Einziehen, Geiselschaft, Leistung

Vom Umgang mit Schulden und Bürgschaften unter Adligen des 14. bis 16. Jahrhunderts

Gottfried Werner Freiherr von Zimmern etc. nebst Konsorten verkauft seinem Bruder Johann Werner d. J. Freiherrn von Zimmern etc. gegen 2.800 Gulden einen jährlichen Zins von 140 Gulden, 27. Juni 1514. Vorlage: Landesarchiv BW, StAS FAS HS 1-80 T 1-6 U 410. Zum Vergrößern bitte klicken.
Gottfried Werner Freiherr von Zimmern etc. nebst Konsorten verkauft seinem Bruder Johann Werner d. J. Freiherrn von Zimmern etc. gegen 2.800 Gulden einen jährlichen Zins von 140 Gulden, 27. Juni 1514. Vorlage: Landesarchiv BW, StAS FAS HS 1-80 T 1-6 U 410. Zum Vergrößern bitte klicken.

Als Gottfried Werner von Zimmern zusammen mit seinen Bürgen Graf Heinrich III. von Lupfen und Truchsess Georg III. von Waldburg-Zeil im Jahre 1514 für 2.800 Gulden einen jährlichen Zins in Höhe von 140 Gulden an seinen Bruder Johann Werner d. J. verkaufte, setzte er zur Absicherung der Geldzahlungen nicht nur seine Herrschaft Meßkirch als Unterpfand ein, sondern verpflichtete sich außerdem, bei Säumigkeit in Leistung zu gehen. Dies bedeutete, dass Gottfried Werner nach der etwaigen Mahnung seines Bruders mitsamt einem reisigen Pferd innerhalb von 14 Tagen in ein offenes Wirtshaus in Rottweil, Villingen oder Oberndorf einzuziehen hatte. Dort hatte er sich persönlich solange aufzuhalten und zu konsumieren, bis alle aufgelaufenen Kosten und Schäden Johann Werners d. J. ausgeglichen waren. Andernfalls durfte sich Johann Werner am eingesetzten Unterpfand sowie an den Gütern und Einkünften der Bürgen schadlos halten.

Die uns heute merkwürdig anmutende Form einer Vertragssicherung, der zufolge sich ein Adliger in einem Gasthaus einzufinden hatte, um dort – wie es oft heißt – Geiselschaft zu leisten, findet sich in Urkunden des Fürstlich Hohenzollernschen Haus- und Domänenarchivs Sigmaringen der Jahre 1338 bis 1592 in über 30 Belegen wieder.

Der Sinn und Zweck dieses seit dem hohen Mittelalter in Adels- und Ritterkreisen bekannten und zumeist unter dem Begriff Einlager firmierenden außergerichtlichen Druckmittels bestand darin, dass der Schuldner für eine gewisse Zeit in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurde und auf eigene Kosten bis zur Befriedigung des Gläubigers im Wirtshaus zu verbleiben hatte. Damit sollte wirtschaftlicher wie moralischer Druck auf ihn ausgeübt werden, seinen geldlichen Verpflichtungen doch noch nachzukommen. Angesichts der standesgemäßen Unterkunft wird man gleichwohl von einer Art Luxus-Geiselhaft ausgehen dürfen. Im Laufe der Zeit wurde es den Schuldnern zudem immer häufiger ermöglicht, an ihrer statt Knechte nebst Pferden ins Einlager zu entsenden, wie es in unserem Beispiel aus dem Jahre 1514 bereits den Bürgen Gottfried Werners von Zimmern, nicht aber diesem selbst gestattet worden war.

Meist fand das Einlager bei Schuld- oder Zinsgeschäften Anwendung, bis in das späte Mittelalter aber auch als Instrument, um den Verkauf von Dörfern, Höfen oder Korngülten sicherzustellen. Außerhalb des Adels und der höheren Geistlichkeit kam es zunehmend auch bei einzelnen Bürgern und städtischen Gremien in Gebrauch. Trotz eines 1577 verkündeten reichsweiten Verbotes des Einlagers finden sich in der hohenzollerischen Urkundenüberlieferung noch bis in das späte 16. Jahrhundert zahlreiche Beispiele für Geiselschaften als Vertragsbestandteile.

Clemens Regenbogen

Quelle: Archivnachrichten 64 (2022), Seite 18-19.