Von Spionen, Mordbrennern und Aufbauhelfern

Beziehungen zwischen Frankreich und dem deutschen Südwesten im frühen Absolutismus

Rekonstruktion des Klosters Hirsau nach alten Abbildungen, Druck o. D. Vorlage: Landesarchiv BW, HSTAS J 190 Hirsau. Zur Anzeige des gesamten Dokuments hier klicken.er Stadtmitte. Rechts im Bild die Stiftskirche, oben die Wertheimer Burg. Vorlage: Landesarchiv StAWt-S N 70 Ordner 78, 7038/25, Aufnahme: Hans Wehnert
Rekonstruktion des Klosters Hirsau nach alten Abbildungen, Druck o. D. Vorlage: Landesarchiv BW, HSTAS J 190 Hirsau. Zur Anzeige des gesamten Dokuments hier klicken.

Seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges gelang es dem zur führenden europäischen Großmacht aufgestiegenen Frankreich zunehmend, sein Territorium nicht nur in Richtung des Rheins auszudehnen, sondern auch immer mehr Einfluss auf den deutschen Südwesten zu nehmen. Die Rheinische Allianz (Erster Rheinbund) und die Aufstellung eines französischen Kandidaten für die Kaiserwahl von 1658 waren erste Wegmarken in der Politik des jungen und aufstrebenden Königs Ludwig XIV., die seine lange Regierungszeit prägen sollten. Prominentes Ereignis im Südwesten war der Tod des französischen Marschalls Henri de Turenne bei Sasbach in der Ortenau im Jahr 1675 während des Holländischen Krieges, der später in einem Denkmal festgehalten wurde. Als deutsch-französisches Kooperationsprojekt entstand dort im April 2001 auch ein Museum. Württemberg bekam die Auswirkungen der Expansionspolitik des französischen Königs mit der vorübergehenden Besetzung Mömpelgards seit 1676 zu spüren. Im Jahr darauf fiel Freiburg im Breisgau für 20 Jahre an Frankreich. Als nachhaltige französische Erfolge erwiesen sich u. a. die sukzessive Annexion des Elsass und des Sundgaus sowie die Besetzung der Grenzstadt Straßburg im Jahr 1681.

Gegen die französische Expansion konnte die im gleichen Jahr erlassene neue Reichsheeresverfassung wenig ausrichten. So hatte etwa der Schwäbische Reichskreis lediglich gut 5.000 Mann Sollstärke als eigenes Kontingent aufzubieten, hochgerechnet auf das gesamte Reich waren es etwa 40.000 Mann. Im Vergleich dazu wird die damalige französische Armeestärke auf mindestens 200.000 Mann geschätzt. Vom Reichsheer zu unterscheiden waren zwar die wesentlich besser ausgerüsteten Kaiserlichen Truppen, welche zu diesem Zeitpunkt aber weitgehend mit der Abwehr der Osmanen ausgelastet waren. Dazu kam dann auch noch die gezielte Anwerbung von Spionen von Seiten Frankreichs. Durch einen Archivalienerwerb im Jahre 1958 gelangte ein Verhörprotokoll gegen den 18-jährigen Studenten Adam Bruckert aus Offenburg in die württembergischen Kriegsakten, der für die Franzosen die Befestigungswerke verschiedener südwestdeutscher Städte erkundet haben soll. Ihm wurden schließlich nach dem Urteil eines Kriegsgerichts Nasen [sic!] und Ohren durch den Hencker abgeschnitten […], in den Backen Ein galgen gebrennt und ihm auf diese Weise der Ruckwegh nach Straßburg halber gewiesen, wo er studiert hatte. Dies war für die damalige Zeit ein maßvolles Urteil, da für Spione noch bis ins 20. Jahrhundert (Mata Hari!) die Todesstrafe galt, aber gerade damit erhoffte sich das Gericht wohl die größere Abschreckung.

Während des Pfälzischen Erbfolgekriegs (1689–1697) verwüstete die französische Armee nicht nur die Pfalz (u. a. die Städte Heidelberg, Mannheim und Bretten), sondern auch badische (u. a. Durlach, Ettlingen und Pforzheim) und württembergische Städte (u. a. Backnang, Beilstein, Calw, Marbach, Vaihingen und Winnenden). Auch das Kloster Hirsau wurde ein Opfer der Politik der französischen Mordbrenner, unter denen neben dem bereits genannten Turenne der Offizier Ezéchiel de Mélac besonders berüchtigt war. Die Schlossruinen von Heidelberg und Hirsau sind heute noch Zeugen dieser Epoche.

Auswirkungen auf den deutschen Südwesten hatte auch die Religionspolitik Ludwigs XIV.: Im Zuge des Edikts von Fontainebleau am 18. Oktober 1685, welches das Toleranzedikt Heinrichs IV. von 1598 auf- und den Katholizismus endgültig in den Rang einer französischen Staatsreligion erhob, warb Württemberg gezielt hugenottische Glaubensflüchtlinge an, die u. a. in Cannstatt, Stuttgart und später auch Ludwigsburg zur Errichtung von Manufakturen und damit zur Förderung des Handwerks angesiedelt wurden. Ähnliche Maßnahmen gab es auch in Baden (Siedlungen Neureut und Friedrichstal). Diese Maßnahmen dienten letztlich als Blaupause für die Aufnahme der piemontesischen Waldenser, deren Höhepunkt im Jahr 1699 anzusetzen ist und zur Errichtung eigener Siedlungen führte, die auch heute noch französische Namen tragen, etwa Perouse, Pinache, Groß- und Kleinvillars oder Serres. Diese Migranten erwiesen sich ähnlich wie in Preußen im kriegsgebeutelten Südwesten als nachhaltige Aufbauhelfer.

Johannes Renz

Quelle: Archivnachrichten 61 (2020), S. 18-19.
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