Württembergische Einwohnerwehren nach dem Ersten Weltkrieg

Plan zur bewaffneten Sicherung der Stuttgarter Markthalle. Quelle: Landesarchiv BW, StAL E 186 Bü 222
Plan zur bewaffneten Sicherung der Stuttgarter Markthalle. Quelle: Landesarchiv BW, StAL E 186 Bü 222

Am 12. Dezember 1918, also bald nach Abschluss des Waffenstillstands von Compiègne am 11. November und der darauffolgenden Abdankung König Wil- helms II. von Württemberg am 30. desselben Monats, verfügte ein Reichsgesetz die Bildung einer freiwilligen Volkswehr. In Württemberg wurden aus den Resten des in seine Standorte zurückgekehrten XIII. (Königlich Württembergischen) Armee-Korps sogleich 15 Sicherheitskompanien aufgestellt, die für den Schutz öffentlichen und privaten Eigentums, ein geregeltes Wirtschaftsleben sowie die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sorgen sollten. Schon zuvor hatte der Landesausschuss der Soldatenräte Württembergs den Kunstmaler und Landwehr-Leutnant Paul Hahn (1893–1956) mit dem Aufbau von Sicherheitskräften beauftragt. Hahn übernahm die Gesamtleitung der nunmehr aufgestellten Sicherheitstruppen in Stuttgart, mit deren Hilfe Anfang 1919 der dortige Spartakusaufstand niedergeschlagen wurde. Nach der Eingliederung der Sicherheitstruppen in die provisorische Reichswehr wurde Hahn dann Leiter der Hauptstelle für Einwohnerwehren Württembergs. In der am 28. November 1919 erlassenen Satzung für Einwohnerwehren sah man es als deren primäre Aufgabe, in der Bekämpfung von Aufruhr und Plünderung die Polizei und Reichswehr zu unterstützen.

Hinsichtlich der Zusammensetzung dieser bewaffneten Wehren hieß es: Einwohnerwehren sind grundsätzlich unpolitisch aus allen umsturzfeindlichen Kreisen der Bevölkerung zusammengesetzt. Die Umsetzung dieser Vorgaben verlief freilich nicht ganz so glatt. Gegen den Eintritt einer ganzen Reihe von Männern, die der Sozialdemokratische Verein aufgelistet hatte, gab es offenbar keine Vorbehalte. Auf immer wieder erfolgte Anfrage wurde im April 1920 unter Verweis auf ältere Verfügungen jedoch beschieden, dass Mitglieder der U.S.P bezw. K.P.D. von der Aufnahme ausgeschlossen sind, während bezgl. der Mitglieder der Rechtsparteien eine Aufnahmebeschränkung nicht besteht. Offensichtlich hatte man auch mit dem Problem des Antisemitismus zu kämpfen. Vier namentlich unterzeichnete Wehrmänner erklärten etwa ihren Austritt mit der Begründung, dass sie es mit ihrer Deutschvölkischen Gesinnung nicht vereinbaren könnten, noch länger in einem Bann zu verbleiben, in dem die Juden bevorzugt werden. Einer der Genannten, denen von Seiten ihrer Vorgesetzten fortgesetzte Judenhetze und Gehorsamsverweigerung vorgeworfen wurde, war offenbar jedoch schon vor seiner Austrittserklärung aus der Liste der Einwohnerwehr gestrichen worden – wegen Ungeeignetheit. Soweit ein erstes vorsichtiges Urteil möglich ist, scheint die politische Ausrichtung der württembergischen Einwohnerwehren recht disparat gewesen zu sein. So war beispielsweise der nachmalige NS-Richter am Stuttgarter Sondergericht Hermann Cuhorst (1899–1991) im Tübinger Studentenbann aktiv, andererseits findet man den führenden württembergischen Sozialdemokraten und späteren NS-Verfolgten Kurt Schimmel (1879–1967) als Mitglied von Bann IX der Stuttgarter Einwohnerwehr.

Stephan Molitor

Quelle: Archivnachrichten 56 (2018), S. 19.

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