Elektrizität leicht erklärt:

Eine „Philosophische Betrachtung über die Erfindung, Eigenschaften und Wirkungen der sogenannten Wetterstangen oder (Blitz-) Ableiter“

Beispielhafte Darstellung eines Blitzableiters. Vorlage LABW (StAS Ho 1 T 7 Nr. 1578).
Beispielhafte Darstellung eines Blitzableiters. Vorlage LABW (StAS Ho 1 T 7 Nr. 1578). 

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Beispielhafte Darstellung eines Blitzableiters, bestehend aus durch Eisenketten miteinander verbundenen Metallstangen und deren Erdung auf der Vorder- und Rückseite des Gebäudes (Figura II), 1780. Über die bestmögliche Konstruktion der sogenannten Wetterstangen selbst (Figura III und IV), welche häufig mit Fahnenmasten oder Wetterfahnen kombiniert wurden, herrschte bis ins 20. Jahrhundert hinein Uneinigkeit. Franklin bevorzugte einfache Metallspitzen, im süddeutschen Raum setzten sich zunächst mehrspitzige, teilweise kunstvoll gefertigte Konstruktionen durch.

Während Gewitter, Blitz und Donner die Menschen heute hauptsächlich mit Faszination erfüllen, lösten sie in Zeiten, in denen man diesen Naturgewalten noch ungeschützt ausgeliefert war, Angst und Schrecken aus. Sie vernichteten Ernten, setzten Gebäude in Brand und kosteten Menschenleben – gemeinhin galten sie als Strafe Gottes, der einzig mit Gebet und Buße begegnet werden konnte.

Von Benjamin Franklins berühmtem Drachenexperiment 1752 und der damit verbundenen Erkenntnis, dass Blitze mit Elektrizität in Zusammenhang gebracht werden können, bis zur flächendeckenden Installation von Blitzableitern auf öffentlichen Gebäuden im 19. Jahrhundert war es ein weiter Weg. Die ersten Blitzableiter stießen nicht nur in der einfachen Bevölkerung auf Gegenwehr. Viele fürchteten, die neuen metallenen Gestänge auf den Dächern würden Blitze geradezu magisch anziehen und die Gefahren der Blitzschläge noch verstärken. Auch hielt man es für nicht statthaft, den von Gott gesandten Himmelsblitzen durch Menschenhand Einhalt zu gebieten.

Apparatur zur Erzeugung elektrischer Ladung mittels Reibung und Ableitung derselben, Illustration der Abhandlung Danzers, 1780. Vorlage LABW (StAS Ho 1 T 7 Nr. 1578).
Apparatur zur Erzeugung elektrischer Ladung mittels Reibung und Ableitung derselben durch elektrische Leiter zur Illustration der Abhandlung Jakob Danzers, 1780. Vorlage LABW (StAS Ho 1 T 7 Nr. 1578). Zum Vergrößern bitte klicken.

Fürst Joseph Wilhelm von Hohenzollern-Hechingen, der 1772 aus Kostengründen seine Hofhaltung in Hechingen auflöste und sich mitsamt Ehefrau und Hofmarschall für drei Jahre inkognito auf Reisen begab, verstand sich selbst als aufgeklärten Landesfürsten und dürfte an den europäischen Höfen die zum Amüsement aufgeführten Experimente zur Ableitung von Blitzen miterlebt haben. Dem Wunsch des heimgekehrten Fürsten folgend, die Theorie von den Wetterstangen oder Ableitern im Kurzen einzusehen, um sich zu überzeugen, daß es möglich sei, unsere Gebäude gegen die fürchterlichen Blitze drohender Wetterwolken zu bewahren, verfasste der Benediktiner und spätere Salzburger Professor für Moraltheologie Jakob Danzer aus Isny zum Neujahr 1780 eine 16­seitige naturphilosophische Abhandlung. Nach einer auf empirischer Forschung basierenden Einführung in das Wesen der elektrischen Ladung und Leiter beschrieb er anschaulich die Funktionsweise der Wetterstangen und bot an, bei Interesse eine Bauanleitung zu liefern.

Ob diese denn auch angefordert wurde, lässt sich den Akten jedoch ebenso wenig entnehmen wie der Zeitpunkt der Installation der ersten Blitzableiter in den hohenzollernschen Fürstentümern. In den 1820er Jahren waren Blitzableiter nachweislich auf einigen fürstlichen Gebäuden etabliert und als das Sigmaringer Residenzschloss 1879 mit gänzlich neuen und zeitgemäßen Blitzableiteranlagen aus-gestattet wurde, wusste der Bauinspektor zu berichten, die vorhandenen Ableiter, in die erste Periode der Anwendung solcher fallend also schon seit langer Zeit bestehend, seien ihrer Zeit gemäß aus einzelnen Flacheisenstangen zusammengesetzt und nun nicht mehr funktionstüchtig. Der Nutzen und die Notwendigkeit zum Ersatz der Blitzableiter waren 100 Jahre nach Danzers Plädoyer für die Wetterstangen unbestritten.

Sabine Hennig

Quelle: Archivnachrichten 60 (2020) S. 18-19.
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