Mädchenheim St. Franziskus Heiligenbronn

von Ewald Graf

 

Unterricht vollsinnige Mädchen 1950er Jahre: Unterricht der Fürsorgemädchen im Kloster Heiligenbronn in den 1950er Jahren [Quelle: Archiv Stiftung St. Franziskus]. Aus rechtlichen Gründen wurden die Gesichtszüge der abgebildeten Personen anonymisiert. Zum Vergrößern bitte klicken.
Unterricht vollsinnige Mädchen 1950er Jahre: Unterricht der Fürsorgemädchen im Kloster Heiligenbronn in den 1950er Jahren [Quelle: Archiv Stiftung St. Franziskus]. Aus rechtlichen Gründen wurden die Gesichtszüge der abgebildeten Personen anonymisiert. Zum Vergrößern bitte klicken.

Die Geschichte des Mädchenheims in Heiligenbronn bei Schramberg ist eng mit der Geschichte des Franziskanerinnenklosters verknüpft, denn schon eine Woche nach der Eröffnung des Klosters im Jahr 1857 wurden die ersten vier Mädchen aufgenommen, die der Fürsorge bedurften. Ziel der Betreuung dieser „Vollsinnigen“ (wie die Mädchen dann im Unterschied zu den Blinden und Gehörlosen im Mutterhaus bezeichnet wurden) war und blieb, eine gute schulische und religiöse Bildung zu ermöglichen und im Anschluss daran eine Anstellung als Dienstmädchen zu finden.

Ursprünglich wollten die Schwestern Waisen und von „Verwahrlosung“ bedrohte Mädchen in ihr Erziehungsheim aufnehmen. Der Bedarf zeigte sich aber als vielschichtiger und so wurden Kinder aus weiteren Gründen aufgenommen: es kamen Mädchen oder Geschwister aus verarmten und zerrütteten Familien, aus unehelichen Beziehungen, verhaltensauffällige Mädchen oder auch Kinder, die per Noteinweisung von Jugendämtern und der Caritas geschickt wurden. Manchmal wollten aber auch Eltern auf eigene Kosten ihrer Tochter eine konfessionelle Erziehung ermöglichen. Schulisch wurde ein Hauptschulabschluss ermöglicht, Handarbeiten und Hauswirtschaft gehörten außerdem zu den unterrichteten Inhalten. Oft vermittelten die Schwestern die Mädchen in eine Lehrstelle, eine berufsbildende Heimschule oder auch in ein Pflege- oder anderes Erziehungsheim. Das Heiligenbronner Mädchenheim war keine geschlossene Einrichtung. Aufgenommen wurden Mädchen im Schulalter.

Für Schule und Heim der „vollsinnigen Mädchen“ wurden 1969-71 großzügige Neubauten bezogen, mit Dreierzimmern und eigenem Bad. Die Jugendämter suchten allerdings verstärkt nach Alternativen für einen Heimaufenthalt wie Pflegefamilien und ambulante Familienhilfe. Der Bedarf für solche Heime sank daher, trotz der Modernisierungen. 1982, zeitgleich mit der Feier zum 125jährigen Klosterjubiläum, wurde die letzte Abschlussklasse dieser Mädchenschule verabschiedet und das Mädchenheim aufgelöst. Einige jüngere Mädchen wurden noch ins Jungenheim St. Antonius in Waldachtal übernommen. Die heutige Stiftung St. Franziskus bietet nach der Übernahme anderer Kinderheime wieder vollstationäre Plätze für Kinder und Jugendliche an.

Die Klassen und Wohngruppen des Mädchenheims waren im Alltag auf dem Klostergelände in Heiligenbronn streng getrennt. Vor allem wurde von den Schwestern und Betreuerinnen auf strikte Trennung der Geschlechter geachtet. Die Verletzungen solcher Regeln waren auch immer wieder Anlass zu Ermahnungen und Strafen. Aber auch innerhalb der Mädchengruppen lieferten die beengten Wohnverhältnisse bzw. anfänglich großen Gruppen in Verbindung mit der erzieherischen Strenge Konfliktstoff und verursachten leidvolle Erfahrungen.

Das Archiv und die Schwestern des Klosters bieten ehemaligen Schülerinnen und ihren Angehörigen Gespräch und Hilfe bei der persönlichen Aufarbeitung des Erlebten an. Im Archiv sind die Akten der Schülerinnen des Mädchenheims von 1919 bis zur Auflösung 1982 erhalten.
 

Kontaktadresse

Archiv der Stiftung St. Franziskus und des Klosters Heiligenbronn

Haus St. Raphael

archiv@stiftung-st-franziskus.de

Telefon 07422 569-3306

Adresse: Kloster 2, 78713 Schramberg

 

Zum Autor: Ewald Graf leitet seit 2018 das Archiv der Stiftung St. Franziskus. Zuvor war er Leiter des Referats Kommunikation und Mitbegleiter einiger geschichtlicher Projekte und Publikationen der Stiftung.
 

ZitierhinweisEwald Graf, Mädchenheim St. Franziskus Heiligenbronn, in: Heimkindheiten, URL: […], Stand: 09.02.2022.

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