Ungarnflüchtlinge, Stuttgart 1956

Ernste Gesichter bei den Ankommenden und den Wartenden am Hauptbahnhof Stuttgart, Quelle: Landesarchiv BW, HStAS Q 2/50 Nr. 259, Bildarchiv Burghard Hüdig (Ausschnitt, Gesichter teils retuschiert)

Nach der Niederschlagung des Volksaufstands in Ungarn ab dem 4. November 1956 verließen rund 200.000 meist jüngere Personen das Land. Einige kamen nach Stuttgart und wurden beim Eintreffen am Hauptbahnhof von Burghard Hüdig mit der Kamera festgehalten, darunter auch einige Kinder. Die Ankommenden erhielten Suppe und warme Getränke. Rund zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Ereignisse in Ungarn zu vielen Aktionen der Hilfsbereitschaft geführt, auch im deutschen Südwesten. So dokumentierte Hüdig die Spendenbereitschaft der Bevölkerung, Solidaritätsbekundungen sowie die Entsendung von Hilfsgütern durch das Rote Kreuz in den Tagen vor, während und nach dem 4. November.

Der Volksaufstand war Ende Oktober 1956 aus Protesten von Studierenden in Budapest gegen die regierende kommunistische Partei entstanden. Gefordert wurde zunächst eine Wiederaufnahme des Reformkurses unter Imre Nagy und seine Wiedereinsetzung als Ministerpräsident. Bis zum Tod Josef Stalins 1953 hatte Mátyás Rákosi die sowjetischen Vorgaben mit rigiden Methoden umgesetzt. Auf politischer Ebene bedeutete dies die Zwangsvereinigung von Kommunisten und Sozialdemokraten, die Durchführung von Scheinwahlen und eine Verfassung nach sowjetischen Vorbild. Damit verbunden waren Massenverhaftungen, Internierungslager, Bespitzelungen und Hinrichtungen, deren Zahl bis in die Tausende ging. Imre Nagy, der im Juli 1953 die Regierungsgeschäfte übernahm, versuchte, zunächst noch mit sowjetischer Unterstützung, die Umgestaltung zu einem „menschlichen Sozialismus“. Die Abkehr vom Stalinismus unter Nikita Chruschtschow hatte für mehr Offenheit gesorgt aber auch Gegensätze hervorgebracht. Aus dem zunächst friedlichen Protest in Ungarn entwickelte sich nach dem gewaltsamen Eingreifen von Polizeikräften ein bewaffneter Volksaufstand. Es kam zu Straßenkämpfen. Unter dem während des Aufstands wiedereingesetzten Ministerpräsidenten Imre Nagy wurden die früheren demokratischen Ziele bekräftigt sowie die Absicht aus dem Warschauer Pakt auszutreten. Trotz Erklärung der Nichteinmischung wurde der Aufstand ab dem 4. November von sowjetischer Seite niedergeschlagen. Zu den Opfern gibt es unterschiedliche Angaben. Es ist von mindestens 2.700 Toten auszugehen. Es gab über 30.000 Gerichtsverfahren, nochmals Internierungen und mehr als 200 Todesurteile, darunter auch gegen Imre Nagy, der im Juni 1958 hingerichtet wurde.

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Allerheiligen im Schuttertal

Ein Perlenkranz als Grabschmuck zu Allerheiligen, Friedhof Schweighausen im Schuttertal, um 1960 [Quelle: Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Außenstelle Südbaden BA 91/352]

Das Foto wurde Anfang der 1960er Jahre aufgenommen. Es zeigt zwei Frauen in Tracht und mit Goldrandhauben in Begleitung eines kleinen Mädchens auf dem Friedhof in Schweighausen, heute ein Teilort von Schuttertal im Ortenaukreis. Bemerkenswert sind nicht nur die schmiedeeisernen Grabkreuze, sondern auch der Perlenkranz, der früher an Allerheiligen oder Allerseelen als Schmuck auf die Gräber gelegt wurde. Perlenkränze zu den Totengedenktagen im November waren bis dahin vor allem in katholischen Gegenden verbreitet. In der Mitte erscheinen Darstellungen Christi, der Jungfrau Maria oder flammende heilige Herzen, die aus Gips, Porzellan oder Blech gefertigt, auf Glas angebracht oder mit einem gläsernen Gehäuse geschützt wurden. Der Grabschmuck war in Frankreich aufgekommen und hatte sich während des 19. Jh. in Europa verbreitet. Der wiederverwendbare Perlenkranz diente zunächst als Sargschmuck frisch Verstorbener, wurde dann auf das neue Grab gelegt und jedes Jahr im November wieder hervorgeholt. Je nach Alter und Personenstand kamen unterschiedliche Farben zur Anwendung, dunklere für Ältere, hellere für Kinder. Bei unverheirateten jüngeren Leuten durfte es auch etwas bunter sein. Die der Witterung ausgesetzten Perlen zerbrachen oder zerfielen und landeten in der Erde. Im pragmatisch orientierten 20. Jh. kamen sie allmählich aus der Mode und wurden als pietätlos empfunden. Daraufhin verordneten immer mehr Friedhofsverwaltungen, natürlicher Materialien zu verwenden.

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Hexengürtel

Hexengürtel des Hans Zink. [Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg, StAWt G-Rep. 102 Nr. 751]

In der Nacht zum ersten November spukt es allerorts, denn seit einigen Jahren ist auch in Deutschland Halloween zu einem beliebten Brauch geworden. Hexenkostüme gelten nach wie vor als Klassiker, wenn es um die geeignete Verkleidung für das Halloweenfest geht, jedoch wird oftmals vergessen, was für eine grausame Geschichte damit eigentlich verknüpft ist.

Erstmals nachweisen lässt sich die Bezeichnung "Hexe" in deutschsprachigen Gerichtstexten des 15. Jahrhunderts. Dominierte vor 1400 eher der Glaube an einzelne Zauberinnen und Zauberer, die mithilfe magischer Handlungen Schaden oder Heil über etwas bringen können, so entwickelte sich im Laufe des 15. Jahrhunderts bis zum Ende des 17. Jahrhunderts mit dem Hexenglauben ein ganz neues Bedrohungsszenario, das in der massenhaften Verfolgung und Ermordung von Menschen, die der Hexerei verdächtigt wurden, mündete. Opfer der Verfolgungen waren dabei zu etwa 80 Prozent Frauen.

Neueren Erklärungsversuchen zufolge trug auch ein klimatisches Phänomen dazu bei, den Boden für einen solchen "Hexenwahn" zu bereiten. Denn die Hauptzeit der Hexenverfolgung zwischen 1560 und 1650 fällt mit der kältesten Phase der sogenannten "Kleinen Eiszeit" zusammen. Die Klimaverschlechterung führte zu schweren Ernteverlusten und Hungersnöten und in der Folge zu sozialen Spannungen. Gerade in Deutschland wurden Hexen vor allem als Wetterzauberinnen gesehen.

Auch im Landesarchiv Baden-Württemberg finden sich zahlreiche Quellen, die Aufschluss über die Dynamiken und Ausprägungen der europäischen Hexenverfolgung geben. Bei der Mehrzahl der Schriftstücke handelt es sich um Verhörprotokolle und Urgichten (Geständnisse) zu bereits bekannten Prozessen der Jahre 1629–1633. Ein besonderes Stück ist der sogenannte "Hexengürtel", der der Akte eines Hexereiverfahren gegen die sogenannten "Bettinger Zauberkinder" beigelegt ist und im Staatsarchiv Wertheim verwahrt liegt. Nach einem Bericht des Pfarrers zu Bettingen an die Regierung zu Wertheim behauptete ein zehnjähriger Junge namens Hans Zink gegenüber seinen Mitschülern, den Gürtel habe seine Mutter am Main gefunden. Mit Hilfe dieses Gürtels könne er sich in einen Hasen verwandeln, was aber nur nachts gelinge. Er laufe dann in die Häuser und Gassen. Dass Hexenprozesse durch die Aussagen von Kindern ausgelöst wurden, ist gerade für die Grafschaft Wertheim typisch. Im Gegensatz zum katholischen Würzburg wurden in der evangelischen Grafschaft Wertheim allerdings Kinder nicht hingerichtet. Die Prahlerei des Hans Zink zeigt auch, wie verbreitet der Aberglaube an Hexenwerk und Zauberei damals war.

Noch einige Jahre zuvor hatte die Obrigkeit besonnener reagiert. 1616 wurde ein Verfahren gegen die 12-jährige Margaretha Hedwig aus Erlenbach eingestellt, die zusammen mit einer Witwe aus dem Nachbarort wegen Hexerei vor dem Zentgericht in Remlingen im Bistum Würzburg stand. Das Mädchen hatte sich sogar selbst angezeigt. Margaretha wurde zurück in die Obhut der Eltern gegeben mit der Anweisung, dass sie vor Übergriffen durch die Gemeinde beschützt werden müsse. Aus den Verhörprotokolle lassen sich Schlüsse auf die näheren Umstände ziehen. Offenbar hatten kindliche Ängste durch die Furcht vor dem Teufel derartige Ausmaße angenommen dass dies zu einem Trauma mit Panikattacken und Ohnmachtsanfällen führte.

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Bild: Posthorn, 19. Jahrhundert [Quelle: Heimatmuseum Ratzenried]

Die Überbringung von Nachrichten, insbesondere von Briefen, durch Boten ist in Europa bereits seit dem Frankenreich der Merowinger bezeugt. Zunächst beschränkte sich solch ein Botenverkehr vor allem auf den Austausch zwischen Klöstern. Mit dem Aufkommen der Städte, der Ausdehnung des Handels, der Zunahme der Schriftlichkeit und der Verbreitung des Papiers steigerte sich der der Bedarf an schriftlicher Nachrichtenübermittlung immer weiter. Das seit dem Spätmittelalter ausgedehnte Postwesen im Reichsgebiet hatte sich neben Brief- und Kleingepäckbeförderung bald auch dem Güter- und Personenverkehr angenommen. Etwa seit 1630 bis weit in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinein verbanden Landkutschen, die planmäßig auf festen Routen verkehrten, die verschiedenen Regionen des Reichs. Es wurden feste Poststationen aufgebaut, im Abstand von je einer Tagesreise. Diese Poststationen bekamen im Laufe der Zeit erhebliche wirtschaftliche Bedeutung: Sie waren Treffpunkt, Tausch- und Handelsplatz, Pferdestall und nicht zuletzt Herbergen für die Reisenden. Denn die Fahrten mit den Postkutschen waren alles andere als komfortabel. Auf den Holzsitzen der offenen, ungefederten, auf Holzachsen fahrenden Leiterwagen bekamen die Reisenden nicht nur jede Straßenunebenheit unmittelbar zu spüren, sondern waren auch der Witterung direkt ausgesetzt. Wichtiges Utensil für die Fahrer der Postkutschen war das Posthorn, da die Postkutsche immer Vorrang besaß. Auch das Öffnen der Stadttore und Bedarfsankündigung auf den Relaisstationen zum Pferdewechsel wurden mit unterschiedlichen Signalmelodien bereits vor Ankunft mitgeteilt.

Ab 1742 setzte die Reichspost erstmals regelmäßig verkehrende geschwinde Postwagen auf der Strecke von Frankfurt am Main nach Basel über Mannheim, Karlsruhe, Freiburg im Breisgau ein. Sie waren dazu eine ganze Woche lang unterwegs. 1760 wurde die wichtige überregionale Verbindung von Paris über Straßburg/Strasbourg nach München und Wien eröffnet, die allerdings anfangs den Umweg über Offenburg, Heilbronn, Nürnberg nahm. Nicht nur solche Umwege, sondern auch die häufig schlechten Straßen führten zu langen Fahrzeiten. Durch den Gebrauch der üblichen Gabelfuhrwerke waren die selten gut befestigten Straßen und Wege nämlich in der Mitte meist so ausgetreten, dass dort das Wasser nicht abfließen konnte und der Morast eine Befahrung oft kaum mehr möglich machte. Daneben behinderte im Südwesten das Relief mit seinen kräftigen Steigungen über Schwarzwald und Schwäbische Alb die Durchlässigkeit vor allem im Ost-West-Verkehr. Die mit enormem Aufwand betriebene Erneuerung und Verbreiterung der Poststraßen, die Vorschrift, dort statt der Gabelfuhrwerke nur noch die moderneren Deichselwagen zu verwenden, die Neutrassierung in den Gebirgsgebieten mit festgelegten Steigungen von maximal sechs Prozent – in Baden seit 1824, in Württemberg seit 1849 – sowie eine generelle Erweiterung des Routennetzes über Abkürzungsstrecken brachten eine Reduzierung der Fahrzeiten und eine Steigerung des Fahrkomforts. Die Folge war eine Aufstockung des Reiseverkehrs. Doch kamen diese Verbesserungsmaßnahmen zu spät. Ein neues Verkehrsmittel, die Eisenbahn, stand ab 1834 in Baden und ab 1840 in Württemberg bereit. Es trat als Beförderungsmittel rasch in Konkurrenz zur Postkutsche, zumal die frühen Bahnverbindungslinien oft parallel zu den alten Hauptpostrouten verliefen. Mehr über das Postwesen und die damit einhergehende Entwicklung der neuzeitlichen Bevölkerungsmobilität finden Sie im Themenmodul zur "Alltagskultur im Südwesten".

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Der Japangarten in Bietigheim zur Erinnerung an den Bietigheimer Arzt Dr. Erwin Bälz (1849 - 1913), [Quelle: Landauf, LandApp]

Erwin Bälz, geboren am 13. Januar 1849 in Bietigheim war ein deutscher Internist, Anthropologe und Leibarzt der Kaiserlichen Familie von Japan. Nach seinem Studium in Tübingen und Leipzig wurde Bälz im Jahr 1876 von der japanischen Regierung als sogenannter „Kontraktausländer“ für zwei Jahre an die Universität Tokio verpflichtet, wo er als Professor der Medizin und Physiologie arbeitete. Aus den zwei Jahren wurden schließlich 29 und Bälz zu einem der großen Förderer der modernen japanischen Medizin. Seine Tätigkeit in Japan fiel in die Meiji-Ära. Die Meiji-Ära war eine Zeit großer Veränderungen in Japan, die das Land aus einer feudalen Gesellschaft in eine moderne Nation verwandelte. Auch im Bereich der Medizin zeichneten sich in dieser Zeit erhebliche Veränderungen ab. Während bis dahin die Heilkunde Chinas dominierte, orientierte man sich nun verstärkt an westlicher Wissenschaft und zahlreiche ausländische Ärzte, darunter mehrere Deutsche, kamen als Berater ins Land. Bälz wurde in den 1890er Jahren schließlich zum beratenden Hofarzt und zum Leibarzt des Kronprinzen berufen. Außerdem reiste Bälz viel durch Japan und erkannte beispielsweise die heilende Wirkung der Schwefelquellen in Kusatsu und begründete damit den Aufstieg des Ortes zu einem der führenden japanischen Kurorte. Als er das Land 1905 verließ, verlieh ihm der japanische Kaiser das „Großkreuz der aufgehenden Sonne“. In Stuttgart, wo er seinen Lebensabend verbrachte, ehrte man den Arzt im selben Jahr mit dem Kommenturkreuz des „Ordens der Württembergischen Krone“, an den ein persönlicher Adelstitel geknüpft war.

Während seines Aufenthaltes in Japan baute Bälz gemeinsam mit seiner Frau Hanako eine Sammlung von knapp 3.300 japanischen Bildrollen, Alben und Zeichnungen auf, die sie 1905 mit nach Deutschland brachten. Diese weltweit beachtete Sammlung japanischer Malerei wurde 1983 vom Landesgewerbemuseum dem Stuttgarter Linden-Museum übergeben. Sie wurde durch zahlreiche Erwerbungen japanischer und chinesischer Malerei ergänzt. Auch im Stadtmuseum von Bietigheim-Bissingen, im Hornmoldhaus, erinnert man an vielen Stellen an den berühmten Arzt. Seit September 2019 ist das neue "Erwin-von-Baelz-Kabinett" eröffnet. Aus Bälz Privatsammlung werden im neu eingerichteten Kabinett Silbervasen, Lackkästchen, Kunstwerke von Kawanabe Kyôsai, zahlreiche historische Fotografien und eine Samurai-Rüstung gezeigt. Den virtuellen Rundgang durch das Kabinett finden Sie auch auf LEO-BW.

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