Der Teufel, das Dorf und das Mädchen

Die Angst vor Hexerei und Zauberei in der Frühen Neuzeit am Beispiel zweier überlieferter Fälle

 

Schreiben der Gemeinde Erlenbach an Bischof Julius Echter von Würzburg mit der Bitte, das Mädchen nicht mehr zurückkehren zu lassen und den Fall der Margaret Schmidt weiter zu untersuchen, August 1616. Vorlage: LABW, StAWt G­ Rep. 58 Nr. 116. Zum Vergrößern bitte klicken.
Schreiben der Gemeinde Erlenbach an Bischof Julius Echter von Würzburg mit der Bitte, das Mädchen nicht mehr zurückkehren zu lassen und den Fall der Margaret Schmidt weiter zu untersuchen, August 1616. Vorlage: LABW, StAWt G­ Rep. 58 Nr. 116. Zum Vergrößern bitte klicken.

1616 standen die 12-jährige Margaretha Hedwig aus Erlenbach und eine Witwe aus einem benachbarten Ort namens Margaret Schmidt unter dem Verdacht der Hexerei. Das zuständige Zentgericht des Bistums Würzburg in Remlingen allerdings ließ den Verdacht gegen sie fallen und schickte das Mädchen, das sich selbst angezeigt hatte, zurück nach Hause. Auch im Fall der Witwe wurden die Indizien als nicht ausreichend angesehen. Diese Entschei dung stieß auf Widerstand. Die eigenen Eltern wollten das Mädchen nicht mehr zurücknehmen. Die Angst vor ihr, die Angst vor den Nach barn und der allgemeinen Situation im Dorf war zu groß. Schultheiß und Gemeinde des Dorfes lehnten die Rückkehr des Mädchens ab, auch aus Angst vor Missernten. Dem Mädchen und der Witwe wurde unter anderem die Schuld an einem heftigen Gewitter gegeben, das im Dorf großen Schaden angerichtet hatte. Doch Würzburg bestand auf der Rückkehr des Mädchens ins Dorf. Bitten der Eltern, das Kind im Spital in Würzburg aufzunehmen, wurden abgelehnt. Stattdessen befahl Bischof Julius Echter dem Amtmann vor Ort, das Mädchen vor Übergriffen durch die Gemeinde zu beschützen, und sah den Fall damit als erledigt.

Dieser im Staatsarchiv Wertheim überlieferte Vorgang ist insofern von besonderem Interesse, da er den Fokus nicht auf ein Inquisitionsverfahren lenkt, das in Folter und Tod endete, sondern vielmehr Auskunft gibt über die handlungsleitenden Motive der Akteure.

Die Verhörprotokolle des Mädchens zeichnen ein berührendes Bild eines tief verängstigten und traumatisierten Kindes, das immer wieder vor dem Teufel flieht und aus Furcht und Panik sogar ohnmächtig wird. Dabei erinnert ihre Schilderung an die Motivik und den Aufbau eines Märchens. Dreimal ist dem Mädchen der Teufel begegnet, dreimal haben sie miteinander getrunken und jedes Mal spricht der Teufel denselben Satz: Sie solle ihm folgen und tun was er ihr heiße, so solle sie ihr Leben lang genug haben.

Die Reaktionen der Gemeinde machen die Ängste einer Dorfgesellschaft deutlich, die Erklärungen und Entlastung sucht für erfahrene existenzielle Nöte und Krisen, denen sie hilflos gegenübersteht. Die Menschen wünschten sich eine weitere Befragung der älteren Frau, auff das der grundt ans taglicht kommen und die liebe feldfrücht desto weniger schadens […] leiden. Auch das Mädchen dürfe nicht mehr zurückkommen, weil sie schon begonnen habe, andere Kinder des Dorfes zu verführen. Tatsächlich hatte das Mädchen die Namen von drei Freundinnen angegeben, denen sie von den Ereignissen erzählt hatte.

Das Verhalten der Eltern wiederum verdeut licht die Verzweiflung und Ausweglosigkeit der Betroffenen, die im Angesicht von Stigmatisierung und Ausgrenzung die Tochter lieber weggeben wollen, als sie wieder bei sich aufzunehmen. Angeblich wollten sie ihre Tochter aus Angst vor den Beschimpfungen der Nachbarn weder wissen noch sehen.

Schließlich erkennt man eine Obrigkeit, deren Handlungen sich in der korrekten Durchführung des Verfahrens und seiner Beilegung erschöpfen. Dabei wird sogar erkannt, dass Opfer und Angehörige in dieser Situation Schutz benötigen, nachfolgende Taten zeigen sich aber nicht.

Anne Christina May

Quelle: Archivnachrichten 63 (2021), Seite 17.

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