Württemberg zu Beginn der Weimarer Republik

 

Florian Brückner, Universität Stuttgart

Die Provisorische Regierung Württembergs von 1918 mit Ministerpräsident Wilhelm Blos und Innenminister Arthur Crispien, (Quelle: Landesarchiv BW, HStAS J 300 Nr. 739)
Die Provisorische Regierung Württembergs von 1918 mit Ministerpräsident Wilhelm Blos und Innenminister Arthur Crispien, (Quelle: Landesarchiv BW, HStAS J 300 Nr. 739)

Die Rätebewegung in Württemberg

Die württembergische Monarchie unter König Wilhelm II. (1848-1921) war 1918 noch so gefestigt, dass von der USPD gewalttätige Proteste wie in der Reichshauptstadt Berlin nicht zu erwarten waren. Führende Exponenten der Sozialdemokratie wie Wilhelm Keil (1870-1968) versuchten von Beginn an, die Republikanisierung im Rahmen von Reformen, nicht von revolutionären Akten, umzusetzen, sodass sie zu den konsolidierenden Kräften des politischen Umwälzungsprozesses zählten.

Doch hatte der Erste Weltkrieg auch in Württemberg die wirtschaftliche und soziale Lage verschärft und kommunistischen Ideen Auftrieb verliehen. So konstituierten sich mit der Kriegsniederlage auch in Württemberg Arbeiter- und Soldatenräte, in denen Vertreter sowohl demokratischer als auch kommunistischer Ordnungsvorstellungen miteinander rivalisierten. Die Räte übernahmen eine wichtige Rolle hinsichtlich der Frage, ob Deutschland als parlamentarische Demokratie oder als Rätesystem nach sowjetischem Vorbild verfasst sein sollte.

Am 4. November wurde in Stuttgart ein Arbeiterrat ins Leben gerufen, dem der Spartakist Fritz Rück (1895-1959, USPD) präsidierte. Am 9. November erlebte die Landeshauptstadt einen gewalttätigen Konflikt zwischen dem letzten königlich württembergischen Staatspräsidium unter Theodor Liesching (1865-1922), das erst zwei Tage zuvor einberufen worden war, und Spartakisten. Letzte hissten in Stuttgart die rote Fahne als Symbol der Revolution.

Am 9. November reagierten MSPD, USPD und Gewerkschaften auf die kommunistische „Bedrohung“ mit der Bildung einer provisorischen Landesregierung, die unter der Leitung von Wilhelm Blos (1849-1927, MSPD, später SPD) und Arthur Crispien (1875-1946, USPD) stand. Das Arbeitsministerium wurde mit Carl Hugo Lindemann (1867-1949, MSPD) besetzt, das Kultministerium mit Bertold Heymann (1870-1939, MSPD), das Justizministerium mit Johann Baptist von Kiene (1852-1919, Zentrum), das Außenministerium mit Wilhelm Blos und das Kriegsministerium mit Albert Schreiner (1892-1979, USPD).

Die Regierung wurde zudem vom Stuttgarter Arbeiter- und Soldatenrat sowie dem Militär unterstützt, sodass es gelang, die Unruhen der Spartakisten am 9. November zu unterdrücken. Für die württembergischen Spartakisten bedeutete dieses Vorgehen das Ende einer möglichen politischen Zusammenarbeit mit der provisorischen Regierung. Sie versuchten nun, einen fünfköpfigen Generalrat zu bilden, der dem Arbeiter- und Soldatenrat unterstand.

Einem solchen Vorhaben verweigerte sich jedoch der Stuttgarter Arbeiter- und Soldatenrat am 10. November. Er entschied sich dazu, die provisorische Regierung zu unterstützen. Am 12. November fanden Wahlen zum Arbeiterrat Groß-Stuttgart statt. Aus ihr ging die MSPD als Siegerin hervor. Die Vertreter der MSPD konnten nun im Vollzugsausschuss, der am 25. November einberufen wurde, mit 11:4 Sitzen Entscheidungen gegen den Willen der USPD fällen. Ähnliche Entwicklungen vollzogen sich in anderen Städten und Ortschaften Württembergs. Am 8. Dezember berief der Arbeiterrat Groß-Stuttgart eine Landesversammlung ein. Unter der Teilnahme nahezu aller Oberämter bildete er einen Landesausschuss der Arbeiterräte, der die provisorische Regierung unterstützte.

Die ebenfalls in Württemberg entstehenden Soldatenräte entwickelten sich ähnlich. Nachdem Spartakisten in Stuttgarter Soldatenräten kommunistische Ordnungsvorstellungen ventilierten, setzte sich jedoch auch hier die MSPD durch. Am 17. November bestellte die Landesversammlung der Soldatenräte einen mehrheitlich sozialdemokratisch besetzten Landesausschuss.

In Zusammenarbeit mit der provisorischen Regierung, die die alleinige Exekutivgewalt gegen die Spartakisten verteidigte, wurden die Räte durch die Landesausschüsse im Dezember 1918 als für den sozialen Bereich sorgende Organe eingerichtet. Sie waren somit für die Wohnungszuweisungen oder die Reintegration der heimkehrenden Soldaten ins Berufsleben zuständig. Dies bedeutete gleichzeitig politischen Machtverlust, der sich insbesondere nach der verfassunggebenden Landesversammlung im Januar 1919 fortsetze, da die Wähler und Wählerinnen hier kommunistischen Vorstellungen eine Absage erteilten. Die Räte lösten sich ab Juli 1919 sukzessive auf. Ebenso erging es den Soldatenräten bereits im Dezember 1918. Ihre mögliche Selbsttätigkeit endete mit der Demobilmachung des württembergischen Heeres.

Der Weg zur Demokratie

Für die provisorische Landesregierung ging es seit ihrer Bildung am 10. November 1918 vor allem darum, das Bürgertum für die Demokratisierung zu gewinnen. Angesichts der prekären wirtschaftlichen und sozialen Lage in Folge der Kriegsniederlage mussten Sicherheit, Ordnung und insbesondere die Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden. Hierzu galt es, die bürgerlichen Vertreter der liberalen Fortschrittlichen Volkspartei (FVP), des Zentrums (Z) und der Nationalliberalen Partei (NLP) für sich zu gewinnen. Am 10. November löste sich die königliche Regierung aufgrund der revolutionären Ereignisse in Stuttgart zugunsten der provisorischen auf: Äußeres, Inneres, Kult, Arbeit und Kriegswesen blieben in der Hand der sozialdemokratischen Parteien. Die bürgerlichen Parteien erhielten dafür Finanz-, Justiz- sowie das neu gegründete Ernährungsministerium, die mit Theodor Liesching (1865-1922, FVP, später DDP), Johann Baptist von Kiene (1852-1919, Zentrum) und Julius Baumann (1868-1932, NLP, später DDP) besetzt wurden. Die neue Regierung traf auf den entschiedenen Protest der Spartakisten, die sich jedoch in der Minderheit befanden und gegen die bestehenden Kräfteverhältnisse nichts auszurichten vermochten. Obgleich weite Teile der Beamtenschaft monarchisch gesinnt waren, unterstützten sie dennoch die provisorische Regierung und damit den Übergang zur Republik. Am 11. November 1918 erklärte die Regierung die Revolution für beendet. Am 30. November 1918 dankte König Wilhelm II. förmlich ab und führte fortan nur noch den Titel eines Herzogs von Württemberg.

Der provisorischen Regierung gelang es in Zusammenarbeit mit den Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräten, denen gerade auch in weiteren württembergischen Städten und ländlichen Ortschaften Angehörige des Bürgertums beigetreten waren, die Weichen für die Demokratisierung zu stellen. Dies führte zu Konflikten mit führenden Sozialisten wie Kriegsminister Schreiner, der weiterhin auf eine Räterepublik hinarbeitete. Er wurde daraufhin abgelöst und Vizefeldwebel Ulrich Fischer (1889-1950, MSPD) zu seinem Nachfolger bestimmt. Fischer betrieb rigoros die Demobilisierung der heimkehrenden Armee und dämmte damit das Potenzial zum bewaffneten Aufstand ein.

Rasch formierten sich in Württemberg die Parteien. Zu den Exponenten der neu gegründeten liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) gehörten in Württemberg beispielsweise Friedrich Payer (1847-1931) und Conrad Haußmann (1857-1922). Herausragender Vertreter der Deutschen Volkspartei (DVP) war ihr Vorsitzender, der Historiker Gottlob Egelhaaf (1848-1934). Die rechtskonservative Deutschnationale Volkspartei (DNVP) führte in Württemberg den Namen Bürgerpartei und unterstand der Führung Wilhelm Bazilles (1874-1934). Die agrarischen Interessen vertrat der seit 1890 bestehende Bauern- und Weingärtnerbund, der intensiv mit der Bürgerpartei zusammenarbeitete. Zu den katholisch gesinnten, in Württemberg politisch dominanten Parteien zählte ferner das Zentrum. Führende Köpfe waren hier beispielsweise Johann Baptist von Kiene (1852-1919), der sich 1894 bis 1918 in der zweiten Kammer der württembergischen Landstände engagierte, oder Eugen Bolz (1881-1945), der von Kiene als Justizminister ab 1919 als württembergischer Justizminister nachfolgte, ab 1923 als Innenminister und von 1928 bis 1932 als Staatspräsident von Württemberg amtierte. Auf der linken Seite positionierte sich schließlich neben MSPD und USPD die Anfang 1919 aus dem Spartakusbund hervorgehende Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Die Vertreter der provisorischen Landesregierung beriefen im Januar 1919 eine verfassunggebende Landesversammlung ein. Dieser politischen Weichenstellung ging ein Putschversuch der Spartakisten voraus, der jedoch durch die von Leutnant Paul Hahn (1883-1952) befehligten Truppen niedergeschlagen wurde. Der Umsturzversuch war von den Ministern Crispien und Fischer unterstützt worden. Ministerpräsident Blos entließ daraufhin beide aus ihren Ämtern und schloss die USPD am 10. Januar 1919 von der Regierung aus. Ihre Ressorts wurden wie folgt neu besetzt: Gewerkschaftssekretär Alexander Schlicke (1863-1940, MSPD) übernahm das Arbeitsministerium, Immanuel Herrmann (1870-1945, MSPD), Professor für Elektrotechnik an der Technischen Hochschule Stuttgart, leitete fortan das Kriegsministerium und Carl Hugo Lindemann wurde das zuvor von Crispien geführte Innenministerium übertragen. Am 12. Januar 1919 konnten die Wahlen zur verfassunggebenden Landesversammlung plangemäß stattfinden.

Die Wahlen, bei denen auch Frauen gemäß dem allgemeinen, geheimen und direkten Verhältniswahlrecht abstimmen durften, führten zur Bildung einer von den demokratisch gesinnten Parteien MSPD (52 Sitze), DDP (38) und Zentrum (31) gebildeten sogenannten Weimarer Koalition. Der Bauern- und Weingärtnerbund erhielt zehn und die Bürgerpartei elf Mandate; die USPD verlor hingegen mit vier Mandaten fast jedes politische Gewicht. Unter den insgesamt 150 Mandatsträgern befanden sich 13 weibliche Abgeordnete, was im Vergleich zu den anderen Ländern eine überdurchschnittliche Repräsentanz von Frauen bedeutete. Wichtige Vertreterinnen waren hier etwa die Schriftstellerin Mathilde Planck (1861-1955, DDP) sowie Clara Zetkin (1857-1933, SPD, USPD, KPD).

Die von der württembergischen Bevölkerung bestätigte Regierung Blos war fortan keine provisorische mehr, sondern bezeichnete sich als Staatsregierung. Der von der Landesversammlung gewählte Staatspräsident ernannte die Minister. Die Regierung war vom Vertrauen der Landesversammlung abhängig und ihr gegenüber rechenschaftspflichtig. Am 7. März 1919 wurde Blos zum Staatspräsidenten gewählt.

Verfassung, Landtag und Demobilmachung

Erste Aufgabe der am 12. Januar 1919 gewählten Landesversammlung war die Ausarbeitung einer Verfassung. Die Regierung stützte sich hier maßgeblich auf den Entwurf des Tübinger Rechtswissenschaftlers Wilhelm von Blume (1867-1927), der in die Verfassungsberatungen eines hierfür eingerichteten Ausschusses unter der Leitung Johannes von Hiebers (1862-1951, DDP) einging. Die Landesversammlung stimmte am 26. April mit 118 Ja-Stimmen und neun Nein-Stimmen dem Entwurf zu. Die Verfassung wurde am 23. Mai 1919 offiziell proklamiert und trat am 25. September 1919 in Kraft. Diese Verabschiedung beendete die politische Partizipation der Arbeiter- und Soldatenräte. Die politische Macht lag nun endgültig bei der Landesversammlung, die sich am 28. Mai 1919 als Landtag bezeichnete. Württemberg hatte sich damit zu einem freien Volksstaat – dies die offizielle Bezeichnung des neuen politischen Systems – gewandelt.

Der Landtag wurde auf vier Jahre gewählt, bildete die Legislative und bestellte und kontrollierte die aus ihm hervorgehende Regierung. Er trat mindestens einmal im Jahr zusammen. Die Zusammenkünfte beraumte er dabei in der Regel selbst an, doch besaßen auch das Staatsministerium, d.h. die Regierung, sowie der Landtagspräsident das Recht, den Landtag einzuberufen. Per Plebiszit konnte der Landtag zudem aufgelöst werden. Voraussetzung für einen solchen Volksentscheid war seine Festlegung durch das Staatsministerium oder wenn ein solches Prozedere von einem Fünftel der Wähler der letzten Landtagswahlen verlangt worden war. Das plebiszitäre Element war in der württembergischen Landesverfassung zudem dadurch vertreten, dass das Volk in außergewöhnlichen Situationen durch Referenden und Initiativen an der Gesetzgebung beteiligt werden konnte.

Konstitutiv für die neue politische Verfasstheit Württembergs waren freilich die Verabschiedung der Weimarer Reichsverfassung am 11. August 1919 sowie der dadurch ausgelöste Zentralisierungsprozess. Letzterer bedeutete einen Verlust an Souveränitätsrechten der Länder zugunsten des Reiches, im Zuge derer die Länder zahlreiche Kompetenzen an das Reich abzutreten hatten. Dementsprechend ging die württembergische Heeresverwaltung in der neu gegründeten Reichswehr auf. Das in Stuttgart befindliche Kriegsministerium wurde aufgelöst. Am 1. Januar 1920 traten die württembergischen Gesandtschafts- und Konsularrechte außer Kraft. Im April 1920 folgte die Auflösung des württembergischen Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten. Auch die Sonderrechte von Post und Eisenbahn fielen dem Reich zu. Die Landesregierung versuchte, diesem Abfluss von Zuständigkeiten entgegenzutreten; dies jedoch ohne Erfolg.

Landtagswahlen fanden in Württemberg 1920, 1924, 1928 und 1932 statt. Sie fielen regelmäßig mit Reichstagswahlen zusammen, was für eine gute Wahlbeteiligung bei den Württembergern sorgte: Die Wahlbeteiligungsquoten lagen anlässlich der verfassunggebenden Landesversammlung 1919 bei 90,9 %, bei der Landtagswahl von 1920 bei 77,1 % und anlässlich der Landtagswahl von 1924 bei 78,4 %. Die überdurchschnittlich hohe Beteiligung von 1919 ist sicherlich auf die Nutzung des Wahlrechts durch Frauen sowie die existenzielle Frage nach der zukünftigen Staatsorganisation Württembergs zurückzuführen, die sich im Rahmen dieser Wahl gestellt hatte.

Die Bewältigung der Weltkriegsfolgen stellte die Landesregierung vor große Schwierigkeiten. Zu ihren Aufgaben gehörte die Demobilisierung, die Reintegration der Soldaten in das soziale und berufliche Leben, die Bewältigung des Wohnungsmangels, die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung sowie der insbesondere im harten Winter von 1919 notwendigen Versorgung der Bevölkerung mit Brennmaterialien. Vor dem Hintergrund der Erbringung der Wiedergutmachungsleistungen, die im Versailler Vertrag festgelegt worden waren, forderte zudem die Umstellung der Kriegs- auf die Friedenswirtschaft und die Befriedung der bis April 1919 durchaus staatsbedrohlichen revolutionären Lage die Landesregierung in besonderem Maße.

Dies erforderte allen voran eine Reorganisation der Verwaltung, die aufgrund des politisch vergleichsweise eingehegten Umwälzungsprozesses in Württemberg zügig erbracht werden konnte. Diese Entwicklung führte zu einer raschen Demobilisierung der heimkehrenden Truppen, die zeitnah aus dem Dienst entlassen werden konnten. Auf diese Weise war die Demobilisierung in Württemberg im Januar 1919, als die letzten Truppen in Ulm, Esslingen und Stuttgart eintrafen, weitestgehend abgeschlossen. Die Mehrheit der württembergischen Kriegsgefangenen ließen die Alliierten 1920 frei, wobei sich ihre Heimkehr bis 1923 hinziehen konnte.

Der Demobilisierungswille der heimkehrenden Truppen war nicht zuletzt deshalb so groß, weil sich viele Veteranen nach vier Kriegsjahren eine zügige Rückkehr in ihr ziviles Leben und eine Wiederaufnahme ihrer beruflichen Tätigkeit wünschten. Dies betraf jedoch nicht die Gruppe der Berufssoldaten, die in Zusammenarbeit mit der Landesregierung durch das Generalkommando des XIII. württembergischen Armeekorps im Dezember 1918 reorganisiert wurden, um angesichts kommunistischer Umsturzversuche Ruhe und Ordnung zu garantieren. Zentraler Organisator der daraus entstehenden 15 Sicherheitskompanien war Leutnant Paul Hahn (1883-1952), der als Mitglied des Landessoldatenrates hierfür zuständig war. Er amtierte von 1919 bis 1922 als Polizeidirektor in Stuttgart und konnte bei der Konsolidierung der inneren Lage schnelle Erfolge feiern, da er sich für die Werte der Demokratie aussprach und die Polizeitruppe in diesem Sinne für die Festigung der Republik Württemberg einsetzte. Hierzu zählt insbesondere die bereits erwähnte Niederschlagung des auch in Stuttgart agierenden Spartakusbundes, der anlässlich der Wahlen zur verfassunggebenden Landesversammlung im Januar 1919 zu gewalttätigen Ausschreitungen in Stuttgart aufgerufen hatte.

Die Sicherheitskompanien waren militärisch organisiert und rekrutierten sich vorwiegend aus Kompanien des bisherigen XIII. Armeekorps. Insbesondere die in den Kompanien agierenden Zeitsoldaten hatten ihre Dienstzeit noch nicht abgeleistet und daher ihre militärische Laufbahn in den Kompanien fortgesetzt. Dies betraf ebenfalls die Mannschaftgrade, die noch nicht demobilisiert worden und weiterhin dienstpflichtig waren. Hahns Truppen bildeten keinen Einzelfall: In ganz Württemberg wurden Sicherheitskompanien aufgestellt, die als Exekutivorgane etwa in Tübingen und Stuttgart von Studenten und Einwohnerwehren unterstützt wurden. Damit besaß die provisorische Regierung ein schlagkräftiges Kontingent an Soldaten, um gegebenenfalls revolutionären Ausschreitungen Einhalt zu gebieten.

Dass trotz des vergleichsweise ruhigen Übergangs vom monarchischen zum demokratischen Regierungssystem auch die württembergische Landesregierung solche Kräfte nötig hatte, zeigt die langanhaltende Gefahr, die in Württemberg von linksradikalen Kräften ausging. So waren kommunistische Umsturzpläne in Württemberg keineswegs – wie in Baden oder in Berlin im Januar 1919 – weitestgehend verhindert. Noch im März kam es angesichts der steckengebliebenen Forderungen nach einer sozialistischen Republik zu Umgestaltungsplänen, die mit Waffengewalt durchgesetzt werden sollten. Im Zuge des sogenannten Aktionsprogramms des geeinten Proletariats hatte die KPD am 31. März 1919 zum Generalstreik aufgerufen. Die Landesregierung antwortete im Verbund mit dem Exekutivausschuss der Arbeiter- und Soldatenräte mit der Ausrufung des Belagerungszustandes für Stuttgart sowie die Oberämter Esslingen, Cannstatt und Böblingen. Es folgte der Einsatz der Sicherheitskompanien, der auf beiden Seiten zu Verwundeten führte. Der Streik wurde nach wenigen Tagen niedergeschlagen und der Belagerungszustand aufgehoben.

Die weitere Entwicklung der Sicherheitskompanien wurde durch zwei wesentliche Faktoren entscheidend beeinflusst: Die Reorganisation des Heeres durch das Reich, hier die Gründung der vorläufigen Reichswehr im März 1919, sowie die Bestimmungen des Versailler Vertrages, der die deutsche Armee auf 100.000 Mann limitierte. Die Sicherheitskompanien wurden zu einer Polizeiwehr umgeformt, die dem Innenministerium und hier der Leitung Paul Hahns unterstand.

Im Vergleich zur im April 1919 entstehenden Räterepublik in Bayern, an deren Niederschlagung ebenfalls Sicherheitskompanien aus Württemberg – bei diesen handelte es sich um Freiwilligenformationen, die ursprünglich für den Grenzschutz Ost aufgestellt worden waren – beteiligt waren, blieb die mit kommunistischen Umstürzen drohende Gefahrenlage auch in Württemberg weiterhin virulent. 8.300 russische Kriegsgefangene in württembergischen Lagern waren eine revolutionäre Kraft, mit der es zu rechnen galt. Ihre Rückführung verlief nur langsam. Sie zog sich sogar bis November 1919 hin, sodass das Staatsministerium versuchte, die vor allem in Fabriken und Lagern konzentrierten Kriegsgefangengruppen aufzulösen und auf möglichst viele Gemeinden zu verteilen, um ihnen so die revolutionäre Kraft zu nehmen.

Mit der Formierung der Reichswehr, der Limitierung der militärischen Stärke durch den Versailler Vertrag sowie der Auflösung der Sicherheitskompanien und ihre Eingliederung in die Landespolizei ging auch der Verlust an Einflussmöglichkeiten durch die Soldatenräte einher. Sie wurden im Sommer 1919 per Landtagsdekret aufgelöst. Ihre Auflösung zog sich bis März 1920 hin, als die letzten regionalen Räte auseinandertraten und der Landesausschuss der Arbeiterräte seine Aktivitäten endgültig einstellte. Die Räte hatten im Übergangszeitraum beim Aufbau der Republik Württemberg wichtige Ordnungs- und Sicherheitsaufgaben übernommen.

Kabinettsumbildung und erneute Weimarer Koalition

Die politische Lage hatte sich im Sommer 1919 weitestgehend konsolidiert. Rechts- und linksradikale Auseinandersetzungen stellten keine echte Herausforderung für den Volksstaat Württemberg mehr dar, obwohl es auch in Württemberg zahlreiche Anhänger nationalistisch-monarchistischen Gedankenguts gab. Sie rekrutierten sich vor allem aus Angehörigen des Offizierskorps sowie aus Anhängern der vor allem in Tübingen agierenden Studentenverbindungen. Der rechtsgerichtete Kapp-Lüttwitz-Putsch gegen die Reichsregierung im März 1920 fand Befürworter in diesen Kreisen. Doch vermochte die Staatsregierung aufgrund der loyalen Haltung der Polizei unter der Direktion Hahns für die demokratische Ordnung und die Sicherheit im Land einzustehen. In diesem Kontext ist es daher bezeichnend, dass die im Zuge des Kapp-Lüttwitz-Putsches aus Berlin fliehende Reichsregierung Aufnahme in Stuttgart fand und die Niederschlagung des Putsches vom Schloss aus organisierte.

Die zügige Konsolidierung war dabei weder Selbstläufer noch Automatismus: Die württembergische Landesregierung war im ersten Halbjahr 1919 nicht nur von außen bedroht worden. Sie war auch im Inneren in heftige interne Machtkämpfe verwickelt. Ausgelöst wurden diese Streitigkeiten durch personelle Veränderungen. Schon im Juli 1919 hatte Gewerkschaftssekretär Theodor Leipart (1867-1947, MSPD) Alexander Schlicke (1863-1940, MSPD) als Arbeitsminister ersetzt. Der Tod des Justizministers Johannes Baptist von Kiene im September desselben Jahres, die Verabschiedung von Innenminister Carl Hugo Lindemann (1867-1949, MSPD) sowie Rücktrittsgedanken des Ernährungsministers Julius Baumann (1868-1932, DDP) eröffneten interne Auseinandersetzungen um diese Ämter. Insbesondere Zentrum und DDP gedachten, die politische Dominanz der Mehrheitssozialdemokratie zu brechen, indem sie diese Ressorts für sich reklamierten. Dies traf jedoch auf den energischen Widerstand des Staatspräsidenten Blos. Er scheiterte jedoch an der Haltung seiner Landtagsfraktion sowie dem Einfluss des Landtagspräsidenten Keil, die mit der Abgabe dieser Ressorts an Zentrum und DDP diese Parteien stärker in die Regierungsverantwortung einzubinden trachteten.

Neben Wilhelm Blos, der bis zu seiner Ablösung als Staatspräsident am 23. Juni 1920 in Personalunion auch das bereits im April desselben Jahres aufgelöste Amt des Außenministers ausgeübt hatte, verblieben allein Arbeitsminister Theodor Leipart (1867-1947, MSPD) und Finanzminister Theodor Liesching (1865-1922, DDP) in ihren Ämtern. Kultminister Berthold Heymann (1870-1939, MSPD) führte fortan das Innenministerium. Sein bisheriges Ressort übernahm der rhetorisch begabte und seit 1910 als Direktor des evangelischen Oberschulrates amtierende Theologe Johannes von Hieber (1862-1951, DDP). Justizminister wurde Eugen Bolz (1881-1945, Zentrum). Wie von Hieber verfügte auch er über langjährige politische Erfahrung: Er gehörte seit 1912 dem Reichstag und seit 1913 dem Landtag an. Das Ernährungsministerium übernahm Oberpostsekretär Eugen Graf (1873-1923, Zentrum) aus Stuttgart, der dem Landtag seit 1907 angehörte. Mithilfe dieser Umbildung war die erstrebte Umschichtung der Kräfteverhältnisse zugunsten der bürgerlichen Parteien erreicht worden.

Einen weiteren politischen Rückschlag erlebten die Mehrheitssozialdemokraten bei den Landtagswahlen vom 6. Juni 1920. Ihre gemäßigte Reformpolitik sowie die Abgabe genannter Ministerien hatten zum einen die weiter links stehenden Wählerschichten irritiert. Daher stürzte die MSPD während der Wahl von 34,4 % auf 16,1 % ab. Dieser Stimmenverlust kam der USPD zugute, die mit einem Anstieg von 3,1 % auf 13,2 % einen Erfolg verzeichnen konnte. Die KPD war mit 3 % im Landtag vertreten. Auch die Rechtsparteien verzeichneten erhebliche Gewinne: Die Bürgerpartei stieg um 1,9 % von 7,4 % auf 9,3 %, der Bauern- und Weingärtnerbund um 9,2 % von 8,5 % auf 17,7 %, das Zentrum von 20,8 % auf 22,5 %. Die in Württemberg erstmals zur Wahl antretende DVP kam auf 3,4 %. Sie hatte vor allem der DDP Stimmen abspenstig gemacht. Als einzige bürgerliche Partei musste die DDP starke Stimmenverluste in Kauf nehmen (von 25 % auf 14,7 %).

Den Einbußen der DDP zum Trotz reichte es für die Weimarer Koalition aus Zentrum, Sozialdemokratie und DDP zum Weiterregieren, denn sie erreichte 55 der insgesamt 101 Mandate. Die Möglichkeit, eine rein bürgerliche Regierung zu bilden, wurde verworfen, weil Bolz Verhandlungen mit den Sozialdemokraten befürwortete. Diese Entscheidung begründete er damit, dass angesichts der weiterhin wirtschaftlich prekären Lage die Mammutaufgabe, die Zwangswirtschaft abzuschaffen und gleichzeitig die Preissteigerung der Lebensmittel einzudämmen, ohne die Sozialdemokratie kaum zu lösen sein werde.

Die Mehrheitssozialdemokraten entschieden sich jedoch für den Weg in die Opposition. Staatspräsident Blos wurde zwar aufgrund seiner Leistungen von Zentrum und DDP umworben, erneut als Regierungschef zu agieren. Blos fügte sich jedoch dem Parteidruck und nahm seinen Abschied. Sein Nachfolger wurde Johannes von Hieber (1862-1951, DDP), der im Verbund mit dem Zentrum eine Minderheitsregierung bildete. Hieber setzte zudem seine Arbeit im Kultministerium genauso fort wie Theodor Liesching im Finanzministerium und Eugen Bolz im Justizministerium. Eugen Graf wechselte vom Ernährungsministerium, das ihm die Feindschaft sowohl der Bauern als auch der Arbeiter eingebracht hatte, ins Innenministerium. Ein Neuling der auf fünf Minister reduzierten Regierung fand sich allein mit dem 38-jährigen DDP-Politiker Wilhelm Schall (1882-1928), der die aufgrund erheblicher Kompetenzbeschneidungen zusammengelegten Ministerien für Arbeit und Ernährung übernahm.

Erst im November 1921 fand sich die Weimarer Koalition wieder zusammen. Vorausgegangen war die erneute Gründung einer Regierung aus SPD, Zentrum und DDP auf Reichsebene, die auch in Württemberg die Sozialdemokraten dazu bewegte, in die Landesregierung zurückzukehren. Keil übernahm das Ressort für Arbeit und Ernährung. Doch schon im Mai 1923 wählten die Sozialdemokraten, die sich mit den unabhängigen Sozialdemokraten wiedervereinigt hatten, erneut den Weg in die Opposition. Der Konflikt, der zu diesem Schritt geführt hatte, war der Tod Eugen Grafs und der daraus entstehende politische Machtkampf um die Neubesetzung des Innenministeriums. Letzteres forderten die Sozialdemokraten für sich, wogegen sich Zentrum und DDP jedoch entschieden wehrten. Diese Auseinandersetzungen zwischen den Parteien führten daher zum erneuten Bruch. Die SPD näherte sich nicht der bürgerlichen Politik von Zentrum und DDP an. Zahlreiche von der SPD vorgetragene Reformbestrebungen zur Lösung sozialer Härten wurden von den Koalitionspartnern ebenso blockiert. Hierzu zählten insbesondere die Forderung, den 8-Stunden-Arbeitstag einzuhalten, die Gewerbe- und Handelsaufsicht mit größeren Vollmachten auszustatten oder das Wirtschaftsleben stärker zu regulieren.

In der Opposition betrieben die Sozialdemokraten keine rigide Fundamentalopposition, sondern beschränkten sich auf passives Tolerieren des erneut zur Minderheitsregierung geschrumpften Kabinetts Hieber. Das Kultministerium unterstand Dr. Johannes von Hieber (1862-1951, DDP), das Innenministerium Eugen Graf (1873-1923, Zentrum), das Justizministerium Dr. Eugen Bolz (1881-1945, Zentrum), das Finanzministerium Theodor Liesching (1865-1922, DDP) und das Ministerium für Arbeit und Ernährung Wilhelm Schall (1882-1928, DDP).

Das durch den Tod Lieschings 1922 vakant gewordene Finanzministerium fiel Wilhelm Schall und 1923 das Justizministerium Josef Beyerle (1881-1963, Zentrum) zu. Der parteilose Edmund Rau (1868-1953) übernahm das ungeliebte Arbeits- und Ernährungsministerium.

Versuch staatlicher Neuordnung, politische Bedrohung von rechts und Ruhrbesetzung 1923

Angesichts des sich nach 1918 vollziehenden Zentralisierungsprozesses stellte sich in Württemberg die Frage, inwiefern durch ein territoriales Zusammengehen mit Baden und dem preußischen Regierungsbezirk Hohenzollern ein Gegengewicht zur weiterhin bestehenden politischen Dominanz Preußens hergestellt werden konnte. Eine der wesentlichen Fragen, die staatliche Neuordnung 1918 betreffend, orientierte sich insbesondere an dem Gedanken, einen Staat Großschwaben und damit ein süddeutsches Gegengewicht zum preußischen Norden zu gründen.

Zentrale Befürworter eines solchen Vorhabens fanden sich in Württemberg mit Theodor Heuss (1884-1963, DDP), der sich am 17. Januar 1919 in der Landeshauptstadt öffentlich für ein solches Zusammengehen aussprach. Ihm folgten auf der verfassunggebenden Landesversammlung am 23. Januar 1919 Hieber und Bolz, die sich ebenfalls für einen Zusammenschluss stark machten. Solchen Plänen widersetzten sich jedoch Vertreter Badens, dessen Landesregierung sich überaus zögerlich zeigte. Sie befürchteten eine verstärkte wirtschaftliche Abhängigkeit von Württemberg. Ein möglicher Zusammenschluss fand zudem auch nicht die rückhaltlose Unterstützung der Bevölkerung. Hohenzollern zeigte sich zwar anschlussbereit. Dennoch gestaltete sich die Frage der staatsrechtlichen Zuordnung des Regierungsbezirkes als Teil Preußens hier sehr viel schwieriger. Daher verblieb der Regierungsbezirk letztlich bei Preußen.

Über die Frage nach einer staatsrechtlichen Neuordnung des Territoriums hinaus prägte die Politik Württembergs wie auch die Badens die Auseinandersetzung mit rechten Anfeindungen. Gerade die Politiker der Weimarer Koalition wurden als ‚Erfüllungspolitiker der Siegermächte‘ beschimpft. Einen Tiefpunkt erreichte dieses Klima, in dem das Attentat politisches Mittel zur Beseitigung von Gegnern gängige Praxis werden konnte: Am 26. August 1921 wurde der Zentrumsabgeordnete, Unterzeichner des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 und ehemaliger Reichsfinanzminister Matthias Erzberger (1875-1921, Zentrum) durch Nationalisten in Bad Griesbach im Schwarzwald ermordet. Erzberger hatte zu den herausragenden Politikern Württembergs gezählt, die der Demokratie sowohl auf Landes- als auch auf Reichsebene vorgearbeitet hatten. Dementsprechend war die Empörung in Württemberg groß. Gleichzeitig verstärkte sich die rechtsradikale Stimmungsmache in Württemberg gegen linke, vor allem pazifistisch orientierte Kreise. So erfuhr Staatspräsident Hieber im März 1922 von den Attacken des nationalistischen, militaristischen und imperialistischen Alldeutschen Verbands auf den Stuttgarter Sprengel der Friedensgesellschaft, die sich bei ihm über ein „Kesseltreiben“ beschwerte.

Die Anfeindungen nationalistischer Verbände in Württemberg wurden von ersten Gründungen nationalsozialistischer Parteiorganisationen 1920 begleitet. Hierzu zählte beispielsweise die in diesem Jahr gegründete Ortsgruppe Stuttgart. Zur Organisation der nationalsozialistischen Parteiarbeit entsandte Hitler 1922 den Oberleutnant zur See Dietrich von Jagow (1892-1945) als Organisator nach Württemberg. Von Jagow stellte in Tübingen sein Standquartier auf und begann von hier aus, ein ausgeklügeltes Netz nationalsozialistischer Verbände und Organisationen aufzubauen, indem er in regem Austausch mit völkischen und nationalistischen Gesinnungsgenossen stand. Bereits im Dezember provozierten Nationalsozialisten in Göppingen blutige Straßenschlachten, woraufhin das Innenministerium Nationalsozialisten bis Juli 1923 ein Versammlungsverbot erteilte.

Einschneidend war ferner die Ruhrbesetzung durch französische und belgische Truppen im Januar 1923, die aufgrund ausstehender Reparationszahlungen erfolgte. Der gegen diese Besetzung erfolgte Aufruf zum passiven Widerstand durch Reichskanzler Wilhelm Cuno (1876-1933, parteilos) leitete nicht nur einen acht Monate währenden ‚Ruhrkampf‘ gegen die Besatzer ein. Er steigerte die seit den Kriegsjahren schleichende Entwertung der deutschen Währung zur Hyperinflation. Da auch die Landesregierung in Stuttgart die württembergische Bevölkerung zur Solidarität im Ruhrkampf aufrief, verwundert es nicht, dass Reichskanzler Cuno am 23. März 1923 in Stuttgart frenetisch empfangen und bejubelt wurde.

Diese inneren und äußeren Krisenerfahrungen führten in Württemberg dazu, dass nationalistische und vor allem nationalsozialistische Kreise ab 1923 Zulauf erhielten. Der Ruhrkampf wurde im Spätsommer 1923 durch den neuen Reichskanzler Gustav Stresemann (1878-1929, DVP) zwar beendet. Doch die Krise hatte zu einer noch stärkeren Militarisierung rechtsextremer Organisationen geführt, sodass Sicherheit und Ordnung massiv bedroht waren. Im September verhängte die Reichsregierung den Ausnahmezustand, den in Württemberg General Walther Reinhardt (1872-1930) als Befehlshaber des Wehrkreises V umsetzte. Letztendlich verfügte aber Württemberg mit seiner überwiegend demokratisch gesinnten Bevölkerung über ein so stabiles Fundament, dass es dort zu keinerlei Ausschreitungen kam.

Anders sah dies im Nachbarland Bayern aus, das dem Schreckgespenst einer Räterepublik 1919 mit nationalistischer Radikalisierung begegnete und zur Brutstätte nationalsozialistischer Kreise geworden war. Obgleich Innenminister Bolz die bayerische Landesregierung 1923 frühzeitig vor einem Umsturzversuch Hitlers in München gewarnt hatte, wurden solche Hinweise in München kaum ernst genommen. Als es am 8. November zum sogenannten Hitler-Ludendorff-Putsch kam, ließ Bolz, der sich bereits auf das Schlimmste vorbereitet hatte, die Versammlungsorte der NSDAP in ganz Württemberg von der Polizei umstellen und Nationalsozialisten verhaften. Aufgrund des Abtritts Hitlers und seines vorläufigen politischen Scheiterns, beging Bolz jedoch den Fehler, den Parteivorsitzenden der NSDAP fortan zu unterschätzen. Von nun an galt ihm Hitler als politisches Fliegengewicht, weshalb er den Nationalsozialisten in Württemberg kaum mehr Wirkkraft beimaß.

Zusammenfassung

Die Revolution verlief in Württemberg im Rahmen moderater Reformbestrebungen bürgerlicher und sozialdemokratischer Kräfte. Dabei bewältigten vor allem MSPD und USPD als provisorische Landesregierung den Übergang vom Königtum zur Republik. Es gelang ihnen, bürgerliche Kräfte des Zentrums und der DDP für die Parlamentarisierung und Demokratisierung zu gewinnen. Die Wahlen zur Landesversammlung im Januar 1919 führten zur Gründung des demokratischen Volksstaates Württemberg, der von einer Weimarer Koalition regiert wurde. Die Ausarbeitung einer Verfassung ging zügig voran. Sie konnte im September 1919 in Kraft treten.

Dahingegen scheiterten Versuche, staatsrechtlich mit Baden und Hohenzollern zusammenzugehen, um ein Gegengewicht zur politischen Dominanz Preußens zu bilden. Dieses Scheitern war jedoch auf die Zurückhaltung der badischen Verhandlungspartner zurückzuführen.

Die wichtigste Aufgabe der Landesregierungen nach 1918 war es, sich als Garant von Sicherheit und Ordnung zu beweisen. Dies gelang der württembergischen Regierung weitestgehend, insbesondere durch die Entwaffnung, Demobilisierung und Rückführung der Soldaten sowie durch die Umstellung der Kriegs- auf die Friedenswirtschaft. Aufgrund der bürgerlichen Ausrichtung Württembergs sowie der raschen Demobilisierung von Truppen, die revolutionäres Potenzial hätten entfalten können, war der Umsetzung eines Rätemodells auf württembergischen Boden durch den Spartakusbund keinerlei Erfolg beschieden, wenngleich noch im März 1919 kommunistische Umsturzpläne existierten. Insgesamt entfaltete sich in Württemberg eine demokratische Öffentlichkeit, die sich vor allem von der Ermordung des Landsmannes Matthias Erzberger bestürzt zeigte. Waren linksradikale Umsturzversuche im März und April 1919 abgewehrt worden, betrachtete das württembergische Innenministerium auch die Nationalsozialisten mit Argwohn. Auf den Putschversuch von 1923 war in Württemberg schnell reagiert worden, wobei es nach dem reichsweiten Verbot der NSDAP eine zu hohe Toleranzschwelle gegen Nationalsozialisten im württembergischen Innenministerium zu verzeichnen galt.

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