Der erste Spargel in Württemberg: Barbara Gonzaga (1455 – 1503) und die Anfänge der italienischen Küche

Das Schloss in Urach, Glasplattensammlung des Landesdenkmalamts Baden-Württemberg, ca. erste Hälfte 20. Jh., Quelle: Landesarchiv BW, StAL EL 228 a III Nr. 1586
Das Schloss in Urach, Glasplattensammlung des Landesdenkmalamts Baden-Württemberg, ca. erste Hälfte 20. Jh., Quelle: Landesarchiv BW, StAL EL 228 a III Nr. 1586

Die höfische Kultur wird gerade für das spätere Mittelalter auch im deutschen Südwesten intensiv erforscht. Im Zentrum stehen dabei herrschaftliche Korrespondenzen und Briefe, die unter anderem den Blick auf die Essgewohnheiten und Speisezettel der adeligen Herrschaften schärfen. Ausgehend von den intensiven dynastischen Verbindungen, welche etwa die Grafen von Württemberg mit einigen prominenten oberitalienischen Adelsfamilien eingingen, ist hier der kulturelle Transfer über die Alpen deutlich profiliert.

Eine Hauptrolle spielt dabei Barbara Gonzaga von Mantua (1455 –1503), die Gemahlin Graf Eberhards im Bart und spätere erste Herzogin von Württemberg. Die beiden feierten im Jahr 1474 in Urach eine glänzende Hochzeit, wovon wir durch die zeitgenössischen Berichte auch einen detaillierten kulinarischen Eindruck erhalten. Vor allem Fleisch- und Fischgerichte repräsentierten hier in zahlreichen Gängen die höfische Festkultur in Schwaben, neben weißem und rotem Neckarwein. Gemüse und Salat spielten hingegen keine Rolle.

Für Barbara Gonzaga, die am elterlichen Hof in Mantua eine andere Kost gewohnt war, schien die schwere schwäbische Küche auf Dauer kaum erträglich. Aus ihren Briefen, die sie häufig in die italienische Heimat schrieb, wissen wir, dass sie nach einigen Monaten die Küche und das Personal am Uracher Hof umstellen ließ. Jetzt sollten ihre italienischen Bediensteten im Frauenzimmer für sie kochen, um ihren Appetit wieder anzuregen. Barbara war inzwischen schwanger, und ihr Zustand wie ihre wachsende Leibesfülle waren damals das zentrale Thema am Uracher Hof.

Barbara kümmerte sich bald selbst darum, die in Württemberg mangelnden Speisen und Zutaten zu besorgen. Besonders das italienische Gemüse fehlte ihr hier, in erster Linie der Spargel. Barbaras Sekretär Marino sollte deshalb ihre Mutter, Markgräfin Barbara, in Mantua bitten, Spargel sowie Spargelsamen zu schicken. Denn man wolle den Spargel hier anpflanzen, da es keinen gebe: Se la signoria de madonna havesse uno mazo de sparzi, li sariano grati. Se havessemo del seme ne seminaressemo perché qua non gli n'è. Frate Epyfanio è facto ortulano dela signoria soa et ha seminato zuche, meloni, ravanelli, verze, latuche et altre cose …, schreibt Marino am 27. April 1475 aus Urach. Er berichtet, wie sich Barbara damals von Pater Epifanio einen Garten mit Kürbissen, Melonen, Radieschen, Wirsing, Salat und dergleichen Gemüse anlegen ließ.

Als dann bereits zwei Wochen später eine Portion echter Spargel aus Italien eintraf, wurde dieser von Barbara gleich verzehrt. Wie sie ihrer Mutter schreibt, wollte sie nur genug davon bekommen, denn am nächsten Tag habe sie ihre Schwiegermutter mit Gefolge erwartet. Und ihr – Mechthild von der Pfalz – hätte man sicher die außergewöhnliche Delikatesse nicht vorenthalten können. Noch am selben Tag, dem 10. Mai 1475, erinnerte Marino die Markgräfin Barbara in Mantua an die Übersendung des Spargelsamens, auch bat er um Sämereien von Basilikum, Nelken und Rosmarin.

Der Garten der Barbara Gonzaga in Urach sollte nun mit italienisch-mediterranem Gemüse und Gewürzpflanzen ausgebaut werden. Die Küche am württembergischen Hof wurde darauf ausgerichtet. Der Spargel, den man seit der römischen Antike nördlich der Alpen nicht mehr kultiviert hatte, wurde als herrschaftliches Gemüse durch Barbara Gonzaga von Mantua nach Württemberg gebracht. Er steht repräsentativ für die Anfänge der italienischen Küche am Uracher Hof. Schon bald sollte der Spargel hier auch heimisch werden und weite Verbreitung nördlich der Alpen finden.

 Peter Rückert

Quelle: Archivnachrichten 53 (2016), S.8.

Suche