Das Cannstatter Volksfest

Von Felix Teuchert

Das Cannstatter Volksfest, 1969 [Quelle: Landesfilmsammlung Baden-Württemberg]

Das populäre Cannstatter Volksfest feierte im Jahr 2018 sein 200jähriges Jubiläum. Im Jahr 1818 stiftete der württembergische König Wilhelm I. ein „landwirtschaftliches Fest“, das jährlich auf den „Cannstatter Wasen“ abgehalten werden sollte – die Geburtsstunde des „Cannstatter Volksfestes“.

Damals ahnte wohl niemand, dass der Ursprung des Festes mit einem Ereignis auf einem ganz anderen Teil der Erde zusammenhing: Im April 1815 brach der indonesische Vulkan Tambora aus. Der Ausbruch war so gewaltig, dass er das globale Klima veränderte. Das folgende Jahr 1816 ging als „Jahr ohne Sommer“ in die Geschichte ein; die Staub- und Aschepartikel, die in die Atmosphäre geschleudert wurden und sich über den Erdball verteilten, verdeckten die Sonne und bewirkten Ernteausfälle und Hungersnöte in Mitteleuropa und Nordamerika.

Als die Ernteerträge ab 1817 wieder stiegen, rief Wilhelm I. zum Dank jenes „landwirtschaftliche Fest“ in Bad Cannstatt ins Leben, das mit seinen Wettbewerben für Viehzüchter als landwirtschaftliche Leistungsschau gedacht war. Parallel dazu wurden ein landwirtschaftlicher Verein, der das Fest ausrichtete, und eine landwirtschaftliche Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt gegründet, die spätere Universität Hohenheim. Angesichts der Ernährungskrise sollten Fest, Verein und Hochschule der landwirtschaftlichen Produktionssteigerung dienen. Im Laufe der Zeit avancierte das landwirtschaftliche Fest zu einem groß angelegten Volksfest.

Weitere Angebote und Attraktionen kamen nach und nach hinzu: Schausteller boten ihre Waren an, es gab Bierausschank, Pferderennen und Sportwettkämpfe. 1841 fand der erste Volksfestumzug statt, der fortan fester Bestandteil des Cannstatter Volksfestes werden sollte. Seit 1927 beginnt der Umzug, an welchem Blaskapellen, Trachtengruppen und Brauereigespanne teilnehmen, am Cannstatter Kurhaus und führt durch die Gassen von Cannstatt bis zu den Wasen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägten zunehmend Fahrgeschäfte das äußere Erscheinungsbild der „Wasen“, wie das Fest auch genannt wird. Nicht zu übersehen: Das Riesenrad, das erstmals in den 50er-Jahren aufgebaut wurde und auch in diesem Filmausschnitt von 1969 zu sehen ist.

Der landwirtschaftliche Ursprung des Festes ist im Laufe der Zeit zwar etwas in den Hintergrund getreten, aber immer noch sichtbar. So erinnert die von Wilhelm I. gestiftete Fruchtsäule in der Mitte des Platzes auch heute noch daran. Der Filmausschnitt von 1969 nimmt die mit Pflanzen und Früchten dekorierte Säule vom Riesenrad aus in den Blick. Parallel zum Volksfest findet alle drei Jahre das landwirtschaftliche Hauptfest statt.

Literatur

  • Hartl, Andrea, Oktoberfest und Cannstatter Volksfest – Vom Nationalfest zum Massenvergnügen, München 2010.
  • Stroheker, Hans Otto, Cannstatter Volksfest: Das schwäbische Landesfest im Wandel der Zeiten, Stuttgart / Aalen 1978.
  • Wagner, Wulf, Bräuche im Ländle, Stuttgart 2017.
     
Zitierhinweis: Felix Teuchert, Das Cannstatter Volksfest, in: Alltagskultur im Südwesten, URL: […], Stand: 09.11.2020
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