Fremdenverkehrswerbung in Württemberg vor dem Zweiten Weltkrieg

Plakat der „Schwäbischen Landesausstellung für Reise- und Fremdenverkehr in Stuttgart
Plakat der „Schwäbischen Landesausstellung für Reise- und Fremdenverkehr" in Stuttgart, 1912. Quelle LABW (HStAS J 301 a Nr. 254)

Kennt ihr das Land in deutschen Gauen das schönste dort am Neckarstrand?…drum sing' ich heut und immerdar: das schöne Schwaben ist mein Heimatland! Kennt ihr das Land in deutschen Gauen,

dieser Liedanfang ist vielen Schwaben aber auch Nicht-Schwaben geläufig. Obgleich der Autor des Texts nicht bekannt ist, deutet manches auf den schwäbischen Dichter Johann Georg Fischer (1816–1897). Die Popularität dieses Lieds machte es zum Titel eines Tourismuswerbefilms. Bis aber eine solche Werbung Erfolg haben konnte, mussten zunächst die organisatorischen Grundlagen geschaffen werden. Schwaben stand nicht an der Spitze der Tourismuswerbung. 1884, erst 20 Jahre nach der Gründung des Badischen Schwarzwaldvereins, entstand der württembergische Schwarzwaldverein und kurz danach der Verein für Fremdenverkehr in Stuttgart. Weitere Gründungen von Verschönerungs- und Verkehrsvereinen folgten. Der Zusammenschluss der in Württemberg und Hohenzollern bestehenden Vereine zur Förderung des Fremdenverkehrs geschah 1908 unter dem Namen Württembergisch-Hohenzollerische Vereinigung für Fremdenverkehr.

Die wichtigste Aufgabe, die der Verband wahrzunehmen hatte, war das Marketing für das Fremdenverkehrsland. Dazu schaltete man vor dem Ersten Weltkrieg verstärkt Anzeigen in regionalen und überregionalen Zeitungen und Zeitschriften, gab Faltblätter und Broschüren heraus.

Die staatlichen Stellen hielten sich bei der Förderung der Tourismuswerbung noch sehr zurück. 1911 fand in Berlin die große Internationale Ausstellung für Reise und Fremdenverkehr statt, zu der alle Kulturstaaten, aber auch die einzelnen Bundesstaaten eingeladen wurden. Das Ausstellungspräsidium ersuchte das württembergische Staatsministerium, sich an der Ausstellung zu beteiligen. Doch lehnte dieses eine offizielle Beteiligung aus Kostengründen ab. Auch eine in Stuttgart 1912 durchgeführte Fremdenverkehrsausstellung, für die König Wilhelm II. auf Bitten des Verbands die Schirmherrschaft übernahm, fand nicht das Wohlwollen staatlicher Stellen. Die Zentralstelle für Gewerbe und Handel meinte: Die Übernahme des Allerhöchsten Protektorats für diese doch ziemlich unbedeutende Ausstellung würden wir nicht befürwortet haben.

Der Fremdenverkehr als Wirtschaftsfaktor wurde von staatlicher Seite erst nach dem Ersten Weltkrieg erkannt, als die Devisenknappheit nach neuen Einnahmequellen suchen ließ. Der Verband verstärkte nun seine Werbeanstrengungen und verlegte und versandte umfangreiches bebildertes Werbematerial, unter anderem den Werbeführer Württemberg und Hohenzollern, Gasthöfe in Württemberg und Hohenzollern, Winter im württembergischen Schwarzwald an Reisebüros und Auskunftsstellen. Ein immer wieder erschienenes, in großer Auflage gefertigtes Plakat war die auf Kunstdruckpapier in Vierfarbendruck hergestellte Reliefkarte von Württemberg. Ab den 1930er-Jahren modernisierte man das Werbematerial; großformatige und farbige Dioramen wurden für Ausstellungen hergestellt. Ausstellungen in Schaufenstern von Reisebüros und Lichtbildvorträge dienten der Ankurbelung des Fremdenverkehrs.

Nachdem der Kinofilm ein immer größeres Publikum ansprach, wurde auch dieser zum Werbemedium für den Fremdenverkehr. 1929 hatte die Reichsbahndirektion Stuttgart zum ersten Mal Filmaufnahmen einiger württembergischer Gebiete herstellen lassen. Zugleich begann die Firma Naturfilm Hubert Schonger in Berlin mit Unterstützung des Verbands mit Filmaufnahmen. Diese Stummfilme, die man als Landschafts- und Kulturfilme bezeichnete, sollten in Zusammenarbeit mit der Reichsbahnzentrale vor allem zur Auslandswerbung genutzt werden. Kaum aber kam dieser Film in die Kinos, war er nach der Einführung des Tonfilms veraltet. Deshalb begann der Filmemacher Otto Trippel im Auftrag der Reichszentrale für Deutsche Verkehrswerbung (RDV) mit der Produktion  des Films Bilder aus Württemberg, der mit der Musik von Hermann Schittenhelm und seinen Trossinger Handharmonikaspielern unterlegt wurde. Die Filmprüfstelle gab ihm 1935 das Prädikat: Der Film wird zur öffentlichen Vorführung im Deutschen Reiche, auch vor Jugendlichen, zugelassen. Der Film ist künstlerisch wertvoll und volksbildend. Dieser als Bei- oder Vorfilm gedachte Streifen scheint aber den NS-Größen in Württemberg wegen seiner nicht zeitgemäßen künstlerischen Gestaltung missfallen zu haben. Denn kaum war er in den Kinos zu sehen, wurde ein neuer Werbefilm aus Mitteln des Landes Württemberg und der Stadt Stuttgart in Auftrag gegeben. Diesen neuen Beiprogrammfilm drehten die Firmen Tobis und Albert Kling Film in Stuttgart. Er lief unter dem Titel Kennt ihr das Land in den Kinos. Am Drehbuch wirkte unter anderem der bekannte Berliner Filmemacher Hans Schipulle mit. Die Uraufführung fand 1939 in Berlin im Gemeinschaftshaus der Deutschen Arbeitsfront statt. Zeitgleich wurde von dieser Produktionsgemeinschaft der große, programmfüllende Film Schwäbische Kunde hergestellt, der in Berlin und Stuttgart uraufgeführt wurde.

Historische Bilder, Filme, Akten und Druckerzeugnisse lassen den Ursprung und die Entwicklung des Marketings für den Tourismus in Württemberg nachvollziehen und geben ein beredtes Zeugnis vom Bemühen um den Gast aus nah und fern.

Peter Bohl

Quelle: Archivnachrichten 40 (2010), S.29-30.

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