Ein Steuermuseum für Freudenstadt

Ein nicht alltägliches Projekt aus der Geschichte der Finanzverwaltung

 

Akten des Finanzamts Calw(­Hirsau) im Staatsarchiv Sigmaringen. Der 2,1 Meter umfassende Bestand enthält Generalakten, die den Übergang vom Kameralamt auf das Finanzamt Hirsau dokumentieren. Vorlage: Landesarchiv BW, StAS Wü 126/6 T 5. Zum Vergrößern bitte klicken.
Akten des Finanzamts Calw(­Hirsau) im Staatsarchiv Sigmaringen. Der 2,1 Meter umfassende Bestand enthält Generalakten, die den Übergang vom Kameralamt auf das Finanzamt Hirsau dokumentieren. Vorlage: Landesarchiv BW, StAS Wü 126/6 T 5. Zum Vergrößern bitte klicken.

Im Januar 2019 wurden im Staatsarchiv Sigmaringen zwei Umzugskartons mit Finanzamtsakten eingeliefert – an sich ein völlig alltäglicher und in keiner Weise bemerkenswerter Vorgang. Stutzig machte die Herkunft der Pakete – kamen sie doch vom Bundesfinanzhof aus München. Ein Blick in die Kartons ergab, dass die Schriftstücke Anfang des 20. Jahrhunderts beim Finanzamt Hirsau entstanden waren und somit in die Zuständigkeit des Staatsarchivs fallen. Aber wie waren die Akten nach München gekommen?

Der Weg der Akten lässt sich nur teilweise rekonstruieren, ist jedoch eng mit dem Namen Dr. Alfons Pausch verbunden. Pausch, seit 1957 Vorsteher des Finanzamts Freudenstadt, wirbt zeitlebens um das Verständnis des kleinen Steuerzahlers für die Belange der Finanzverwaltung und betreibt von Beginn an eine für Steuerbehörden eher ungewöhnliche Öffentlichkeitsarbeit. Um den einfachen Bürger anzusprechen, gründet er 1958 ein bundesweit einzigartiges Steuermuseum in Freudenstadt, dessen zahlreiche Exponate er in der Umgebung zusammengetragen hat.

Während eines Schwarzwaldurlaubs im Sommer 1960 besucht Bundesfinanzminister Franz Etzel das Museum und ist derart begeistert, dass er dieses beim Bundesfinanzministerium ansiedeln und Pausch sofort nach Bonn holen will. Als Pausch mitsamt seiner Sammlung 1961 in Bonn eintrifft, ist Etzel jedoch schon nicht mehr Minister und sein Nachfolger teilt dessen Begeisterung für das Museum nicht. Was also tun mit Etzels Liebhaberprojekt? Die Lösung findet sich, indem das Museum als Finanzgeschichtliche Sammlung an die Bundesfinanzakademie in Siegburg angegliedert und Pausch mit deren Aufbau betraut wird. In den Folgejahren wachsen die Finanzgeschichtliche Sammlung und das Steuermuseum, von Pausch bis zu seinem Ruhestand 1982 betreut, und nehmen an Bedeutung zu.

Im Zuge der Flüchtlingskrise wird die inzwischen in Brühl angesiedelte Sammlung jedoch 2016 aufgelöst. Die Sammlungsobjekte gelangen zum Deutschen Zollmuseum nach Hamburg, die historische Bibliothek sowie die darin enthaltenen Archivalien und Nachlässe unterschiedlichster Herkunft werden vom Bundesfinanzhof übernommen. 500 Umzugskartons treten ihren Weg nach München an, die dortige Bibliothekarin managt in der Folgezeit die Bearbeitung. Für die Archivalien erhält sie Unterstützung aus dem Bundesarchiv. Die Akten werden nach deren Herkunft getrennt, sodass sie nach und nach an die zuständigen Landes- und Staatsarchive abgegeben werden können.

So schließt sich der Kreis und die Überlieferung des Finanzamts Hirsau hat ihren endgültigen Aufbewahrungsort im zuständigen Staatsarchiv Sigmaringen gefunden. Derzeit wird der Bestand erschlossen, verpackt und demnächst allen Nutzenden des Landesarchivs zugänglich sein.

Sabine Hennig

Quelle: Archivnachrichten 63 (2021), Seite 62.