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Der letzte Schliff - Edelsteinverarbeitung im Breisgau

Melchior Pfintzing und Hans Schäufelein: […] geschichten des loblichen streytparen vnd hochberümbten helds vnd Ritters herr Tewrdannckhs, Nürnberg, 1517, Kupferstich 21. Quelle Bayerische Staatsbibliothek
Melchior Pfintzing und Hans Schäufelein: […] geschichten des loblichen streytparen vnd hochberümbten helds vnd Ritters herr Tewrdannckhs, Nürnberg, 1517, Kupferstich 21. Quelle Bayerische Staatsbibliothek

Auf der Reise zu seiner Braut Maria von Burgund – die Hochzeit fand 1477 statt - stattete Erzherzog Maximilian von Österreich, ab 1508 Kaiser der Heiligen Römischen Reiches, der Stadt Freiburg im Breisgau einen Besuch ab. Dort geriet er mit seinen Schnabelschuhen beinahe in eine der Schleifmühlen der örtlichen Edelsteinverarbeitung. Die Episode fand Aufnahme in den 1517 veröffentlichten Theuerdank, einen autobiografischen Versroman. Das Ereignis betont die Bedeutung des Wirtschaftszweigs für das Haus Habsburg, der ebenso wie die Betriebe im nahen Waldkirch durch Privilegien gefördert wurde und beide Städte zu Zentren des Gewerbes machte.

Frühe Hinweise finden sich im 14. Jh. im Günterstaler Zinsbuch, wo pallierer in Freiburg und in den heute eingemeindeten Orten Wiehre und Herdern genannt sind. 1415 existierte für die Freiburger ballierknechte eine Bruderschaft der Gesellen, ab 1451 eine Bruderschaft der Bohrer und Ballierer. Noch bedeutender und eine der Haupterwerbsquellen war das Gewerbe im Städtchen Waldkirch. Hier sorgten zahlreiche Mühlen an der Elz für den Antrieb der Schleifscheiben. Mitte des 15. Jh. entstand die Sankt Anna-Bruderschaft von Balierern oder Kristallschneidern. Rund 80 Jahre später zählte Waldkirch etwa 1.000 Einwohner und 40 Meister der Edelsteinverarbeitung. In der Mitte des 16. Jh. gründeten Freiburg und Waldkirch eine gemeinsame Bruderschaft und beendeten die Konkurrenzsituation. Die Steine kamen oft von weither, wie die böhmischen Granate, die nach einem Erlass König Rudolfs II. (1552-1612) nur in Waldkirch verarbeitet werden durften. Selbst nach dem Niedergang im Dreißigjährigen Krieg blühte das Gewerbe hier dank staatlicher Unterstützung wieder auf.

Mit den territorialen Umwälzungen des 19. Jh. und dem Wegfall des Hauses Habsburg verschwanden die meisten Betriebe sowohl in Freiburg als auch in Waldkirch. Ende des 19. Jh. gab es dort nur noch zwei Schleifereien. Eines der letzten Relikte ist die Anlage des ins 18. Jh. zurückreichenden und bis heute erhaltenen Traditionsunternehmens Wintermantel, dessen bauliche und technische Ausstattung ein seltenes Zeugnis der Industrie- und Wirtschaftsgeschichte darstellt.

Zum Weiterlesen:
Die Edelsteinschleiferei Wintermantel. Einzigartiges Zeugnis des Gewerbes, das Waldkirch von 1450 bis 1800 prägte. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4 (2020) S. 273-278.

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