Hals- und Beinbruch

Vom Skispringen in Wildbad

Skispringen, Aufnahme aus dem Fotoarchiv Blumenthal/von Schoenebeck, Bad Wildbad, o.D. [vor 1940], Quelle: Landesarchiv BW, HStAS J 312 Nr. 1, Bild 51

Nur bei genauerem Hinschauen ist der Skispringer zu erkennen, der mit weit ausgebreiteten Armen über dem Boden schwebt. Erwartungsvoll blicken die am Abhang und auf der Tribüne postierten Zuschauer zur beflaggten Schanze. Das Publikum erscheint bunt gemischt, überwiegend sportlich gekleidet, aber auch Damen mit eleganten Hüten und Herren mit Melone sind dabei. Einige Skiläufer sind auf ihren Brettern gekommen. Die Fußgänger müssen sich durch kniehohen Schnee den Berg hinauf kämpfen. Die Aufnahme stammt aus dem Archiv des Wildbader Fotografen Karl Blumenthal (1866-1944), der den Ort und seine Umgebung dokumentierte und dabei auch den harten Alltag von Gewerbe- und Waldarbeitern festhielt. Das Bild vom Skispringen trägt kein Datum. Anhaltspunkte wie Kleidung könnten darauf hindeuten, dass es in den 1920er Jahren entstanden ist. Die einfach gebaute Schanze weist kaum Gemeinsamkeiten mit den hochtechnisierten Sprungtürmen von heute auf.

Die Bilder vom Nordschwarzwald machten Karl Blumenthal überregional bekannt. Außerdem verfügte er über gute Beziehungen zu Kaiser Wilhelm II. und suchte ihn und seine Familie nach der Abdankung mehrfach im holländischen Exil auf. Um 1950 übernahm Dieter von Schoenebeck das Wildbader Fotoatelier. Kurz bevor sich Schoenebeck 2003 zur Ruhe setzte, kam die Archivsammlung der beiden Fotografen ins Hauptstaatsarchiv Stuttgart.

Ihnen, liebes LEO-Publikum, wünschen wir, dass Sie in jeglicher Hinsicht von Hals- und Beinbrüchen verschont bleiben!

 

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Nostalgie zum Jahresauftakt

In den 1920er Jahren war der Film noch ein junges aber schon gern genutztes Medium

Straßenbahn in Ulm, 1940, Quelle: Haus des Dokumentarfilms Nr. 3358.

In vielen südwestdeutschen Gemeinden entstanden Werbeaufnahmen für den Fremdenverkehr, die in Wochenschauen gezeigt werden konnten. Im Ersten Weltkrieg waren Filme als Propagandamaterial gedreht worden. Nun boten Produktionsfirmen wie die Deutsche Lichtbild-Gesellschaft ihre Dienste für zivile Zwecke an. Die sich allmählich verbessernde wirtschaftliche Lage und die zunehmende Motorisierung machten die malerischen, großen und kleineren Orte des Südwestens zu beliebten Ausflugszielen. Einer der frühesten erhaltenen Filme über Ulm entstand im Jahr 1922. Im Gegensatz zu vielen anderen Produktionen, die einzelne Details und Highlights herausgreifen, gibt er eine Fahrt mit der Straßenbahn bzw. einen Gang durch die Altstadt wieder, beginnend am Bahnhof, durch die Hirschstraße, über den Münsterplatz bis zur Frauenstraße und ermöglicht einen Blick auf das Gesamterscheinungsbild der belebten Szenerie an einem sonnigen Tag. Weitere Bilder zeigen Ansichten der Stadtbefestigung und Partien am Wasser. Die Arbeiten wurden vom Münchner Produzenten Toni Attenberger ausgeführt, unter dessen Regie 1927 ein weiterer Film entstand. Die romantischen Bilder lassen vergessen, dass das damalige Leben in den alten Gemäuern recht mühsam sein konnte, besonders in den langen nebligen Wintern an der Donau, als das Fischerviertel noch kein restauriertes touristisches Aushängeschild war. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Altstadt von Ulm zu rund 80 Prozent zerstört. Danach begann der Wiederaufbau und die Gestaltung der Stadt, wie wir sie heute kennen. Die beiden Filme aus den 1920er Jahren sowie Beiträge, die in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden, stehen über Youtube auf der Homepage des Stadtarchivs Ulm zur Verfügung. Weitere Videos finden Sie auf LEO-BW als Beiträge aus dem Haus des Dokumentarfilms.

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Papst Silvester und der Teufel, Quelle: UB Heidelberg, Cod. Pal. germ. 137, Bl. 216v https://bit.ly/3PCqDcS

Der letzte Tag des Jahres ist nach Papst Silvester I. benannt. Das „Chronicon pontificum et imperatorum“, eine Geschichte von Päpsten und Kaisern, enthält eine berühmte Illustration, die Silvester II., geboren als Gerbert von Aurillac (um 950 – 1003) zusammen mit einer Darstellung des Teufels zeigt. Gerbert stammte aus einfachen Verhältnissen und schaffte es Abt von Bobbio zu werden sowie Erzbischof von Reims und Ravenna. Zu verdanken hatte er dies einerseits den Ottonen-Kaisern, als deren Berater er tätig war. Dank der Fürsprache von Otto III. wurde er 999 zum Papst gewählt und nahm den Namen Silvester II. an. Damit folgte er symbolisch Silvester I., der als Berater Konstantins des Großen galt und an dessen imperiale Politik Otto III. anknüpfte. Andererseits war Gerbert eine Kapazität auf den Gebieten technischer Innovation, Mathematik und Astronomie. So brachte er den Abakus, eine frühe Rechenmaschine, nach Europa. Seine Fähigkeiten konnten sich die Zeitgenossen nur dadurch erklären, dass Gerbert einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte. Neben anderen inspirierte er Goethe zu seiner Darstellung des Faust.

Im „Chronicon pontificum et imperatorum“ ist Gerbert als wacher, pfiffiger Mensch wiedergegeben. Demgegenüber erscheint der Teufel als Gestalt mit mehreren Gesichtern. Martinus Oppaviensis, auch Martin von Troppau oder Martinus Polonus, ein aus Schlesien stammender Dominkanerpater, verfasste das "Chronicon pontificum et imperatorum" zwischen 1277 und 1286 auf Anregung von Papst Clemens IV. Das historische Werk, eine Gegenüberstellung der Amtszeiten von Kaisern und Päpsten, reicherte Martinus mit Anekdoten und Geschichten an. Mehrere Fassungen und Übersetzungen entstanden. Die Bebilderung des vorliegenden Exemplars aus der Mitte des 15. Jh. stammt aus der Werkstatt des Diebold Lauber in Hagenau im Elsass. Das ganze Werk finden Sie hier https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg137.

Wir wünschen einen guten Rutsch ins neue Jahr - ganz ohne Dämonen!

 

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Mappa Geometrica oder Grundriß und Geometrischer Entwurff der Hochfürstl: Merßburg: Ritterschafftlichen Dorffschaft Staringen, Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H Stahringen 1 https://bit.ly/3iKeiXJ

Erst auf den zweiten Blick entpuppt sich der Ritter mit Helm, Hermelin und Schild als Gemarkungskarte. Wiedergegeben ist der Ort Stahringen, der heute zu Radolfzell gehört, umgeben von Wäldern, Wiesen, Äckern und Straßen. Um die Jahre 1744/49 war Stahringen in den Besitz des Franz Konrad von Rodt gelangt. Der Reichsfreiherr von Rodt (1706-1775) wurde 1737 zum Priester geweiht und 1750 Fürstbischof von Konstanz. Die Karte entstand um bzw. nach 1762. Rodt hatte zahlreiche weitere Ämter, Titel und Besitzungen inne. Auf der Karte ist er in einer separaten Abbildung dargestellt. Die ihn umgebenden Figuren verweisen zusammen mit der Aufzählung in der Titelkartusche auf seine Funktionen. So war Rodt Domherr zu Augsburg, Träger des Großkreuzes vom Johanniterorden zu Malta sowie des Großkreuzes des Malteserordens. 1758 wurde er zum Kardinalpriester der Titularkirche Santa Maria del Popolo in Rom ernannt, die im Hintergrund des Bildes zu erkennen ist. Er war außerdem Abt des Kastells Barbato bei Cremona und im ungarischen Szekszárd. Die im Vergleich zur Bedeutung des Orts Stahringen unverhältnismäßig erscheinende Aufmachung der Karte ist unter anderem damit zu erklären, dass Konstanz in Konkurrenz zu den großen Abteien von St. Gallen, Einsiedeln und dem Fürststift Kempten stand. Außerdem sah sich das Bistum Konstanz durch die kirchliche Reformpolitik von Kaiser Joseph II. gefährdet. Die Sonne, die mit freundlichem Gesicht die Darstellung der versammelten, von einem Engel präsentierten Ämter bescheint, könnte sowohl ein Hinweis auf die weitreichenden Beziehungen des Fürstbischofs sein als auch ein Symbol für seine aufklärerische Gesinnung, die er nach außen sichtbar machen wollte. Dies brachte er auch auf architektonischem Gebiet zum Ausdruck. So veranlasste Franz Konrad von Rodt während seiner Amtszeit den Abschluss der Arbeiten zur Umgestaltung des Meersburger Neuen Schlosses und die Ausstattung zahlreicher Kirchen mit neuen Fresken. Das Wappen des Fürstbischofs, oben rechts auf der Karte, ist mit Bischofsmitra und Fürstenhut wiedergegeben. 

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In der 1880 veröffentlichten Beschreibung des Oberamts Balingen werden verschiedene Nikolausbräuche der Region erwähnt: Die Truchtelfinger pflegten das St. Nikolausschellen, das einmal weiter verbreitet war. Der „Niklasschimmel“ bekam abends einen Teller mit Hafer ans Fenster gestellt, worin die Kinder am nächsten Morgen Äpfel fanden. Der „Schante Klaas“ in Balingen verteilte schon damals gebackene Hanselmänner und in Ebingen sowie Winterlingen war am Nikolaustag Bescherung, die Kinder erhielten Geschenke.

Eine 80 Jahre später entstandene Sammlung zu Bräuchen, Festen, Sagen und Traditionen, die in Vorbereitung der Amtlichen Kreisbeschreibung für den damaligen Landkreis Balingen in Auftrag gegeben wurde, ermöglicht einen tieferen Einblick zum Ablauf des Nikolaustags. Vieles davon gehörte zu dem Zeitpunkt der Vergangenheit an, besonders in industriell geprägten Gemeinden. Während einige Orte keine besonderen Bräuche pflegten, gingen in anderen nicht näher beschriebene Personen „ge' kl ausa“. Die mit dem Fest verbundenen Figuren erscheinen in unterschiedlicher Form, entweder einzeln oder in Gruppen, in guter oder schreckenerregender Gestalt. Ebenso zahlreich wie die lokalen Dialektfärbungen sind die Namen. Die guten Kläuse, die in den Orten „herumgehen“, treten als „Klosa“ in Nusplingen und Roßwangen hervor oder als der „Glaos“ von Ratshausen. Im Balinger Ortsteil Heselwangen machten die „Sante Glos“ die Runde. In Burgfelden kam der „Schanteklos“ im weißen Hemd und umgehängten Schellenriemen. In Dotternhausen erschien der ebenfalls weißgekleidete „Heilig“ und las aus einem Buch vor. Auch früher brachten die Kläuse Äpfel, Nüsse und kleine Geschenke. Sie konnten auch von Paten oder anderen Verwandten übergeben werden. Manchmal begleitete ein Ruprecht den Klaus oder ein schwarzgekleideter Knecht, wie in Dautmergen, Dormettingen oder Roßwangen. Von Dotternhausen wird berichtet, dass der schwarzgekleidete Ruprecht fest zuschlagen konnte. Noch furchteinflößender war der „Rolla-Määrte“ von Leidringen, der in Verkleidung mit Maske und einer Schelle auftrat. Wild um sich hauend agierte er als Schreck für Groß und Klein. Ähnliches ist aus Obernheim überliefert, wo es hieß „Jetzt kommad de wilda Sante Klosa!“ In Onstmettingen hingegen verkleideten sich die Kinder als „Santi Klaas“ und liefen durch die Straßen, bevor am Abend zuhause der große „Santi Klaas“ mit Gabensack und Rute einkehrte. In Rosenfeld scheint das Schellenlaufen der Buben bis in die Mitte des 20. Jh. beliebt gewesen zu sein. Sie hängten sich Kuh- und Geißenschellen sowie „Pferderollen“ um. Das Gebimmel erschallte in den Gassen, die damals kaum von Verkehrslärm erfüllt waren.  

Trotz vieler gemeinsamer Merkmale treten die besonderen Ausprägungen in den Gemeinden hervor bis hin zu urtümlichen, an vorchristliche Zeiten erinnernde Formen. Aus der kollektiven Erinnerung verschwunden ist das ebenfalls in die Weihnachtszeit fallende „Pfeffern“, das einige der Berichten aufführen. Dieser in vorwiegend katholischen Gegenden beheimatete Heischebrauch entstand im Zusammenhang mit dem Tag der unschuldigen Kindlein am 28. Dezember und erinnert an die Abläufe am Nikolaustag. Es war üblich einen Spruch aufzusagen, symbolische Hiebe mit Ruten auszuteilen und Gaben einzusammeln. Weil das „Pfeffern“ als Bettelei von Erwachsenen eingestuft wurde, bemühte sich die Obrigkeit schon im 19. Jh. um Eindämmung. Gemäß der Berichte war das Pfeffern noch in Endingen, Rosenfeld und insbesondere Ratshausen als „Pfefferrässen“ lebendig sowie in Dautmergen, wo es den Kindern vorbehalten blieb.

Mehr über alte Bräuche in und um Balingen finden Sie in den Heimatkundlichen Blättern für den Kreis Balingen, Stichwort „Volkskundliche Überlieferung im Kreis Balingen“, veröffentlicht auf der Homepage der Heimatkundlichen Vereinigung Zollernalb e.V. (Jahre 1958-60) https://bit.ly/3OU2spQ. Zur Beschreibung des Oberamts Balingen gelangen Sie hier https://bit.ly/3H5q2hl

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