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Legenden - Grandhotels in Freudenstadt

Hotel Rappen in Freudenstadt, vermutlich während des Ersten Weltkriegs, Quelle: Landesarchiv BW, HStAS, Militärische Bestände M 700/1 Nr. 886

Ende der 1870er Jahre wurde Freudenstadt an eine später bis Schiltach reichende Linie der Gäubahn angeschlossen und dadurch eine wichtige Voraussetzung für den Fremdenverkehr geschaffen. Die Stadt mit Schultheiß Hartranft an der Spitze warb mit reiner Höhenluft in waldreicher Umgebung und dem immer populärer werdenden Wintertourismus. Zahlreiche Beherbergungsbetriebe entstanden in zeittypischem Stil mit Balkonen, Erkern und Veranden, die meist nicht von den Zerstörungen im Frühjahr 1945 betroffen waren. Um 1930 gab es 20 Hotels in Freudenstadt, darunter fünf hochrangige Häuser wie den Rappen, den Palmenwald und das Schlosshotel Waldlust. Damit offerierte das auf über 700 Metern Höhe liegende Freudenstadt Luxus für illustre Gäste. Es kamen Politiker, der internationale Hoch- und Geldadel, Schauspieler und andere Berühmtheiten. Während der beiden Weltkriegen waren in den größeren Häusern Lazarette eingerichtet. In der zweiten Hälfte des 20. Jh. bekamen die „alten Kästen“ Konkurrenz durch schicke Neubauten mit zeitgenössischem Ambiente. Den Althergebrachten fehlte Geld für die nötigen, aufwendigen Investitionen. Am Ende mussten viele schließen.

Solches widerfuhr auch der Waldlust, einst ein hochrangig ausgestattetes Haus mit grandiosem Ausblick bis zur Schwäbischen Alb und weit über 100 Zimmern, viele gleich zu Beginn mit Balkon und Bad. Als Bauherren trat um 1902 die Hoteliersfamilie Luz in Erscheinung, die bereits das Schwarzwaldhotel am Bahnhof betrieb. Das komfortable und bei internationalen Gästen beliebte Schwarzwaldhotel war eines der ersten in Freudenstadt, die Villa Waldlust dessen kleine sommerliche Dependance. Das Ausflugsziel mit wenigen Zimmern und Café war so beliebt, dass mehr daraus entstehen sollte. Nach nur wenigen Monaten Bauzeit eröffnete an seiner Stelle ein Schlosshotel. Ebenso hochrangig war sein Architekt Wilhelm Vittali (1859-1920), der sich auf luxuriöse Kur- und Hotelbauten in Deutschland und Frankreich spezialisiert hatte. Auf ihn gehen das Inselhotel Konstanz, das Bellevue in Baden-Baden sowie Villen, Geschäftshäuser und das Schlosshotel am Bahnhofsplatz in Karlsruhe zurück. Vittali wurde in Donaueschingen geboren, studierte Architektur an der École des Beaux-Arts in Paris und war anschließend für Bahnhofsbauten bei den Badischen Staatseisenbahnen zuständig. Aus der Kooperation mit dem Karlsruher Architekten Hermann Billing (1867-1946) ging die Kunsthalle Baden-Baden hervor.

Der Hotelbetrieb in der Waldlust wurde 2005 eingestellt. Das Haus, um das sich viele Geschichten ranken, feierte daraufhin ein Comeback der besonderen Art. Gerüchte über Spukereignisse machten die Runde aber wissenschaftliche Untersuchungen konnten keine Beweise erbringen. Der Ort wurde zur Filmkulisse, Eventlocation und Anlaufstelle für Lost Place-Liebhaber, die hier fotografieren und übernachten können. Ein Freundeskreis kümmert sich um den Erhalt des Gebäudes und den angrenzenden Park.

Einen anderen Ansatz verfolgten Erholungsheime und ähnliche Einrichtungen in Freudenstadt. Mit diesem Hintergrund war das Kurhaus Palmenwald entstanden, das der Stuttgarter Fabrikant Paul Lechler als christliches Erholungsheim erbauen ließ. Zur Anlage gehörte dementsprechend eine Kapelle, den Chefsessel hatte ein christlicher Heimleiter inne. David Huppenbauer (1855-1926) stand in Verbindung zur Basler Mission und war in Ghana tätig gewesen. Nachdem gesundheitliche Probleme seiner Frau zur Rückkehr zwangen, arbeitete Huppenbauer als Heimatmissionar in der Schweiz, bevor die Familie nach Freudenstadt zog. Er richtete Andachten und Gottesdienste aus, knüpfte Kontakte und wirkte als Seelsorger für die Gäste, zu denen viele Personen der wissenschaftlichen und politischen Führungsetagen von Württemberg gehörten. Zum gut besuchten Angebot zählten auch Koch- und Hauswirtschaftskurse für junge Frauen. Der exotisch anmutende Name des Hauses hat reale Wurzeln. Im anschließenden Palmenwald sind viele natürlich wachsende Stechpalmen zu finden. Auf eine Initiative Lechlers gingen außerdem Verbesserungen im  Bahnverkehr zurück sowie die Einführung der Wintersaison, die die Rentabilität der Kurbetriebe steigerte. 1890 stiftete Lechler dem Diakonissenwerkt das Grundstück neben seiner Ferienvilla. Hier entstand das Haus Salem, ein bis in die 1990er Jahre betriebenes Kur- und Feierabendheim. Das Hotel Palmenwald besteht unter wechselnden Besitzern und dank mehrfacher Renovierungen bis heute.

Traurig verlief die Geschichte des Rappen, eines weiteren Hotels der Oberklasse in Freudenstadt. Das seit den 1980er Jahren leerstehende Haus fiel 2000 einem Brand zum Opfer. Erhalten blieben die verschachtelten Keller und Gewölbe, die bei besonderen Anlässen im Rahmen von Führungen besichtigt werden können.

Weitere Infos finden Sie hier:

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Hallo,

die Keller des Hotel Rappen können nicht mehr besichtigt werden.

2017 wurde mit dem Bau des Rappenquartiers begonnen und die vorhandenen Keller und Gewölbe zugeschüttet.

https://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.freudenstadt-rappenquartier-und-rappenpark-entstehen.983a39de-fc4a-411d-b72a-67d51567ba46.html

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Vielen Dank für Ihren Hinweis!

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