Shavei Zion – ein schwäbisches Dorf am Mittelmeer?

von Beate Stegmann

Die Synagoge von Rexingen wurde bei der Pogromnacht 1938 schwer beschädigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie als evangelische Kirche eingerichtet, heute zugleich Gedenkstätte [Quelle: Landeszentrale für politische Bildung]
Die Synagoge von Rexingen wurde bei der Pogromnacht 1938 schwer beschädigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie als evangelische Kirche eingerichtet, heute zugleich Gedenkstätte [Quelle: Landeszentrale für politische Bildung]

Was wurde aus den Juden, die im Lauf der 30er-Jahre Deutschland verlassen konnten? Ein kleiner Teil schaffte es in Palästina Fuß zu fassen. 1937 beschlossen die Angehörigen der jüdischen Gemeinde Rexingen, eine der bedeutendsten und über das 19. Jahrhundert hinaus bestehenden südwestdeutschen Landgemeinden, die Auswanderung zu beantragen Treibende Kraft war eine Gruppe des Jüdischen Jugendbundes in Rexingen. Die Chancen auf einen Platz in Palästina standen nach 1936 nicht gut. Trotzdem konnte mit Unterstützung von jüdischen Verbänden und dem Engagement des aus Württemberg stammenden Otto Hirsch im Frühjahr 1938 das Dorf Schavei Zion – Rückkehr nach Zion gegründet werden. Die Siedlung liegt am Mittelmeer, im Norden des heutigen Israel, Unweit von Akko und der Grenze zum Libanon. Zur Gründungsgeschichte gehört die Errichtung einer kleinen Mauer-und-Turm-Siedlung an einem Tag, die nach weiterhin geltenden Gesetzen aus osmanischer Zeit nicht abgerissen werden durfte. Die anschließend erbauten Baracken und schließlich einstöckigen Wohnhäuser mit Walmdach erinnern kaum an ein schwäbisches Dorf. Als Besonderheit verfügt die Gemeinde über eine Synagoge, die derjenigen in Rexingen nachempfunden ist. Schavei Zion entstand als Moshav, einer Mischung aus sozialistischem Kibbuz und Raiffeisen-Genossenschaft. Mit der nicht kollektiven, privaten Bewirtschaftung und Haushaltung beschritten die Rexinger von Anfang an einen eigenen Weg, der nach dem Zweiten Weltkrieg ausgeweitet wurde. Zum Erfolg der Anfangsjahre trugen moderne Ackerbaumethoden und eine erfolgreiche Vieh- und Milchwirtschaft bei. Ab 1939 lebte der Journalist und Schriftsteller Leopold Marx in Schavei Zion, der viele Jahre das Textilunternehmen der Familie in Cannstatt geleitet hatte und dann mehrmals inhaftiert worden war. Er veröffentlichte 1960 eine umfangreiche Darstellung zur Geschichte des Ortes. Von den über 210 jüdischen Einwohnern, die 1933 in Rexingen registriert waren, überlebte mindestens ein Drittel die NS-Zeit.

Im Lauf der Jahre veränderte sich die Einwohnerschaft Schavei Zions. Mit Zugezogenen internationaler Herkunft verlor der Ort seinen schwäbischen Charakter. Zu den Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit gehören ein rückläufiger landwirtschaftlicher Sektor und die Integration vieler Juden aus Russland.

Weitere Informationen über Schavei Zion finden Sie:

Zitierhinweis: Beate Stegmann, Shavei Zion – ein schwäbisches Dorf am Mittelmeer?, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.

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