"wollen unß von der Katolischen Kirche nicht trennen". Pietisten im katholischen Hohenzollern

Eingabe von zehn Einwohnern des Dorfes Bietenhausen an den Fürsten von Hohenzollern, „in ihren Wohnungen ungestört religiöse Versammlungen halten zu dürfen“, 9. Februar 1819. Vorlage: Landesarchiv BW StAS Ho 80 A T 2 Nr. 1162
Eingabe von zehn Einwohnern des Dorfes Bietenhausen an den Fürsten von Hohenzollern, „in ihren Wohnungen ungestört religiöse Versammlungen halten zu dürfen“, 9. Februar 1819. Vorlage: Landesarchiv  BW StAS Ho 80 A T 2 Nr. 1162

Am 9. Februar 1819 wandten sich zehn Einwohner des Dorfes Bietenhausen bei Haigerloch in einer Eingabe an ihren Landesherrn, den Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen, und legten in seinen väterlichen Schoos die unterthänigste Bitte nieder, ihnen gnädigst den Zutritt zueinander und das Lesen der heiligen Schrift zu gestatten, um nicht wegen Gewissenszwang […] in fremde Staaten pilgern zu müssen. Seit einiger Zeit hatten sie sich nachts oft bis in den Morgen hinein zu pietistischen Stunden  getroffen. Gelegentlich waren sie auch über Nacht ins Württembergische gegangen, um an Andachtsstunden teilzunehmen, die der Zuchtarbeitshausspeisemeister Schmid in Rottenburg und der sogenannte Heilige Mann  Christian Kußmaul in Bondorf hielten. Der Haigerlocher Oberamtmann hatte diese Aktivitäten kritisch beäugt, weil man nicht genau wusste, was bei diesen Zusammenkünften vorging. Zudem befürchtete er, daß die Mitglieder dieser Versammlungen durch ihre öftere Entfernung von Kirchen und Schulen, Müßiggang, Verschwendung und Zurüksetzung ihrer wahren Berufsgeschäfte ihre Haushaltungen zu Grunde richten. Schließlich waren ihnen die Zusammenkünfte und das Besuchen auswärtiger Versammlungen bei Androhung einer öffentlichen Arbeits- oder Zuchthausstrafe  verboten worden. Zur Durchsetzung des Verbots wurden ihre Wohnungen sogar mit Polizeiwachen besetzt.

Obwohl die Bittsteller darauf hinwiesen, dass sie diejenigen Ruhestunden, welche uns die Arbeit übrig läßt und die von den Anderen in rauschenden Gesellschaften vergeudet werden, zum Lesen und Betrachten der Worte Gottes und der Heiligen Schrift verwenden, kam ihnen der Fürst nur wenig entgegen. Die Hausandachten wurden ihnen zwar gestattet, allerdings beschränkt auf Hausangehörige. Da sie sich nicht daran hielten, kamen sieben Brüder  Ende April für einige Wochen in Arrest.

Immerhin hatte man zwischenzeitlich festgestellt, dass es sich um Pietisten, nicht um radikalere Separatisten  handelte, und so ließ man sie schließlich gewähren, nicht zuletzt weil die katholischen Geistlichen bis hin zum Bistumsoffizial Hermann von Vicari der Ansicht waren, diese Leute verdienten einige Schonung auch darum […] , weil Strenge sie verhärten, oder ihnen Anlaß geben dürfte, daß sie sich für imaginärische Märtyrer halten. Hinzu kam, dass sie erklärten, sie wollten sich von der Katolischen Kirche nicht trennen und gehen auch allzeit in die Kirchen. […] Im übrigen wollten sie getreue und gehorsahme Unterthanen seyn.

Anhänger des Pietismus gab es im Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen auch im Bietenhausener Nachbarort Höfendorf sowie in den zum Oberamt Glatt gehörenden Dörfern Dettingen und Dettlingen. Der Glatter Oberamtmann Mattes sah die Bewegung ebenfalls kritisch, wenn er 1821 meinte: Ihre Ideen <[…] so scheinen sie zwar nichts Verdächtiges noch Gefährliches in sich zu enthalten – allein der Geist, der solche Ideen erzeugt, scheint mir gefährlich werden zu können – Es sind die nemlichen Symptome jenes democratisch demagogischen Geistes, welcher wirklich [=gegenwärtig] ganz Europa von den Pyrenäen bis zum Balkangebirge beherrscht. Eines Geistes, der sich von aller Auctorität in politischer, sonders in religiößer Hinsicht loßzumachen strebt, und seine eigene Erkenntniß über alles positive sezt.

Versuche der katholischen Kirche in den 1850er Jahren, die Pietisten wieder auf den Boden der katholischen Lehrmeinung zurückzuholen, bewirkten das Gegenteil: Sie konvertierten zur evangelischen Kirche. In Bietenhausen und Dettingen entstanden evangelische Kirchengemeinden.

 Volker Trugenberger

Quelle: Archivnachrichten 54 (2017), S.31.

Suche