbox in der jüdischen Religion erklären?

Rabbiner Surovtsev: Die Spende hat eine besondere Bedeutung. Schon in der Tora, der Bibel, findet man das Gebot, dass man ein Zehntel von seinen Einnahmen an die Armen geben soll oder an Bedürftige weiterverteilen. Natürlich machen das heute nicht alle, dass man ein Zehntel gibt. Aber die Spende spielt eine besondere Rolle in unserer Gemeinde und im Judentum allgemein.

Man hat in allen Synagogen eine Spendenbox. Es ist üblich, dass man während des Gottesdienstes eine Münze oder einen Schein als Spende hineinwirft. Man benutzt diese Gelder für Bedürftige und auch für unsere Synagogen. Wenn am Synagogengebäude etwas gemacht werden muss oder irgendwelche rituellen Gegenstände benötigt werden, kauft man das von diesen Spendengeldern. Damit alle Gemeindemitglieder spüren, dass sie einen Teil zur Synagoge beigetragen haben. Und natürlich kann man Bedürftigen damit helfen.

Es gibt ein besonderes Gebet, wo man zum Beispiel für kranke Leute betet. Dieses Gebet wird in der Synagoge vorgelesen. Es endet mit dem Satz: Wir bitten Gott, dass er diese unsere Bitte erhört, und ich will nach dem Schabbat Geld spenden für gute Zwecke. Man spendet darin virtuell, ohne physisch am Schabbat Geld in die Spendenbox zu werfen.

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Daniel Naftoli Surovtsev ist Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden und Irina Grinberg ist Büroleiterin und Assistentin des Vorstands.

Zitierhinweis: Irina Grinberg/Eva Rincke/Daniel Naftoli Surovtsev, Interview in der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.

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