Stationsakten (Post und Bahn)

Von Wolfgang Schneider

Plan vom Hauptgebäude des Stuttgarter Hauptbahnhofs, 1915, im Bestand Hochbauakten der Generaldirektion der Staatseisenbahnen, (Quelle: Landesarchiv BW, StAL E 79 II Bü 812)
Plan vom Hauptgebäude des Stuttgarter Hauptbahnhofs, 1915, im Bestand Hochbauakten der Generaldirektion der Staatseisenbahnen, (Quelle: Landesarchiv BW, StAL E 79 II Bü 812)

Definition der Quellengattung

Unter dem Begriff „Stationsakten“ werden Serien von gleichförmigen Sachakten verstanden, die in Registraturen zentraler staatlicher Verkehrsbehörden des Königreichs Württemberg (später des Deutschen Reiches) geführt worden sind. Darin enthalten waren grundlegende, durch Auswertung eingesandter Anträge und Berichte, aber auch aktuelle Informationen über jeden einzelnen von Post und Bahn betrieblich unterhaltenen Standort (d.h. Station). Eine Registraturablage in alphabetischer Reihenfolge (nach Ortsnamen) erlaubte den Bediensteten dieser Oberbehörden einen raschen Zugriff auf jede Einzelakte; dies erleichterte die Aufgabenerledigung, welche hauptsächlich in der Sicherstellung eines reibungsarmen Betriebes in den überall im Land verbreiteten nachgeordneten Dienststellen bestand. Zudem belegen die in Stationsakten überlieferten Entscheidungen, Erlasse und Verfügungen die Verwaltungsabläufe im Bereich Verkehrswesen in Ausübung der jeweiligen staatlichen Dienstaufsicht.

Historische Entwicklung

Die Anlage von Serien mit ortsbezogenen Akten bei den Direktionen der Post und der Bahn ging einher mit der Mitte des 19. Jahrhunderts begonnenen Einführung von das ganze Land erfassenden modernen Verkehrs- und Kommunikationsstrukturen:
Zum einen dem Bau von Gleisstrecken bis in ländliche Regionen hinein für die neuartige Eisenbahn (ab 1845), zum anderen (nach Übergang des Postwesens von Thurn und Taxis auf Württemberg 1851) dem Ausbau bereits vorhandener Poststationen und der Errichtung weiterer Dienststellen zur Leistungssteigerung des Postverkehrs, verbunden mit einer großflächigen Installation ebenfalls neu entwickelter Telegraphentechniken, deren Verbindungsleitungen längerfristig jeden Ort auch telefonisch erreichbar machten.

Post

Vorläuferformen von Stationsakten lassen sich bei dieser Postüberlieferung bis ins Jahr 1832 zurückverfolgen: Verschiedentlich bei der Generalpostdirektion von Thurn und Taxis in Frankfurt am Main geführte Korrespondenzakten zu Vorgängen in deren württembergischen Poststationen hatten als Vorakten Aufnahme gefunden bei den (seit 1851 neu angelegten) Stationsakten der nunmehr für das Postwesen zuständigen „Kgl. Württ. Post-Kommission“. Diese Behörde erhielt 1858 die Bezeichnung „Post-Direktion“, bis sie (durch Übernahme auch der Aufgaben der bisherigen Telegraphendirektion) 1881 in „Generaldirektion der Kgl. Württ. Posten und Telegraphen“ umbenannt wurde (schon seit 1864 hatte die Postdirektion dem „Staatsministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Abtheilung für die Verkehrsanstalten“ unterstanden).

Bis Ende des 19. Jahrhunderts bereits war der Aufbau eines das ganze Königreich umspannenden Post- und Telegraphennetzes abgeschlossen, so dass nun zu jeder Dienststelle (und somit zu jedem Ort) auch eine entsprechende Stationsakte vorlag. Diese enorme Dokumentationsdichte führte sich fort über den 1.Weltkrieg und den anschließenden Übergang der württembergischen Posten und Telegraphen auf das Deutsche Reich im Jahr 1920 hinaus; 1928 bricht die Überlieferung dann abrupt ab, als nämlich bei der Deutschen Reichspost ein neuer, reichseinheitlicher Aktenplan zur Einführung kam und die Registratur der Oberpostdirektion Stuttgart mit der Bildung neuer Sachakten begann.

Bahn

Ab dem Jahr 1844 nachweisbar sind Stations- bzw. Bauakten zu Dienststellen des seinerzeit neu aufgekommenen Transport- und Personenverkehrsmittels Eisenbahn, für dessen Verwaltung zunächst die „Eisenbahn-Kommission“, ab 1858 dann die „Eisenbahn-Direktion“ und seit 1881 schließlich die „Generaldirektion der Kgl. Württ. Staatseisenbahnen und der Bodensee-Dampfschiffahrt“ (ebenfalls unter Aufsicht der Verkehrsabteilung des Außenministeriums stehend) zuständig waren.

Die Entwicklung dieser Aktenserie ist jener der Post-Stationsakten vergleichbar:
Auch hier nimmt die Anzahl der Akten – parallel zu Bau und Einrichtung neuer Eisenbahnstationen – ständig zu, nur mit dem Unterschied, dass erst der Kriegsausbruch 1914 dem noch nicht abgeschlossenen Ausbau des Streckennetzes der Nebenbahnen und somit der Aktenvermehrung (vorläufig) ein Ende bereitet. Diese Überlieferungsdichte bleibt nach der „Verreichlichung“ der Länderbahnen 1920 auf hohem Niveau, bis auch hier mit Einführung des innovativen sogenannten mnemotechnischen Aktenplanes der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft alle bisherigen Sachakten der Reichsbahndirektion Stuttgart 1928 zu schließen waren.

Aufbau und Inhalt

Beide Stationsakten-Serien sind in den Direktions-Registraturen geführt worden als lose (seltener auch teilgeheftete) Akten im Folioformat, doch – bedingt durch die Büroreform Mitte der 1920er Jahre – haben verschiedentlich auch noch Dokumente des Formats DIN A 4 dort Eingang gefunden bis zur Schließung der Akten 1928.

Die Führung einer zu jeder Dienststelle angelegten Einzelakte selbst erfolgte in – für die württembergische Verwaltung typischer – „kaufmännischer“ Ablage, bei welcher der neueste Vorgang stets obenauf zu liegen kommt; die Vergabe von Quadrangel-Nummern am oberen Rand jedes einzelnen Blattes dokumentierte den Nachweis der Vollzähligkeit der jeweiligen Akte. Umfänge von 300 bis 400 Schriftstücken (bzw. Vorgängen) waren keine Seltenheit, so dass Aktenkonvolute oft erst ab einer Höhe von 15 cm oder mehr durch Anlegen eines neuen zweiten oder dritten Teils ihre Fortsetzung fanden, wobei die Quadrangulierung weitergeführt wurde.

Zum Schutz oben und unten eingeschlossen zwischen zwei (an der Oberseite beschrifteten) Aktendeckeln aus hochwertigem Farbkarton, das Schriftgut dann zu einem Paket verschnürt – seitlich an der Schauseite noch mit einem (gelochten, durch die Schnur gezogenen) Ortsnamens-Schildchen versehen –, so war eine Akte dann bereit zur Aufnahme in die Registratur. Die Farbwahl der verwendeten Aktendeckel, die infolge liegender Registraturablage ohne Lichtschutz mittlerweile an der Oberseite stark nachgedunkelt sind, hing ab vom dienstlichen Verwendungszweck (zur Unterscheidung der Dienststellenarten z.B. bei Vorlage verschiedener Ortsakten von Post-, Telegraphen- oder Bahndirektion beim vorgesetzten Außenministerium):

Postamtsakten = (hell)gelb
Telegraphenamtsakten = (rosa)rot
Eisenbahnstationsakten = (hell)blau
Hafenstationsakten = (hell)blau

Eine helle Farbgebung hatte zunächst, selbst bei zuweilen eingeschränkter Beleuchtung, eine gute Lesbarkeit des Aktentitels garantiert, welcher sich zusammensetzte aus dem schwarz vorgedruckten Grundtext mit allgemeineren Angaben wie der Behördenbezeichnung und der mit schwarzer Tinte/Tusche handschriftlich ergänzten detaillierten Aktenbeschreibung (einschließlich Umfang und Laufzeit).

Bei der im Staatsarchiv später dann vorgenommenen Bestandsbearbeitung wurde darauf geachtet, die Umfänge der nun als „Büschel“ bezeichneten einzelnen Archivalieneinheiten durch Aufteilung soweit zu begrenzen, dass das Verpacken in Archivboxen (säurefreier Karton, Folioformat) der Größen 8 cm, 10 cm oder (maximal) 12 cm in platzsparender Weise stets gewährleistet war.

Inhaltlich erstreckt sich die Überlieferung von der Einrichtung einzelner Posthilfsstellen oder öffentlichen Telefonstellen in Gastwirtschaften über die Errichtung von Bahnhofsgebäuden und Haltepunkten neuer Eisenbahnstrecken bis hin zum Dienstbetrieb der Briefpost- und Telegraphenstelle beim Hauptpostamt Stuttgart oder auch dem (von den Architekten Bonatz und Scholer entworfenen) Gebäudekomplex des heutigen Stuttgarter Hauptbahnhofs.

Post

Stationsakten aus diesem Bereich dokumentieren die bisweilen wechselhafte Entwicklung der einzelnen Dienststellen, oftmals vom Anbeginn an über erforderlich gewordene Umstrukturierungen bis hin zur in seltenen Fällen beschlossenen Aufhebung.

Die recht kleine (Teil-)Gemeinde B. hatte beispielsweise die Errichtung einer eigenen „Posthülfsstelle“ offiziell erwirken wollen:
Dieses Anliegen hatte die Gemeinde erst einmal – mit entsprechendem Vordruck – bei dem zuständigen Postamt zu beantragen; dieses legte den Antrag samt den dort erstellten „statistischen Notizen über den Postverkehr des Landbestellbezirks B.“ sowie einem Leumundszeugnis der hierfür in Aussicht genommenen Person dann der Generaldirektion in Stuttgart zur Entscheidung vor, welche daraufhin mit jenem Gastwirt eine Übereinkunft „betr. die Besorgung der Geschäfte der Posthülfsstelle B.“ abschloss.

Einige Jahre später findet sich dessen Gesuch um Erhöhung seines „bisher allzu geringen Lohns“, da inzwischen vermehrt Postarbeit angefallen sei; diese Entwicklung musste erst wieder durch Statistiken des Postamts nachgewiesen werden, ehe eine Erhöhung der Jahresvergütung von 36 auf 48 (Gold-)Mark bewilligt wurde. In diesen Dienst treten für den Vertretungsfall bald auch Ehefrau und Tochter des Gastwirts ein, deren beider Vereidigung protokolliert ist, so dass bei der nur wenig später veranlassten technischen Funktionserweiterung zur Telegraphenhilfsstelle dann schon drei Familienmitglieder im örtlichen Postdienst tätig sind, bis (nach dem frühen Tod des Vaters) auch der Sohn vereidigt wird als „Gehilfe im Post- und Telegraphenhilfsstellendienst in B.“.

Wenig später legt die Gemeinde dann schon dem Postamt ein Gesuch vor mit der Bitte, anstelle der bisherigen Hilfsstelle nun eine Postagentur einzurichten; die Genehmigung hierzu wird schließlich, nach eingehender Prüfung seitens der Generaldirektion hinsichtlich des zu erwartenden finanziellen Aufwands, höheren Orts, nämlich von der Verkehrsabteilung des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, erteilt.

Die Umsetzung dieses Beschlusses findet in umfangreichen Dokumenten ihren Niederschlag, angefangen von der Bewerberauswahl für diesen – jetzt hauptamtlichen – Posten (mit Plänen hierfür geeigneter Häuser), dem Dienstvertrag, dem Ausbildungsnachweis und der Amtseinführung der neuen Postagentin.

Sparmaßnahmen in der auf den 1. Weltkrieg folgenden Notzeiten führen erst zu Änderungen bei der Postamts-Zuständigkeit, bis kurz vor der Weltwirtschaftskrise die bislang vollwertige Postagentur herabgestuft wird zu einer „Postagentur mit einfachem Betrieb“, verbunden mit Gehaltskürzungen sowie der Auflösung und Rückforderung des bisher geltenden Dienstvertrages.

Bahn

In gleicher Weise lässt sich anhand von Stationsakten der staatlichen Eisenbahnverwaltung detailliert die Entwicklung der Bahnhöfe sowie der am württembergischen Bodenseeufer gelegenen Schiffsstationen aufzeigen, wie am nachfolgenden Beispiel „Hauptbahnhof Stuttgart“ zu sehen ist.
Die in größerer Zahl zur Archivierung gekommenen Bahnakten über die Zentralstation des Landes belegen wichtige Phasen in der frühen Geschichte des „neuen“ Hauptbahnhofs wie Ausschreibung, Planung, Bauausführung und schließlich Betrieb dieses beim Architekten-Wettbewerb 1911 unter dem Namen umbilicus Sueviae („Nabel Schwabens“) vorgestellten, 1914 begonnenen Projekts, dessen endgültige Fertigstellung (1928) sich durch ungünstige Zeitumstände bedingt überaus lange hingezogen hatte. Immerhin konnte ein erster Zugbetrieb bereits 1922 in der (samt Turm) schon bestehenden Südseite des Empfangsgebäudes mit zunächst acht Gleisen (anstelle der bisherigen vier des alten Hauptbahnhofs in der heutigen Bolzstraße) aufgenommen werden. Die mit dieser Inbetriebnahme verbundenen organisatorischen Herausforderungen und deren Lösung spiegeln sich mannigfach in den ebenso Pläne enthaltenden Akten wider: Eine nach und nach zu bewerkstelligende Inbetriebnahme neuer Stellwerke und Gleisanlagen beispielsweise, die Installation von Vorrichtungen zum Vorheizen der Wagen in der kalten Jahreszeit für zu Tagesbeginn neu eingesetzte Züge, Planung und Bau von Zufahrten, Überführungen über das immer weiter sich ausbreitende Gleisfeld oder die bereits schon erforderlich gewordene Erweiterung gerade erst neuerrichteter Gebäude in der Umgebung des nahegelegenen Güterbahnhofs – zu diesen und ähnlichen Themen hat sich umfangreiches Schriftgut erhalten.

Auch die enge Verflechtung zwischen dem Dienstbetrieb der Eisenbahn mit jenem der Post zum einen und die seit Aufzug der Bahn Mitte des 19. Jahrhunderts bestehende, noch immer spürbare Konkurrenz der beiden Verwaltungen untereinander zum anderen ist in dieser Überlieferung dokumentiert: Denn mit (von der Bahn zu lieferndem) heißen Dampf vorzuheizen waren selbstverständlich auch die den Eisenbahnzügen beigestellten, jedoch zur Post gehörenden Bahnpostwagen, und Meinungsverschiedenheiten in Fragen der Organisation eines verbesserten Feuerschutzes im Postbahnhof führten zu regem Schriftwechsel zwischen beiden Direktionen. Nicht nur die Eilgutanlage der Bahn, sondern auch die Zentralbriefabfertigung der Post bedurfte einer leistungsfähigen Zufahrt für Lastkraftwagen, so dass selbst die Beförderung von Postgut innerhalb der Stadt auf der Schiene mit Wagen der Stuttgarter Straßenbahnen AG zum Schriftwechsel zwischen der Oberpostdirektion und der Reichsbahndirektion führte, welche zuständig war für Genehmigungen im Verkehrswesen.

Nachdem mit Aufnahme des Betriebs auf den Vorortgleisen (1927) nun alle 16 Gleise des Kopfbahnhofs zu befahren waren, die aufwändige Holzkonstruktion der Bahnsteighalle stand und das repräsentative Bauwerk 1928 endlich fertiggestellt war, wurden auch die zu dieser Station angelegten Akten geschlossen und nicht mehr weitergeführt.

Überlieferungslage und archivische Bearbeitungsschritte

Da sowohl die Post-Stationsakten wie auch die entsprechende Sachaktenserie der Eisenbahndirektion mit Einführung neuer Aktenpläne schon ab dem Jahr 1928 keinen Zuwachs mehr erhielten, hatten diese Unterlagen gut zehn Jahre später bei Kriegsbeginn bereits den Status von Alt-Registraturgut erlangt. Nachdem beide Serien den 2. Weltkrieg ohne erkennbare größeren Verluste überstanden haben, ganz im Gegensatz zu den laufenden Akten, welche in den Gebäuden der Oberpostdirektion Stuttgart sowie der benachbarten Reichsbahndirektion bei Luftangriffen größtenteils verbrannten, ist davon auszugehen, dass dieses Ergebnis auf rechtzeitig in die Wege geleitete Evakuierungsmaßnahmen zurückzuführen ist.

Bei in den 1980er Jahren dann auf Initiative des Staatsarchivs Ludwigsburg hin erfolgten Behördenbesuchen, deren Ziel es war, eine Abgabe dieser historisch bedeutsamen Überlieferung zu erreichen, waren beide Serien längst wieder in ihre angestammten (und bereits wiederaufgebauten) Direktionsgebäude zurückgekehrt und standen dort für innerdienstliche Nachforschungen zur Verfügung:
Die Oberpostdirektion hatte sogar einen regelrechten Leihverkehr (per Dienstpost) mit ihren an historischen Themen interessierten Mitarbeitern in den Post- und Telegraphenämtern unterhalten – dies, um im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit bei der Gestaltung von Broschüren und Ausstellungen zu Amtsjubiläen behilflich zu sein.[1]

Die Aussonderungen selbst gingen nach Abschluss erfolgreicher Verhandlungen zügig vonstatten: Die abliefernden Oberbehörden erstellten wie vereinbart nummerierte Listen der in alphabetischer Reihenfolge zur Archivierung übergebenen Stationsakten (Post: 1980; Bahn: 1989), so dass deren Nutzung – nunmehr im Lesesaal des Staatsarchivs Ludwigsburg – ohne Unterbrechung weiterhin möglich war.

Zum einen ihrer Bedeutung wegen, zum andern aber auch aufgrund ihrer relativ einfachen Struktur wurden die Bestände E 78 II und E 79 II bei der Arbeitsplanung (prüfen, säubern, verpacken, fertigen von Titelaufnahmen und vergeben von Büschelnummern) vorrangig berücksichtigt; schließlich konnte mit der Vorlage von gebundenen Mehrfertigungen (später dann von EDV-Ausdrucken) der Repertorien den abliefernden Stellen Mitteilung gemacht werden über den Abschluss der Bestandsbearbeitung.

Auch bei der (nach der Jahrtausendwende stark vorangetriebenen) Einstellung der bereits vorliegenden Findmittel ins Internet standen beide Bestände auf der Arbeitsliste weit oben, so dass schon bald online-Recherchen mit Volltextsuche möglich wurden.

Quellenkritik und Auswertungsmöglichkeiten

Die Vollarchivierung der beiden weitgehend vollständig erhalten gebliebenen Stationsakten-Serien lässt auf einzigartige Weise Auswertungen in verschiedene Richtungen zu – angefangen von dem lokalhistorischen Fakten nachspürenden Heimatforscher, dem gleichfalls ortsfixierten Modellbauer über jene sich für die Epoche einer (auch nach Reichsgründung 1871 stolz behaupteten) „eigenen“ württembergischen Post und Eisenbahn Interessierenden bis hin zu den Wirtschafts- oder Verwaltungsstrukturen analysierenden Wissenschaftlern.

Ist der frühere Dienstort bekannt, können sich darüber hinaus auch Familienforscher ein Bild über Arbeitsbedingungen und betriebliche Zustände im Berufsleben ihrer bei Bahn oder Post beschäftigt gewesenen Vorfahren machen – in manchen Fällen sogar verbunden mit deren namentlicher Nennung in den Akten.

Durch den recht langen Dokumentationszeitraum meist über mehrere Jahrzehnte hinweg können Entwicklung und Tätigkeit der einzelnen Dienststellen – bisweilen allerdings beeinträchtigt durch Legschein-Hinweise auf fehlende, noch in der Zeit der aktiven Aktenführung als „entbehrlich ausgeschiedene“ Teile – recht gut nachvollzogen werden. Dank der hieraus resultierenden Aussagekraft ist es bis heute möglich, zu beinahe allen früheren Dienststellen für die Ausgestaltung von anstehenden Gebäude- oder auch Streckenjubiläen benötigte Sachinformationen und Reproduktionen bereitzustellen.

Die Tatsache, dass die Gegenüberlieferung der nachgeordneten Dienststellen, mit Ausnahme versprengter Reste von drei in Bestand StAL K 525 überlieferten Postämtern in Ostwürttemberg, nicht zur Archivierung gekommen ist, verleiht diesen Serien in gewisser Weise den Charakter der Einmaligkeit.

Zur Ergänzung und erforderlichenfalls auch zur Verifizierung von aus diesen Quellen gewonnenen Fakten und Zeitangaben können in manchen Fällen jedoch noch weitere, ebenfalls beim Staatsarchiv Ludwigsburg verwahrte Bestände herangezogen werden, so beispielsweise im Bereich Post: die Serie der Post-Bauakten (StAL E 78 IV) und die Postgeschichtlichen Sammlungen (StAL K 550) oder im Bereich Bahn: die Serie der Streckenakten der Generaldirektion der Staatseisenbahnen (StAL E 79 I) und die Sammlung zum württ. Eisenbahnwesen von Hans Noller (StAL PL 723).

Zusätzliche Informationen, allerdings nur bezüglich eher allgemeiner Fragestellungen, könnte auch das im Hauptstaatsarchiv Stuttgart überlieferte, leider nicht sehr umfangreiche Schriftgut des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten – Verkehrsabteilung (HStAS E 57) bereithalten, da beide Generaldirektionen bis zum Übergang auf das Reich 1920 dieser dann aufgelösten Ministerialbehörde unterstellt geblieben sind.

Hinweise zur Benutzung

Gesetzliche Grundlage für eine Nutzung dieser schon seit 1920 nicht mehr landeseigenen, nun in Auftragsverwaltung des Bundes beim Landesarchiv Baden-Württemberg verwahrten Stationsakten von Post und Bahn ist das Bundesarchivgesetz in der Fassung vom 10. März 2017 (BGBL. I S. 410), wonach für Archivgut des Bundes – auch in Übereinstimmung mit § 6 a des Landesarchivgesetzes Baden-Württemberg in der Fassung vom 17. Dezember 2015 (GBl. S. 1201) – gemäß § 11 Abs. 1 eine allgemeine Schutzfrist von 30 Jahren nach Entstehen der Unterlagen zu beachten ist. Da jedoch die Laufzeiten in der Regel über das Jahr 1928 nicht hinausgehen, ist dieses Schriftgut uneingeschränkt nutzbar, die Abgabe von Reproduktionen sämtlicher Inhalte und deren Veröffentlichung mit eingeschlossen. Der Zugang zu den von den Nutzern gesuchten, alphabetisch nach Orten gegliederten Akten wird noch weiter dadurch erleichtert, dass die Findbücher StAL E 78 II und E 79 II online gestellt sind, wodurch schon vom heimischen Rechner aus Archivalienbestellungen in den Lesesaal möglich sind oder auch Kopien ganzer Akteninhalte bestellt werden können.

Anmerkungen

[1] Noch einige Zeit nach Übernahme dieses Schriftguts ins Staatsarchiv kamen immer wieder ausgeliehen gewesene Stationsakten in Ludwigsburg ein, die den Bestand E 78 II komplettieren halfen.

Literatur

  • Dehlinger, Alfred, Württembergs Staatswesen: in seiner geschichtlichen Entwicklung bis heute, 2. Bde., Stuttgart 1951/1953.
  • Kretzschmar, Robert, Vorbemerkung zu den Beständen StAL E 78 II (Generaldirektion der Württ. Posten und Telegraphen: Stationsakten) Ludwigsburg 1987, https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/einfueh.php?bestand=17477.
  • Mühl, Albert/Seidel, Kurt, Die württembergischen Staatseisenbahnen, 2., verb. u. erg. Auflage, Stuttgart 1980.
  • Sautter, Karl, Geschichte der Deutschen Post, Bd. 3: Geschichte der deutschen Reichspost (1871–1945), Frankfurt a.M. 1951.
  • Schneider, Wolfgang, Einleitung zu den Beständen StAL E 79 II (Generaldirektion der Staatseisenbahnen: Stations- bzw. Hochbauakten) Ludwigsburg 2001, https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/einfueh.php?bestand=17481.
  • Übersicht über die Bestände des Staatsarchivs Ludwigsburg. Ober- und Mittelbehörden 1806–1945 (E-Bestände), bearb. von Wolfgang Schmierer (Veröffentlichungen der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 38), Stuttgart 1980.
  • Zeitschriftenreihe „Württembergische Postgeschichte“ mit Beiträgen zur Entwicklung des post- und Meldewesens in Vergangenheit und Gegenwart (Hefte 20–28), hg. von der Gesellschaft für Deutsche Postgeschichte e.V., Bezirksgruppe Stuttgart, Stuttgart 1985–1992.

Zitierhinweis: Wolfgang Schneider, Stationsakten (Post und Bahn), in: Südwestdeutsche Archivalienkunde, URL: [...], Stand: 21.08.2017.

 

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