Gleichschritt in der Herrenmode: Die Militäruniform

Von Carmen Anton

Herzog Carl Eugen von Württemberg [Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart]

Herzog Carl Eugen von Württemberg, 1912[Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Signatur: M 703 R53N1]

Kleidermode wird heutzutage oftmals direkt mit der Damenmode in Verbindung gebracht. Dabei waren es über lange Jahrhunderte hinweg vor allem die Männer, welche die Modewelt nicht bloß hinter den Kulissen prägten, sondern auch selbst zur Schau trugen.

Zu besonderer Prachtentfaltung brachte es vor allem der Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV. im barocken Frankreich sowie das folgende Rokoko im 18. Jahrhundert. Die dortige Mode wurde stilprägend für die Höfe in ganz Europa und löste die bis dahin gültige Orientierung an der spanischen Mode ab. Damals galten Pracht und Opulenz als Ausdruck von realer politischer Macht und Status. Diese artikulierten sich nicht bloß durch die Wahl besonders kostbarer Materialien wie Seide, Samt, Nerzfellen, Gold und von Edelmetall durchwirkten Brokatstoffen, sondern auch in den allgemein strahlenden, hellen Farben der Garderobe. Ferner wurde auch die Herrenkleidung an vielen Stellen überaus ausladend, so wie man es aus den Reifröcken der Damenmode kennt.

Herrenanzug - Habit à la française, um 1760-1765 [Quelle: Landesmuseum Württemberg]
Herrenanzug - Habit à la française, um 1760 - 1765 [Quelle: Landesmuseum Württemberg]

Für die Herren griff man jedoch nicht auf glockenförmige Unterkleidkonstruktionen um die Hüften herum zurück. Stattdessen wurden voluminöse Ärmel oder auch den Oberschenkel kreisrund umschließende Hosen getragen. Später drappierte man die zeitgenössischen Herrenröcke, die Vorläufer des Gehrocks und Fracks im 19. Jahrhundert, entsprechend und versteifte sie teilweise sogar mit Rosshaar. Die Manschetten wurden sowohl durch die Weite am Handgelenk als auch den Umfang des Umschlages geradezu überdimensioniert. Hinzu kam kostbares Zierwerk in Form von zahlreichen Stickereien oder auch Knöpfen aus Gold und mit Edelsteinbesatz. Die Beine der Männer steckten im 18. Jahrhundert in immer enger werdenden Hosen, deren Anständigkeit sogar mitunter zur Diskussion stand. Die so präsentierten schlanken Beine und vor allem Waden in Kniebundhosen und Kniestrümpfen waren der Stolz des Herren, der sie durch kunstvoll beschlagene und mit Absätzen versehene Schuhe noch besser zur Geltung brachte. Schließlich saß die Hose in der höfischen Herrenmode so eng, dass an Sitzen nicht länger zu denken war. Dafür bedürfte es eines alternativen, extra zu diesem Zweck angefertigten Hosenpaares. 

Die bis zum Grotesken übersteigerten, voluminösen Perücken der Damen des Rokoko fanden ihre Vorläufer in den hochgetürmten und weit wallenden Lockenfluten der Herrenmode des Hochbarock. Zu dieser Zeit standen Frauen im Prunk ihrer Kleidung zumeist gar hinter den Männern zurück, denn wo Selbstdarstellung mit faktischer Macht korrelieren sollte, musste gerade in den einer männliche Erbfolge verpflichteten Adelshäusern auch das Familienoberhaupt die Spitze des Glanzes darstellen.

Erst mit der Französischen Revolution verblasste der Glanz des strahlenden Mannes. Man nahm Abstand vom Bild des Pfaues, der sein schillerndes Federleid beeindruckend zur Schau stellt, das als Inspiration und Inkarnation des Grundgedankens der Herrenmode galt. Stattdessen hielten Pragmatik und Nüchternheit nun Einzug in den Kleiderschränken der Männer. Strahlende Farben wichen nach und nach Schwarz, Weiß, Grau und Beigetönen. Diese mit Seriosität assoziierten, gedeckten Farben waren fortan stilprägend. Perücke und Schminke verschwanden um die Wende des 18. zum 19. Jahrhunderts abrupt aus der Herrenmode und sollten bis heute nicht wieder zu ihrer alten Verbreitung gelangen. Der nüchterne Frack löste Brokatröcke vollumfänglich aus der hohen Mode für gesellschaftliche Anlässe ab. Durfte er zunächst auch noch in dunklen Farbnuancen erscheinen, setzte sich ab etwa 1870 schließlich endgültig Schwarz als die prägendste Farbe der Herrenmode durch, die vor allem zu offiziellen Anlässen verpflichtend wurde. Tagsüber im informellen Rahmen waren gedeckte, dunkle Töne, wie Braun, verbreitet. Die Mitte des 19. Jahrhunderts brachte auch die Entwicklung des gerade geschnittenen, der Arbeiterkleidung entlehnten Sakkos und des einem verkürzten Gehrock nachempfundenen Jacketts mit sich, die bis weit in das 20. Jahrundert hinein die informelle Herrenmode dominierten. 

Heutzutage sind sowohl in der Freizeitmode als auch zu feierlichen Anlässen wieder strahlendere Farben auch bei Herren beliebt. Gänzlich darauf verzichtet haben viele von ihnen auch im bürgerlichen 19. Jahrhundert jedoch nicht.

Die Uniform als Repräsentationskleidung

Offizier der Garde Legion der Württ. Reitenden Artillerie 1788 in Uniform mit Mütze [Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart]
Offizier der Garde Legion der Württ. Reitenden Artillerie in Uniform mit Mütze, 1788 [Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Signatur: M 703 R286N6]

Zu öffentlichen oder festlichen Anlässen trug man im 19. Jahrhundert anstelle von Frack oder Anzug, sofern der dazu notwendige Status als Armeeangehöriger bestand, militärische Uniform. Diese Ensembles waren oftmals sehr farbenfroh gestaltet. Der Grund hierfür ist in ihrer Entwicklung zu suchen.

Die militärischen Uniformen, wie sie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts weitgehend Verbreitung in Europa gefunden hatten, orientierten sich in ihrem Schnitt an der gängigen Zivilmode. Um sich jedoch von den Zivilisten abzuheben und außerdem das Erkennen von Freund und Feind zu erleichtern, wählte man zur Gestaltung in aller Regel eindrückliche, gut aus der Distanz ersichtliche Farben. Der in der modernen Kriegsführung verbreitete Ansatz, Uniformen zur Tarnung im Gelände zu verwenden, existierte in diesen Zeiten noch nicht. Angemessene Repräsentation war von weit größerer Bedeutung. Erst der Erste Weltkrieg und die enorm gesteigerte Leistungsfähigkeit der Schusswaffen machten den Schritt zu zurückhaltender, tarnender Kleidung unumgänglich, um nicht bereits auf große Distanz zum Ziel zu werden. Der hierdurch bedingte, pragmatische Verzicht auf jede Form von Schmuck machte die Entwicklung von Parade- und Gardeensemble für Soldaten spätestens notwendig, wollte man abseits des Schlachtfeldes weiter auf die repräsentativen Funktionen der Armee zurückgreifen.

In Württemberg sind Unterscheidungen in "kleine" und "große" Uniform wenigstens für Offiziere seit spätestens 1817 bekannt. Diese unterschieden sich schon damals dadurch, dass die große Uniform zusätzlich zur gängigen Farbgestaltung auch über reichlich Zierstickerei verfügte, welche an der Felduniform untersagt war. Entsprechender Zierrat wurde vor allem an den Manschetten und an dem hohen Kragen angebracht.

In der Gestaltung der Uniformen kristallisierten sich während des 18. Jahrhunderts gewisse grundlegende Parallelen heraus. So verwendeten Armeen katholischer Staaten einschließlich Frankreich, Österreich und Spanien vor allem Hellgrau und Weiß als Hauptfarbe ihrer Uniformen, wohingegen protestantische Armeen Dunkelblau oder Rot favorisierten. Es gab allerdings auch Staaten, die bewusst an eigenen Farbcodes festhielten. So beispielsweise Bayern, welches hellblaue Uniformen für seine Soldaten wählte. Die jeweils verwendeten exakten Farbnuancen wurden mit der Zeit allgemein mit dem dazugehörigen Staat assoziiert, was zu Farbbezeichnungen wie „preußischblau“ führte.

Die vielfältigen Wechsel und farbenfrohe Ausgestaltung in der Uniformmode der Armeen erhielten sich noch bis um 1900, ehe der Erste Weltkrieg sie vom Feld in die reinen Parade- und Galaensemble verdrängte. Da dieser Stil trotz ähnlicher Silhouetten so sehr mit der üblichen Zivilmode des 19. Jahrhunderts kontrastierte, liest man in diesem Kontext mitunter auch von der Uniform als dem männlichen Anteil der Mode.

Die Entwicklung der Uniformen in Württemberg

 Soldat der Württ. Reitenden Artillerie 1813 in Uniform mit Mütze, Bild 1 [Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart] Soldat der Württ. Reitenden Artillerie 1813 in Uniform mit Mütze
Soldat der Württ. Reitenden Artillerie in Uniform mit Mütze, 1813 [Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Signatur: M 703 R286N10]

Im Herzogtum Württemberg lässt sich eine sehr dynamische Entwicklung der Uniformgestaltung verfolgen.
Mit dem Regierungsantritt Carl Eugens 1744 wurde der äußerlichen Gestaltung der Soldaten ungekannte Aufmerksamkeit zuteil, obschon dies nicht der Militärorganisation oder Ausbildungsqualität entsprach. Der junge Herzog, der bis 1793 herrschte, hatte Gefallen daran regelmäßig Uniformen und Titel seiner Armee zu variieren. Besonders Manschetten und Kopfbedeckung änderten sich im Laufe der Herrschaft Carl Eugens regelmäßig und gattungsübergreifend.
Der in Berlin erzogene Herrscher glich seine Armee dem Aussehen ihres preußischen Pendants an und tauschte den vormals weißen Rock der Infanterie, gewählt in Anlehnung an Österreich, gegen das Blau der Preußen. Dabei achtete er – auch aus finanziellen Gründen – weit mehr auf das Erscheinungsbild als auf den Nutzen der soldatischen Ausstattung. Deren Minderwertigkeit zeigte sich vor allem in der fehlenden Schutzwirkung ihrer Gamaschen sowie dem Umstand, dass die Weste unter dem Rock lediglich aus einem angenähten Einsatz, nicht aus einem vollwertigen Kleidungsstück bestand. Dafür wurde großen Wert auf die korrekte Frisur mit den charakteristischen Locken an den Seiten und dem Zopf im Nacken gelegt.

Unter Napoleons Einfluss lehnte sich die württembergische Uniform dem französischen Vorbild an. Aber auch Preußen bezog sich mit Beginn des 19. Jahrhunderts und nach den Koalitionskriegen auf den französischen Stil der in den letzten Auseinandersetzungen überlegenen Armee. Weitere Veränderungen erfolgten in verschiedenen Schritten vor allem als Reaktion auf den sich wandelnden allgemeinen Zeitgeschmack.

Wie sich diese Entwicklungen im Detail gestalteten, lässt sich anschaulich am Beispiel einiger Illustrationen der reitenden Artillerie Württembergs nachvollziehen.

Die wohl gravierendste Veränderung der Uniform ergab sich nach der Französischen Revolution. Das Farbmuster wandelte sich von weißer Hose, gelber Weste und dunkelblauem Rock mit roten Umschlägen an Manschetten und Revers zu einer Kombination aus blauer Hose und kurzer Jacke ohne lange Schöße und mit schwarzem Brustteil, Kragen und Ärmelaufschlägen. 
Dazu kam die schwarze Binde in der Taille, die im Sinne der Empire-Mode auch bei Herren - und somit: der Uniform - hoch angesetzt wurde, und ein weißer Gurt, der von der rechten Schulter zur linken Hüfte führte. Gleich blieben die weißen, in den Ärmeln getragenen Handschuhe. Die zuvor über das Knie ragenden Gamaschen verkürzten sich zu die Waden umschließenden Stiefeln. Auch der Kopfputz wandelte sich. Statt Dreispitz und der charakteristischen Frisur aus weißem Zopf und seitlichen Locken wählte man nun einen kurzen Haarschnitt und trug darüber den Kaskett, einen rundlich nach oben gewölbten Helm. Dieser wurde bereits 1813 vom sogenannten Tschako, einem zylindrischen Hut mit Augenschirm und unter dem Kinn verlaufendem Halteband, abgelöst.

Soldat der Württ. Reitenden Artillerie 1817 in Uniform mit Mütze [Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart]
Soldat der Württ. Reitenden Artillerie in Uniform mit Mütze, 1817 [Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Signatur: M 703 R286N13]

Dieses unter napoleonischem Einfluss etablierte Modell erhielt sich mit geringen Variationen im Detail bis etwa 1817. Der weiße Schultergurt und der Tschako blieben zwar, der Schnitt und die Farbgebung der Uniform jedoch änderten sich. Die rot akzentuierte Jacke mit schwarzen Manschetten und Kragen reichte wieder bis zu den Knien. Außerdem wurden an ihren Schultern Epauletten angebracht.

Auf der farblich der Jacke entsprechenden Hose, die nun nicht länger in den Stiefeln getragen wurde, verlief rechts und links je ein roter Streifen vom Bund bis zum Saum. Der Tschako wurde mit schwarzer Wolle eingefasst und wirkte so deutlich wuchtiger.
Eine weitere merkliche Veränderung fand sich in der grundlegenden Silhouette der Uniformen. Ab 1817 erscheint die Taille deutlich definierter als zuvor. Um diesen Akzent, welcher sich aus der zeitgenössischen Alltagsmode ableitete, zu verstärken, etablierte sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Korsett für den Herrn, wie es gerade in militärischen Kreisen zur Vervollkommnung einer straffen Erscheinung große Beliebtheit genoss.

In den folgenden Jahrzehnten vollzogen sich weitere Veränderungen abermals vor allem in den Details. So variierte der Schnitt der Jacke vielfach, wies mehr oder weniger ausladende Schöße auf und kehrte mitunter auch wieder zu der gehrockartigen Form zurück, ohne jedoch die Länge des Jahres 1817 wieder zu erreichen. Der Tschako wurde schon ab 1838 wieder ohne Wollbesatz getragen und glich nun mehr der Form der napoleonischen Zeit, verschlankte sich ab 1845 allerdings noch mehr und nahm auch in der Höhe sukzessive ab. Mit Preußens Aufstieg zur maßgeblichen deutschen Macht und 1871 schließlich zu dem Staat, dessen König zugleich den Kaiser des Deutschen Reiches stellte, setzte sich der ursprünglich preußische „Helm mit Spitze“, besser bekannt als die Pickelhaube, auch in Württemberg als die maßgebliche militärische Kopfbedeckung durch.

Soldat der Württ. Reitenden Artillerie 1870 in Uniform mit Mütze [Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart]

Soldat der Württ. Reitenden Artillerie in Uniform mit Mütze, 1870 [Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Signatur: M 703 R286N15]

 

Literatur

  • Bender, Alexa, Männermode des 18. Jh., URL: http://www.marquise.de/de/1700/menguide/18men1.shtml (aufgerufen am 08.08.2020).
  • Funcken, Fred/Funken Liliane, Historische Uniformen. Napoleonische Zeit – 18. Jahrhundert und 19. Jahrhundert. Preußen, Deutschland, Österreich, Frankreich, Großbritannien, Rußland, München 1989.
  • Koch, Arwed Ulrich, Der modische Wandel der Uniform im 18. Jahrhundert, Reich und Württemberg (Offiziersportraits 1730 bis 1790), Sonderdruck der „Zeitschrift für Heereskunde“, Deutsche Gesellschaft für Heereskunde e.V. Beckum 1987.
  • Kohlhaas, Wilhelm/Stadlinger, L.J. von, Württembergische Uniformen von 1638 bis 1854.


Zitierhinweis: Carmen Anton, Gleichschritt und Herrenmode – die Militäruniform, in: Alltagskultur im Südwesten. URL: [...], Stand: 08.08.2020

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