"newer Most ynn allte Heute gefasst". Schreiben prominenter Reformatoren im Staatsarchiv Ludwigsburg

Ambrosius Blarer, Kupferstich, 17. Jh. – Quelle UB Tübingen
Ambrosius Blarer, Kupferstich, 17. Jh. – Quelle UB Tübingen

Am 14. November 1536 ermahnte Martin Luther den Rat, die Prädikanten und Untertanen der Reichsstadt Ulm, das sie … dem Satan widerstehen, welcher gern wollte, das newer Most ynn allte Heute gefasst, zuletzt alles erger werde und beides – Most und Heutte – zurissen und verschüttet weren. Hintergrund des eindringli- chen Schreibens des Reformators war die am 30. Oktober 1536 erfolgte Zustimmung der Ulmer zur Wittenberger Konkordie, die die Verständigung von Lutheranern und Zwinglianern in strittigen Glaubensfragen, vor allem in der Abendmahlslehre, ermöglichte. In einem weiteren Schreiben vom 18. April 1539 empfahl Luther dem Ulmer Bürgermeister den ihm wohlbekannten Moritz Kern zur Anstellung als Pfarrer. Diese beiden im Staatsarchiv Ludwigsburg im Bestand Reichsstadt Ulm (Landesarchiv StAL B
207 Bü 331) aufbewahrten Schreiben – übrigens die einzigen im Landesarchiv Baden-Württemberg im Original überlieferten Lutherbriefe – führen mitten hinein in das Ringen um die Einführung der Reformation und in die Probleme ihrer Umsetzung im reichsstädtischen Alltag. Bereits 1532 hatten sich Martin Bucer aus Straßburg und Ambrosius Blarer aus Konstanz mit der Empfehlung eines Lehrers der griechischen Sprache
an den Ulmer Bürgermeister gewandt. Neben Martin Bucer sandten die Straßburger Theologen Wolfgang Capito und Caspar Hedio sowie Johannes Oecolampad aus Basel 1531 Ratschläge an die Ulmer, wie in Glaubenssachen zu verfahren sei. Nicht zuletzt ist auch der Züricher Ulrich Zwingli im Ulmer Bestand mit zwei eigenhändigen Schreiben von 1529 und 1531 vertreten, in denen er den dortigen Prediger Konrad Sam über die Fortschritte der neuen Glaubensrichtung informiert und Gott dankt, dass er die Ulmer in die erkanntnus siner warheit und gnaden gefuret.

Dass den genannten Hauptgestalten der Reformation auch die übrigen Reichsstädte nicht gleichgültig waren, zeigen die von ihnen, aber auch etwa von dem sächsischen Hofprediger Spalatin, im Bestand der Reichsstadt Esslingen überlieferten Briefe. Besonders hervorzuheben ist hier Ambrosius Blarer, der im Herbst 1531 die Aufgabe übernommen hatte, die neue Lehre in der Neckarstadt einzuführen. Von Blarer, der von Zeitgenossen als Apostel Schwabens bezeichnet wurde, liegt u. a. ein Konvolut von 35 Briefen aus der Zeit von 1531 bis 1549 vor, die an seinen Freund, den Esslinger Stadtschreiber Johannes Machtolf, gerichtet sind (Landesarchiv StAL B 169 Bü 52). Nach seinem Weggang aus Esslingen im Juli 1532 versuchte Blarer über Machtolf weiter Einfluss auf die kirchliche Entwicklung dort zu nehmen. Themen waren u. a. der Esslinger Prädikantenstreit zwischen den Predigern Johannes Otter und Martin Fuchs, die Warnung vor dem schwenckfeldischen Gift oder aber der Umgang mit den Täufern, bei dem der Reformator zur Mäßigung aufrief. Neben einem achteinhalb Seiten umfassenden Gebet von der Hand Blarers ist als Anhang zu einem Brief vom 1. Mai 1533 ein Lied aus seiner Feder überliefert, das an Himmelfahrt zu singen sei:
Freu dich mit Wonne fromme Christenheit und sing mit grossem Schalle
das heut ist uffthan Selikait
die feind sind geschlagen alle…

Mit der Abschaffung von Messe und Bildern war das Werk der prominenten Reformatoren eben nicht getan, sie mussten vielmehr für den Ersatz der alten durch neue Gebete und Gesänge sorgen.

 Maria Magdalena Rückert

Quelle: Archivnachrichten 54 (2017), S.10-11.

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