Der Dreißigjährige Krieg in Oberschwaben

von Eberhard Fritz

 Titelblatt der Ober-ländischen Jammer- und Straff-Chronic (Quelle: Universitätsbibliothek Tübingen)
Titelblatt der Ober-ländischen Jammer- und Straff-Chronic [Quelle: Universitätsbibliothek Tübingen]

Schon seit dem Beginn des Böhmischen Krieges im Mai 1618 machten sich dessen Auswirkungen in Oberschwaben und im Bodenseeraum bemerkbar. Hier kreuzten sich zwei Machtkonflikte zwischen den Habsburgern und ihren Gegnern. In Böhmen kam es zu einem bewaffneten Konflikt um die Krone des Königreichs. Im Alpenraum konkurrierten die Habsburger vor allem mit Frankreich um die Alpenpässe. Sie bildeten Engstellen auf der „Spanischen Straße“, auf der Soldaten und Heeresbedarf vom Großherzogtum Mailand in die Spanischen Niederlande gelangten. Im territorial stark zersplitterten Oberschwaben dominierten einige Adelsfamilien wie die Truchsessen von Waldburg, die Grafen zu Fürstenberg, zu Königsegg und von Montfort. Geprägt war die Landschaft auch von zahlreichen Klöstern und von den Reichsstädten. Mit wenigen Ausnahmen waren die Herrschaften katholisch und kaiserliche Parteigänger. Eine Sonderstellung nahmen die vorderösterreichischen Gebiete ein, also die Grafschaft Hohenberg, die Landvogtei Schwaben und die Landgrafschaft Nellenburg. Sie wurden von den in Innsbruck regierenden Erzherzögen von Österreich verwaltet.

Im ersten Jahrzehnt dominierte Kaiser Ferdinand II. militärisch über die gegnerische Kriegspartei. Er stärkte mehrere adelige Familien durch Rangerhöhungen, von denen manche männlichen Familienmitglieder als Militärs oder hohe Hofbeamte in seinem Dienst standen. Zur Schlichtung von Konflikten in der Region Oberschwaben setzte der Kaiser wiederum Adelige als Kommissare ein. Einen Höhepunkt erreichte die kaiserliche Machtstellung mit dem Restitutionsedikt vom 6. März 1629, mit dem die in der Reformation säkularisierten geistlichen Besitzungen wieder an die katholische Kirche fielen. Hier war das Herzogtum Württemberg am stärksten betroffen, wo Klöster mit großem Landbesitz vorrangig aus den Konventen oberschwäbischer Reichsklöster wiedererrichtet wurden.

Diese Situation änderte sich innerhalb kurzer Zeit mit dem Vorrücken des schwedischen Heeres unter König Gustav II. Adolf. Er zog nach Bayern und überließ seinen Generälen die weiträumige Besetzung Oberschwabens von der Reichsstadt Ulm aus. Seit dem Frühjahr 1632 eroberten die schwedischen Heere fast die gesamte Region. Bauernaufstände, die mancherorts aufflammten, konnten die Invasion nicht verhindern. Nur die befestigten Städte am Bodensee verteidigten sich erfolgreich, so dass zwei Belagerungen der Reichsstadt Überlingen und ein Angriff auf die vorderösterreichische Stadt Konstanz scheiterten. Den Schweden gelang es lediglich, die bischöfliche Stadt Meersburg und die Reichsstadt Buchhorn in ihren Besitz zu bringen. Sie errichteten in Buchhorn eine Werft und bauten Kriegsschiffe für den Einsatz auf dem Bodensee. Als schwedische Verbündete traten die Herzöge von Württemberg auf. Sie eroberten zahlreiche Herrschaften, von denen ihnen einige König Gustav II. Adolf geschenkt hatte: das Kloster Zwiefalten, die Grafschaft Hohenberg, die Grafschaften Hohenzollern, Teile der fürstenbergischen Herrschaften, die Waldburger Herrschaft sowie die Städte Scheer, Radolfzell und die Landgrafschaft Nellenburg.

Die württembergisch-schwedische Herrschaft endete unvermittelt mit der katastrophalen Niederlage des protestantischen Heeres gegen die kaiserlichen Truppen in der Schlacht bei Nördlingen am 5. September 1634. Innerhalb weniger Wochen befreiten kaiserliche Heeresverbände Oberschwaben von den Schweden. Kaiser Ferdinand II. versuchte im Jahr danach mit dem Prager Vertrag erfolglos, den Krieg zu beenden. Gegen die Habsburger formierte sich eine Allianz der Großmächte Schweden und Frankreich.

Im Bodenseeraum blieb die große Festung Hohentwiel im Besitz Württembergs. Herzog Eberhard III. setzte kurz vor der Schlacht bei Nördlingen Konrad Widerholt als Kommandanten ein. Da der Herzog nach der verlorenen Schlacht sein Land verließ und nach Straßburg floh, war er nicht in der Lage, die Festung ausreichend zu versorgen. Hier halfen die protestantischen Städte der Eidgenossenschaft mit Getreidelieferungen gegen Kredit und betrieben auch einen profitablen Waffenhandel. Widerholt gelang es innerhalb kurzer Zeit, von zahlreichen Herrschaften Kontributionen und andere Abgaben zu erheben, indem er im Fall einer Ablehnung kleine Trupps aussandte, um Häuser anzuzünden oder Menschen zu töten.

Seine Hauptgegnerin Erzherzogin Claudia von Österreich regierte in Innsbruck als Vormundin für ihren minderjährigen Sohn. Es war im Wesentlichen ihrer Initiative zu verdanken, dass die Festung Hohentwiel fünf Mal blockiert wurde: 1635, 1639, 1640, 1641 und 1644. Obwohl Konrad Widerholt und die Besatzung gelegentlich in Bedrängnis kamen, überstanden sie diese Belagerungen. Das lag auch daran, dass das Belagerungsheer aus kaiserlichen, österreichisch-tirolischen und bayerischen Regimentern bestand und die Befehlshaber sich häufig uneinig waren. Widerholt schloss 1637 einen Vertrag mit dem schwedischen Heerführer Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar. Dieser hatte nach der Reorganisation seines in Nördlingen aufgeriebenen Heeres mit der Eroberung der vier vorderösterreichischen Waldstädte und der Festung Breisach spektakuläre Erfolge erzielt.

Als der Herzog plötzlich starb, trat Konrad Widerholt in die Dienste des französischen Königs Ludwig XIII. Im Januar 1643 überfiel er die Reichsstadt Überlingen und übergab sie an eine französische Besatzungstruppe. Im Herbst unternahmen französische Heere einen Feldzug gegen die Reichsstadt Rottweil und erzwangen die Übergabe der Stadt. Dabei erlitt der kommandierende General Jean Baptiste Budes von Guébriant so schwere Verletzungen, dass er wenige Tage später starb. Allerdings musste das französische Heer einen schweren Rückschlag hinnehmen, der im gesamten europäischen Raum beachtet wurde. Am 24. November 1643 brachten bayerische und kaiserliche Truppen der um Tuttlingen lagernden französischen Armee durch einen überfallartigen Angriff eine vernichtende Niederlage bei. Diese militärische Schwäche Frankreichs erwies sich als vorübergehend, denn der Nachfolger Guébriants, Marschall Henri de La Tour d'Auvergne, Vicomte de Turenne, erzielte im Verbund mit schwedischen Militärführern eindrucksvolle Erfolge. Dies war der Tatsache zu verdanken, dass die französisch-schwedische Kooperation ohne große Verständigungsprobleme funktionierte. Tendenziell beherrschte Frankreich den westlichen Bodenseeraum, während Schweden in der östlichen Region und in Bayern dominierte. In einer spektakulären Aktion eroberte der schwedische General Carl Gustav Wrangel im Januar 1647 die als uneinnehmbar geltende Stadt Bregenz und brachte damit Vorarlberg in Gefahr. Sein Versuch, anschließend die Reichsstadt Lindau zu erobern, scheiterte allerdings.

Die französischen Heere brachten einige Festungen in ihren Besitz, darunter die württembergischen Orte Hohentübingen und Schorndorf. Nun entbrannte ein Kampf der Festungskommandanten um die Kontributionen der Untertanen in Oberschwaben. In den Jahren 1647 und 1648 erstickte der Krieg förmlich aufgrund einer ökonomischen Erschöpfung vieler Herrschaften. Seit 1644 war in Münster in Westfalen und in Osnabrück über einen Friedensvertrag verhandelt worden. Am 24. Oktober 1648 wurde das umfangreiche Vertragswerk von Vertretern aller Kriegsparteien unterzeichnet. Es dauerte aber noch bis 1650, bis die letzten Soldaten Oberschwaben und die Bodenseeregion verließen. Die Reichsstände hatten ihren Anteil von 5 Millionen Talern „Militärsatisfaktion“ aufzubringen, der laut Friedensvertrag an das Königreich Schweden als Ersatz für dessen aufgewendete Militärkosten zu zahlen war.

Quellen (in Auswahl)

Es gibt eine außerordentlich reichhaltige Überlieferung in zahlreichen Archiven des In- und Auslandes. Hinzuweisen ist auf die Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart über die Festung Hohentwiel und auf die Überlieferung im Tiroler Landesarchiv Innsbruck bezüglich der Verwaltung der vorderösterreichischen Herrschaften. Das Staatsarchiv Sigmaringen bietet Akten zu den Kriegsereignissen in vielen oberschwäbischen Herrschaften. Weitere Aktenbestände zur Festung Hohentwiel finden sich in den Staats- und Stadtarchiven der nördlichen Schweiz. Wichtige Quellen zu den Adelsherrschaften werden im Fürstlich Fürstenbergischen Archiv Donaueschingen und im Waldburg-Zeil'schen Gesamtarchiv in Schloss Zeil verwahrt. Auch in den Archiven der ehemaligen Reichsstädte gibt es umfangreiche Bestände zum Dreißigjährigen Krieg. Ergänzend sind internationale Archive heranzuziehen wie das Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien, das Riksarkivet Stockholm, das Archivo Real in Simancas sowie Archive in Frankreich. Mit Ausnahme der Wiener Bestände sind Quellen in den anderen ausländischen Archiven erst ansatzweise ausgewertet worden, so dass noch nicht feststeht, wie ergiebig sie für das Thema sind.

Literatur (in Auswahl)

  • Beyerle, Konrad, Konstanz im Dreißigjährigen Kriege. Schicksale der Stadt bis zur Aufhebung der Belagerung durch die Schweden 1628-1633 (Neujahrsblätter der Badischen Historischen Kommission, Neue Folge, Bd. 3), Heidelberg 1900.
  • Bumiller, Casimir, Hohentwiel. Die Geschichte einer Burg zwischen Festungsalltag und großer Politik (Beiträge zur Singener Geschichte, Bd.20), Konstanz 1997.
  • Diemer, Kurt (Bearb.), Tagebücher aus dem Dreißigjährigen Krieg von Johann Ernst von Pflummern (1588-1635), Maschinenschriftliches Transkript, 2017.
  • Ebert, Jens Florian, Die Schlacht von Tuttlingen am 24. November 1643. Ursachen, Vorgeschichte und Verlauf, in: Tuttlinger Heimatblätter 74 (2011), S. 43-80.
  • Fritz, Eberhard, Konrad Widerholt. Kommandant der Festung Hohentwiel (1634-1650). Ein Kriegsunternehmer im europäischen Machtgefüge, in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 76 (2017), S. 217-268.
  • Gallati, Frieda, Eidgenössische Politik zur Zeit des dreissigjährigen Krieges, in: Jahrbuch für schweizerische Geschichte 43 (1918), S. 1-150, und 44 (1919), S. 1-257.
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  • Schilling, Albert/ Ruthven, Patrik, Schwedischer Kommandant in Ulm, 1632-33, in: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte 11 (1888), S. 142-159.
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  • Vochezer, Joseph, Geschichte des fürstlichen Hauses Waldburg in Schwaben, Bd. 3, Kempten/München 1907.
  • Widmoser, Eduard, Österreich ringt um den Hohentwiel, in: Hohentwiel. Bilder aus der Geschichte des Berges, hg. von Herbert Berner, Konstanz 1957, S. 185-197.
  • Wieland, Georg, Eine Steuerliste als Zeugnis aus dem 30jährigen Krieg, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 98 (1980), S. 13-110.
  • Zimmermann, Wolfgang, Konstanz in den Jahren von 1548-1733, in: Konstanz in der Frühen Neuzeit. Reformation. Verlust der Reichsfreiheit. Österreichische Zeit, hg. von Martin Burkhardt/Wolfgang Dobras/Wolfgang Zimmermann (Geschichte der Stadt Konstanz, Bd. 3), Konstanz 1991, S. 147-312.
  • Zizelmann, Stefan, Um Land und Konfession. Die Außen- und Reichspolitik Württembergs (1628-1638) (Europäische Hochschulschriften, Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 941), Frankfurt/M 2002.

 

Zitierhinweis: Eberhard Fritz, Der Dreißigjährige Krieg in Oberschwaben, in: Der Dreißigjährige Krieg, URL: […], Stand: 08.08.2022

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