Was ist die Stiftung Anerkennung und Hilfe?

Von Corinna Keunecke
 

Logo der Stiftung Anerkennung und Hilfe [Quelle: Stiftung Anerkennung und Hilfe]. Zum Vergrößern bitte klicken.
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Seit 2006 wurden in der deutschen Öffentlichkeit die traumatisierenden Erfahrungen ehemaliger Heimkindern nach 1945 politisch thematisiert. Um den Betroffenen zu helfen, haben Bund, Länder und Kirchen die Fonds „Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975" und „Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990" eingerichtet.

Auch Menschen, die als Kinder und Jugendliche in den Jahren 1949 bis 1975 in der Bundesrepublik Deutschland bzw. von 1949 bis 1990 in der DDR in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe oder der Psychiatrie untergebracht waren, haben dort oft Leid und Unrecht erfahren. Mehr noch als heute wurden Menschen mit Behinderungen oder psychischen Krankheiten in der Nachkriegszeit bis in die 1970er Jahre stigmatisiert und ausgegrenzt. Diese Erfahrungen wirken oft ein Leben lang nach. Die heute noch bestehenden Folgewirkungen reichen von körperlichen bis psychischen Beeinträchtigungen wie Traumatisierungen, Depressionen oder Schlafstörungen. Ein verweigerter oder erschwerter Zugang zu Bildung kann zu fehlender Schulbildung, geringeren Einkünften und frühzeitiger Erwerbslosigkeit führen. Ebenso bedeuten nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge finanzielle Nachteile bei der Rente. Viele Betroffene leben daher heute in prekären Verhältnissen.

Bereits im Abschlussbericht des Runden Tischs Heimerziehung wurden die Missstände in Einrichtungen der Behindertenhilfe und in psychiatrischen Kliniken thematisiert. Betroffene konnten aber nur dann Mittel aus dem Fonds erhalten, wenn sie durch ein Jugendamt ins Heim eingewiesen wurden. Viele Betroffene konnten daher keine Mittel aus dem Fonds Heimerziehung erhalten.

Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung aufgefordert, in Abstimmung mit den Bundesländern auch für diese Betroffenen ein Hilfesystem zu errichten. Für Menschen, die als Kinder und Jugendliche in der Zeit vom 23. Mai 1949 bis zum 31. Dezember 1975 in der Bundesrepublik Deutschland bzw. vom 7. Oktober 1949 bis zum 2. Oktober 1990 in der DDR in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe oder in stationären psychiatrischen Einrichtungen Leid und Unrecht erfahren haben wurde die Stiftung Anerkennung und Hilfe eingerichtet. Die Stiftung wurde von der Bundesregierung, allen Bundesländern sowie der evangelischen und katholischen Kirche zum 01. Januar 2017 gegründet und von diesen finanziert. Sie erfüllt die folgenden Aufgaben:

  • die öffentliche Anerkennung des Leids der Betroffenen
  • die gesellschaftliche Anerkennung der Erfahrungen von Leid und Unrecht durch wissenschaftliche Aufarbeitung
  • die individuelle Anerkennung durch persönliche Gespräche in den Anlauf- und Beratungsstellen
  • Unterstützung der Betroffenen durch finanzielle Hilfe.

Betroffene konnten sich an die Anlauf- und Beratungsstellen wenden, die in allen Bundesländern eingerichtet wurden. Eine zentrale Aufgabe der dortigen Beraterinnen und Berater ist es, die Betroffenen zu beraten, sie bei dem Prozess der persönlichen Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte zu begleiten und sie bei der Anmeldung bei der Stiftung zu unterstützen. Sind die Voraussetzungen für die Anmeldung erfüllt, erhalten die Betroffenen eine Geldpauschale. Unter bestimmten Voraussetzungen erhalten sie auch eine einmalige Rentenersatzleistung. Die Leistungen der Stiftung sind steuerfrei, werden nicht auf Sozialleistungen angerechnet und können nicht gepfändet werden.

Durch die Einrichtung der Stiftung wird das Leid benannt. Damit soll es die von den Betroffenen angemahnte gesellschaftliche Beachtung finden. Bund, Länder und Kirchen erkennen auf diese Weise die Missstände und Versäumnisse der Vergangenheit an und kommunizieren sie umfänglich.

Die Arbeit der Stiftung wurde von einem Forschungsprojekt begleitet. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kamen aus den Bereichen Medizingeschichte, Medizinethik, Geschichte, Ethik und Pädagogik. Sie untersuchten die Unterbringungssituation von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Behindertenhilfe und Psychiatrie in der BRD (1949 - 1975) und der DDR (1949 - 1990). Ziel war es, die Leid- und Unrechtserfahrungen wissenschaftlich zu erfassen und damit zu belegen, sowie Art und Umfang der Geschehnisse nachvollziehbar zu machen. Damit wurde ein wesentlicher Beitrag zur Bewältigung und Aufarbeitung des Erlebten auch in der Gesellschaft geleistet. Die Missstände der Vergangenheit sollten nicht nur aufgedeckt, sondern es sollten auch Lehren für die Zukunft gezogen werden. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts wurden im Rahmen einer digitalen Veranstaltung im Oktober 2021 vorgestellt.

Die Anmeldefrist für Betroffene endete am 30. Juni 2021. Bis zum 31. Dezember 2022 sollen alle Anmeldungen geprüft und abschließend bearbeitet werden.

 

Literatur:

  • Heiner Fangerau, Anke Dreier-Horning, Volker Hess, Karsten Laudien, Maike Rotzoll (Hrsg.): Leid und Unrecht. Kinder und Jugendliche in Behindertenhilfe und Psychiatrie der BRD und DDR 1949 bis 1990. Köln 2021, online hier verfügbar, auch als Kurzfassung und in Leichter Sprache.

 

Zitierhinweis: Corinna Keunecke, Was ist die Stiftung Anerkennung und Hilfe?, in: Heimkindheiten, URL: […], Stand: 21.03.2022.

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