„Was es bedeutet, am Schicksal zu stehen zwischen Monarchie und Republik“

Die privaten Papiere Luises von Baden aus dem November 1918

Großherzogin Luise, im Hintergrund scheint das Porträt ihres Mannes, Großherzog Friedrichs I., auf.Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 69 Baden, Sammlung
Großherzogin Luise, im Hintergrund scheint das Porträt ihres Mannes, Großherzog Friedrichs I., auf.Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 69 Baden, Sammlung

Eine vorzügliche Quelle im Nachlass Luises von Baden erlaubt einen intimen Blick auf die revolutionären Ereignisse im November 1918 in Baden: den Umsturz, die Abdankung des Monarchen und die Etablierung der Republik. Die privaten Papiere, die 2012 als Teil des Luisen-Nachlasses in das Generallandesarchiv Karlsruhe gelangten, sind ein beredtes Zeugnis für die Wahrnehmung der Revolution 1918 in Baden – aus der Sicht der Großherzogin.

Die Betrachtungen der Tage mit über- wältigenden Ereignissen stammen aus der Feder Luises und geben ihre Empfindungen, Hoffnungen und Befürchtungen wieder. Die Tagebuchblätter spannen einen Bogen von den von Prinz Max von Baden eingeleiteten Oktoberreformen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs und dem Umbau des Deutschen Kaiserreichs in eine parlamentarische Republik, die sie als eine gewaltige Umwandlung wahrnahm, über den Ausbruch der Revolution 1918 im Reich und in Baden bis zum letzten Schritt, der die Monarchie vernichtete: der Abdankung ihres Sohnes Großherzog Friedrichs II. am 22. November.

In ihren eigenhändig verfassten Erinnerungen kommentiert Luise die ersten Unruhen in Lahr und Offenburg am 7. November, die Abdankung unseres theuren Kaisers Wilhelms II., die unsichere Lage in Karlsruhe nach dem 9. November und schließlich die Karlsruher Köpenickiade eines sehr verdächtigen Matrosen. In der Nacht vom 11. auf den 12. November 1918 unterstellte der am Aufstand der Hochseeflotte beteiligte Karlsruher Heinrich Klumpp in einer Art Köpenickiade einen Trupp Soldaten seinem Kommando und marschierte mit diesem vor dem Residenzschloss auf. Alkoholisiert sowie mit roter Armbinde und einem Ausweis des Arbeiter- und Soldatenrats ausgestattet, schlug der Obermatrose mit dem Gewehrkolben gegen die verschlossene Tür und verlangte mit den Worten raus mit dem größten Lump von Baden den Großherzog zu sprechen. Als er vom großherzoglichen Kammerherrn abgewiesen wurde, ließ Klumpp Gewehrsalven auf das Schloss abfeuern. Das Gebäude verzeichnete 54 Einschläge, die Geschosse drangen durch Fenster und Holzgebälk in einzelne Räume und beschädigten Vasen und Hausrat. Eine Kugel durchschlug das Bildnis Friedrichs des Großen und vollbrachte damit symbolisch die blutige Tat.

Die Schüsse trieben die großherzogliche Familie noch in derselben Nacht zur überstürzten Flucht in vollkommenster Finsternis nach Schloss Zwingenberg am Neckar. Auf Zwingenberger Briefbögen beschreibt Luise die dortigen Verhandlungen, die Großherzog Friedrich II. am 13. November zum Verzicht auf die Ausübung der Regierungsgewalt bewegten, worüber sie mit ihrer Tochter Viktoria heiße Tränen, im Gefühl der Vernichtung, welche über unser Fürstenhaus nun gekommen war, vergoss. Die Regierungsgewalt in den Abgrund des Socialismus […] untergehen zu lassen, empfand sie als einen Opfergang unermeßlichen Umfanges.

Luise überliefert auch den Umzug nach Schloss Langenstein vom 17. auf den 18. November. Auf nun Langensteiner Briefbögen schildert sie erschüttert, wie Großherzog Friedrich II. das aus ihrer Sicht allerschwerste Opfer, das Letzte, das Entscheidende leistete, als er schließlich in den Thronverzicht für sich, den Prinzen Max und seine Nachfahren einwilligte, womit er am 22. November 1918 das Ende der badischen Monarchie – exakt drei Monate nach den Feiern zum 100-jährigen Jubiläum der Verfassung von 1818, am Geburtstag des ersten Großherzogs von Baden, Karl Friedrich – besiegelte. Luise sah das Haus Zähringen beseitigt, das Werk meines teuern heimgegangenen Großherzogs vernichtet.

Peter Exner

Quelle: Archivnachrichten 56 (2018), S. 10 und 11.

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Ergänzende Informationen zur Situation 1918 und den folgenden Jahren sowie zahlreiche Quellen finden Sie im Themenmodul Von der Monarchie zur Republik