Braunsbach

Das ehemalige Bezirksrabbinat in Braunsbach. Das Haus wurde um 2008 Museum für die regionale Geschichte der Landjuden, ausgehend vom 17. Jh. bis zur Deportation in den 1940er Jahren. [Quelle: Landeszentrale für politische Bildung BW - Gedenkstätten]
Das ehemalige Bezirksrabbinat in Braunsbach. Das Haus wurde um 2008 Museum für die regionale Geschichte der Landjuden, ausgehend vom 17. Jh. bis zur Deportation in den 1940er Jahren. [Quelle: Landeszentrale für politische Bildung BW - Gedenkstätten]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Im Jahr 1673 trug Franz Johann Wolfgang von Vorburg das Rittergut Braunsbach dem Bischof von Würzburg zu Lehen auf, der mit dem Gut nach dem Aus sterben der Vorburg die Herren von Greiffenklau belehnte. Von 1737 bis 1802 war Braunsbach an das Würzburger Domkapitel verpfändet, 1802 fiel es an Hohenlohe-Jagstberg und 1806 an Württemberg.

1673 werden hier zum ersten Mal Juden genannt: Im Dorf lebten damals neben 61 evangelischen Familien vier jüdische. Zu den evangelischen und jüdischen Einwohnern gesellten sich seit 1714 auch noch katholische Ansiedler, die 1727 ein Oratorium im Schloss erhielten.

1719 beschwerte sich die Ortsgemeinde bei der Herrschaft über die beständige Vermehrung der Judenschaft; die israelitische Gemeinde bedeute der Ruin des Fleckens, da sie in kurzer Zeit größer als die christliche Gemeinde sein würde. In jenem Jahr wohnten 12 jüdische Familien im Dorf, deren Zahl sich im Lauf der folgenden Jahrzehnte weiter erhöhte. 1807 war die Zahl der jüdischen Einwohner auf 165 angewachsen. 1733 erbaute die israelitische Gemeinde eine Synagoge. 1738 legte sie auf dem Schalberg einen eigenen Friedhof an. Neben den Abgaben an die Herrschaft (Schutzgeld usw.) hatte die Synagogengemeinde bis 1813 einen Betrag von 2 Gulden 24 Kreutzer an den evangelischen Ortsgeistlichen als Ersatz für entgehende Stolgebühren zu entrichten.

Die ehemalige Synagoge von Braunsbach, während der Pogrome im November 1938 im Innern schwer beschädigt, wurde in den 1950er Jahren an die Gemeinde verkauft, zur Veranstaltungshalle umgebaut und später in die neu erbaute Burgenland-Halle integriert. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 159]
Die ehemalige Synagoge von Braunsbach, während der Pogrome im November 1938 im Innern schwer beschädigt, wurde in den 1950er Jahren an die Gemeinde verkauft, zur Veranstaltungshalle umgebaut und später in die neu erbaute Burgenland-Halle integriert. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 159]

1831 waren in Braunsbach 197 Juden ansässig, 1843 293 (Gesamteinwohnerschaft 1.019), 1854 234, 1869 164 (Gesamteinwohnerschaft 860), 1886 143 (Gesamteinwohnerschaft 900), 1900 120, 1910 88 (Gesamteinwohnerschaft 750), 1933 39 (Gesamteinwohnerschaft 639). Bei der Organisation der kirchlichen Verhältnisse der israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg im Jahr 1832 wurde Braunsbach Sitz eines Rabbinats, das die Religionsgemeinden Braunsbach, Steinbach, Crailsheim, Dünsbach und Michelbach an der Lücke umfasste. Als Rabbiner bzw. Rabbinatsverweser wirkten hier und standen bei allen Bevölkerungskreisen in gutem Ansehen: Seligmann Grünewald (1835), Dr. Naphtali Frankfurter (1836-40), Dr. Maier Hirsch (1841-60), Menco Berlinger (1860-1900) und dessen Sohn Dr. Jakob Berlinger (1894-1914, davon die ersten sechs Jahre als Rabbinatsverweser). Auch nachdem im Jahr 1914 der Sitz des Rabbinats nach Schwäbisch Hall verlegt worden war, behielt das Rabbinat zu nächst den Namen Braunsbach bei. Die jüdische Gemeinde entfaltete im 19. Jahrhundert ein reges Leben. Sie erhielt wohl auch schon bald nach der Verkündigung des „Gesetzes in Betreff der öffentlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubens genossen" vom 25. April 1828 eine eigene Volksschule, die bis 1924 bestand. Manche Eigenheiten der israelitischen Einwohner in Lebensweise, Gebräuchen und Sprache färbten auch auf die christliche Bevölkerung ab. Die Beschreibung des Oberamts Künzelsau von 1883 leitet aus dem Zusammenleben von evangelischen und katholischen Christen (seit 1806 bestand hier neben dem evangelischen Pfarramt auch ein katholisches) mit Juden in einer kleinen Dorfgemeinde den mehr „städtisch-kosmopolitischen" Charakter, die Weltoffenheit der Braunsbacher ab, die sie von den Bewohnern der umliegenden Dörfer unterschieden. Zwischen den Glaubensgemeinschaften herrschte nach dem Zeugnis des Chronisten der Gemeinde, des evangelischen Pfarrers E. von Heintzeler, stets ein gutes Einvernehmen. Juden gehörten vor 1933 dem Gemeinderat an und waren Mitglieder des örtlichen Gesangvereins. 1867 bedachte der aus Braunsbach stammende Moses Löw Rosenstein die israelitische Gemeinde mit einer Armenstiftung in Höhe von 10.000 Gulden. Eine gleiche Summe stellte er für die Unterstützung bedürftiger christlicher Bürger zur Verfügung. Im Ersten Weltkrieg fiel Isak Sahm für sein deutsches Vaterland.

Am wirtschaftlichen Aufschwung des Dorfes im 19. Jahrhundert hatten die Juden wesentlichen Anteil. Sie brachten es durch ihre Tätigkeit im Viehhandel, als Krämer und Kaufleute häufig zu einem gewissen Wohlstand, von dem auch die übrige Bevölkerung, insbesondere die Handwerker und die vielen Tagelöhnerfamilien profitierten. Mit der Abwanderung eines Teils der reicheren jüdischen Einwohner in die Städte seit den 70er Jahren verminderten sich der Wohlstand der Ortsgemeinde wie ihre wirtschaftliche Bedeutung für die Umgebung. Zwischen 1850 und 1939 nahm die Einwohnerschaft um fast 50 Prozent ab. Noch 1938 führte der damalige Bürgermeister als eine Ursache für die fortschreitende Verarmung und Entvölkerung der Gemeinde die Abwanderung der Juden an; in einem Schreiben an den Viehwirtschaftsverband Württemberg vom gleichen Jahr bezeichnete er die Ausschaltung der jüdischen Viehhändler als nachteilig für Braunsbach. Trotz Abwanderung blieben die Juden bis zur Machtergreifung durch den Nationalsozialismus als Steuerzahler für die Gemeinde von Wichtigkeit. Im Jahr 1933 betrieben Abraham Frey, Falk Sahm, Wolf Hayum Schlachter, Israel und Samuel Wollenberger Viehhandel. Salomon Pfeiffer hatte ein gutgehendes Liegenschaftsgeschäft inne, mit dem eine Vieh- und Pferdehandlung verbunden war. Isaak Heumann besaß ein kleines Kleider- und Stoffgeschäft, betätigte sich aber auch als ambulanter Händler, Sofie Schiller hatte ein Kolonial- und Manufakturwarengeschäft.

Das gute Einvernehmen zwischen christlicher und jüdischer Bevölkerung vermochte anfänglich der Nationalsozialismus nur wenig zu stören. Bis zu den Deportationen in den Jahren 1941 und 1942 fanden die verfolgten jüdischen Mitbürger, die durch die berufliche Diskriminierung und andere Maßnahmen zunehmend in Not gerieten, viel offene wie heimliche Unterstützung. Während der sogenannten Kristallnacht 1938 demolierten SA-Leute aus Schwäbisch Hall die Inneneinrichtung der Synagoge; Braunsbacher Bürger beteiligten sich nicht an dem Zerstörungswerk. Parteifunktionäre erreichten durch Einschüchterung der christlichen Bevölkerung (Kennzeichnung der Häuser von sogenannte Judenfreunden durch Plakate usw.), dass die israelitische Gemeinde immer mehr in die Isolation gedrängt wurde. So sah sie sich 1936 gezwungen, für ihre Kinder eine Privatschule einzurichten (Lehrer: Simon Berlinger, Manfred Bernheim), die bis 1939 bestehen blieb. Ende 1938 mussten die letzten jüdischen Geschäfte veräußert oder aufgelöst werden. Ein Großteil der jüdischen Einwohner wanderte aus. Die Zurückgebliebenen wurden in den ersten Kriegsjahren in ein besonderes Judenhaus umquartiert. Mindestens 15 Braunsbacher Juden kamen in der Deportation um, darunter drei Angehörige der Familie Wollenberger, die nach Frankreich ausgewandert, dort während des Krieges verhaftet und nach Auschwitz verbracht worden waren. Als einziger Zwangsverschleppter überlebte Nathan Frey (geb. 1924): Er war 1939 mit einem Kindertransport nach Holland gekommen, dort 1942 festgenommen und ins Lager Westerbork überstellt worden. 1945 wurde er in Bergen-Belsen befreit.

An die jüdische Gemeinde, die im Juli 1939 aufgelöst wurde, erinnern die Synagoge, die von der Ortsgemeinde zu einer Festhalle umgebaut wurde, das Rabbinatshaus (in Privatbesitz) und der Friedhof. Die Verbindung von früheren Braunsbacher Juden, die während des Dritten Reiches im Ausland Zuflucht suchen mussten, mit ihrer Heimatgemeinde ist bis heute nicht abgerissen.

 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Beschreibung des Oberamts Künzelsau, 1883.
  • Heintzeler, Emil von, Ortsgeschichte von Braunsbach, maschinenschriftliches Exemplar im Archiv der Gemeinde Braunsbach.
  • Bilder von der Synagoge (Innenraum) und vom Friedhof, in: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe, 1932, S. 60.
     

Ergänzung 2023

Das Gebäude der ehemaligen Synagoge wurde später in einen Neubau als Bühnensaal einbezogen und 1978 mit einer Gedenktafel versehen. Im ehemaligen Rabbinatsgebäude wurde 2008 das RabbinatsMuseum Braunsbach eingerichtet.

Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Braunsbach, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Hahn, Joachim, Synagogen in Baden-Württemberg, Stuttgart 1987, S. 86-87.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Koziol, Michael Sylvester, „Das ist ein politischer Brand!“. Die „Reichskristallnacht“ in Schwäbisch Hall und Braunsbach, hg. Stadt Schwäbisch Hall, Schwäbisch Hall 1988.
  • Mandelbaum, Hugo, Jewish Life in the Village Communities of Southern Germany, New York/Jerusalem 1985.
  • Taddey, Gerhard, Kein kleines Jerusalem. Geschichte der Juden im Landkreis Schwäbisch Hall, 1992.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986.
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