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Flößersprache

 

Langholzfloß auf einem Einbindeplatz bei Calw, 1918. Die seitlich liegenden Gestöre werden hinten angehängt, vorn die Lenkung. Quelle Landesmedienzentrum BW
Langholzfloß auf einem Einbindeplatz bei Calw, 1918. Die seitlich liegenden Gestöre werden hinten angehängt, vorn die Lenkung. Quelle Landesmedienzentrum BW

Holz aus den Wäldern des Südwestens stellte spätestens seit dem Mittelalter eine begehrte Handelsware dar. Wichtige Voraussetzung für den Vertrieb waren Flüsse und Bäche mit genügend Wasser, meist die einzige Möglichkeit zum Transport auf längeren Strecken und im Schwarzwald reichlich verfügbar. Die Stämme wurden nach dem Schlagen zunächst einzeln auf den Weg geschickt und dann zu Flößen zusammengebunden. Die Flößerei barg Gefahren, erforderte Geschick und Teamarbeit. Je nach Zielgebiet waren die Besatzungen Tage, Wochen oder Monate unterwegs. Ausdrücke des Flößerhandwerks mit ihren regionalen Varianten geben Aufschluss über das harte aber auch gewinnbringende Gewerbe. Zu den bedeutendsten Flößern des Schwarzwalds zählten die an Kinzig, Schiltach und besonders der Murg, die im Gegensatz zu den Rhein- als Waldschiffer bezeichnet wurden. Die alte Murgschifferschaft war eine Vereinigung von Holzhändlern, Wald- und Sägewerksbesitzern an der mittleren Murg mit Sitz in Gernsbach und Geschäftsbeziehungen bis nach Holland.

Die für den Schwarzwald typischen Gestörflöße wurden aus mehreren Teilen zusammengesetzt, die jeweils aus Holz gleicher Länge und Dicke bestanden. Der süddeutsche Holzhandel verwendete als zentrale Maßeinheit den Klotz. Ein Klotz bezeichnete Stämme bis zu 13 m Länge und durchschnittlich 26 cm Durchmesser. An den Einbindestellen schlugen die Flößer Löcher in die Stammenden. Als Verbundmaterial dienten Wieden, Seile aus jungen schlanken Hölzern, die durch Erhitzen und Wässern die nötige Biegsamkeit erhielten. An den Seiten der Flöße kamen dickere Eckbäume zu liegen, am vorderen Ende eine als Vorholz bezeichnete Spitze mit der Schlenkerung zum Steuern. Beim Einbinden und auf dem Wasser arbeiteten die Flößer im Gespann, meistens paarweise zusammen. Die fertigen Gestörflöße fuhren unter Größenbezeichnungen als Dreier oder Fünfer. Neben den Schiffern als Geschäftseignern durften die Flößerknechte der Kinzig auf eigene Rechnung Katzenflöße betreiben, die aus kleineren Hölzern und Brettern zusammengesetzt waren. Durch die Handelsbeziehungen fanden auch über größere Distanzen hinweg fremdsprachliche Begriffe Eingang in die Arbeitswelt. So nutzten die Kinzigschiffer Anmährpfähle zum Festmachen, eine ans Holländische angelehnte Bezeichnung. In anderen Gegenden, so am Neckar, kam zu diesem Zweck ein Esel zum Einsatz, ein hölzernes Gestell, das auch auf dem Floß mitgeführt werden konnte und hier zum Aufhängen und Befestigen mitgeführter Gegenstände diente.

Auf dem Weg zu den Abnehmern mussten die Flöße Hindernisse wie Stromschnellen oder Wehre passieren. An Mühlen und anderen Bauwerken waren Flößgassen eingerichtet. In den Wehren befand sich ein Floßloch, das mit einer brettartigen Diele, auch Gamber, an der Schiltach als Schnapper bezeichnet, geöffnet werden konnte. Für die Passage war ein festgesetztes Lochgeld zu bezahlen. Wegen des ausgeprägten Gefälles und der starken Strömung der Schwarzwaldgewässer wurden Sperren entwickelt, Bremsvorrichtungen, die an der Kinzig ab dem 17. Jh. zum Einsatz kamen. Sie drückten auf den Boden und verhinderten, dass sich die Gestöre übereinander schoben. Auch in früheren Zeiten entstanden durch Ausbeutung gravierende Schäden, blieben Rücksicht auf Natur und Umwelt zweitrangig. So erhoben sich Proteste, weil die Sperren die Fischbestände vernichten konnten. Das Abholzen der Wälder und die Floßbarmachung von Gewässern sowie das Ablassen der aufgestauten Wassermassen, die Schwallung für die Trift des geschlagenen Holzes, führten zu Erosion und Verödung.

Auf die Fahrt über die wilden Flüsse der Schwarzwaldtäler folgte der Fernhandel auf dem Rhein. Die hier eingesetzten Holländerflöße bewegten sich in gigantischen Dimensionen, besonders in der Blütezeit des Holzhandels ab der zweiten Hälfte des 17. Jh. Das Holländerholz umfasste Stämme von 18 m Länge und einem Durchmesser von ca. 30 cm und wurden an allen großen Rheinhäfen umgeschlagen. Neben dem Schwarzwald als Hauptliefergebiet kam das Holz auch aus anderen Mittelgebirgen, die über Zuflüsse zum Rhein verfügten. Das Hauptstück eines großen Holländerfloßes bestand aus einem unbeweglichen rechteckigen Kern mit einer Länge von bis zu 250 m, auf dem Hütten errichtet wurden, in der Waren und Mannschaft Platz fanden. Die Hütte der Floßherren konnte recht komfortabel ausgestattet sein. Die Besatzung übernachtete in einfacheren Unterkünften auf Stroh. An das Kernteil oder Steifstück schlossen sich bewegliche Knieteile an. Auf großen Flößen arbeiteten 500 Menschen und mehr. Die Flöße mussten durch Muskelkraft auf Kurs gehalten und je nach Wasserstand auch vorwärtsbewegt werden. Mitunter war es nicht möglich, unterwegs zu ankern. Wurde geankert, kamen spezielle Ankerknechte zum Einsatz, die die Ankervorrichtungen auch bei Kurswechseln zu bedienen hatten. Hundanker verhinderten das Abtreiben am Ufer. Die mit dem Floß verbundenen Ankernachen gehörten zu einem Tross mehrerer Beiboote, die das Floß begleiteten. Die Besatzungen verpflegten sich selbst über eine Kochstelle oder Küche. Zum Proviant für die schwer arbeitende Besatzung zählte Bier und lebendes Vieh. Das Verteilen der Mahlzeiten auf den langgestreckten Fahrzeugen erfolgte über hölzerner Zuber, genannt Back, den die Mannschaftseinheiten gemeinsam auslöffelten.

Ab dem 19. Jh. und mit der Industrialisierung veränderte sich die das Flößereigewerbe. Die Murgschifferschaft entwickelte sich zu einem Forstbetrieb auf genossenschaftlicher Basis, der bis heute existiert. Transportschiffe lösten die Flöße auf dem Rhein ab. Die Ära der Rheingiganten endete 1968 mit dem letzten gewerblichen Einsatz eines Holzfloßes.

Zum Weiterlesen:
Hans-Walter Keweloh: Fachwörterbuch der Flößerei. Unter Mitarbeit von Hans Harter, Eberhard Seelig, Martin Spreng sowie weiteren Mitgliedern der Deutschen Flößerei-Vereinigung. Stand: April 2014.

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