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Kleine Zeichen - Zur historischen Entwicklung der Siegel

 Huldigung der Pforzheimer Bürger als Leibeigene gegen Markgraf Bernhard I. von Baden am 16.07.1384
Huldigung der Pforzheimer Bürger als Leibeigene gegen Markgraf Bernhard I. von Baden am 16.07.1384 [Quelle: Landesarchiv BW; GLAK 36, Nr. 311]

Archivalien sind nicht nur im Blick auf die Texte und Inhalte, die mit ihnen überliefert werden, sondern auch durch ihre rein äußerliche Beschaffenheit als Quelle auswertbar und interpretierbar. Die Beschäftigung mit Urkunden schließt somit auch immer die Beschäftigung mit dem Siegel ein. Siegel wurden bereits im alten Orient sowie in der griechischen und römischen Antike verwendet, und bis heute werden Dokumente mit einem Amtssiegel beglaubigt, ohne welches sie keine Gültigkeit hätten. Die bedeutendste Zeit für die Verwendung von Siegeln war das Mittelalter und die angehende Neuzeit. Verwendet wurden Siegel damals für verschiedenste Zwecke: Als einfaches Erkennungszeichen, als Verschlussmittel von Briefen und Warensendungen, als Repräsentationsmittel der Siegelführerinnen und Siegelführer. Die am häufigsten überlieferte Verwendung ist allerdings diejenige als Beglaubigungsmittel von Urkunden: Urkunden waren (und sind) erst dann gültig und rechtswirksam, wenn sie besiegelt sind. Bedeutende Siegelführer und ihre Kanzleien besaßen seit dem 12. Jahrhundert mehrere Siegel: Besonders wichtigen und bedeutenden Urkunden war das sogenannte „Große Siegel“, das sigillum maius vorbehalten. Für weniger wichtige Geschäfte entstanden kleinere Siegel, von denen nach und nach meist mehrere, je nach Art des Rechtsgeschäfts, existierten: Das häufigste, für die laufenden Geschäfte verwendet, war das Geschäftssiegel oder sigillum ad causas. Das Sekretsiegel wiederum war ursprünglich nur als Verschluss-Siegel für Briefe verwendet worden, um das Geheimnis, das secretum des Briefes zu bewahren. Seit dem 12. und 13. Jahrhundert wurde es auch als sogenanntes contrasigillum, also Rück- oder Gegensiegel eingesetzt: Um Urkundenfälschungen zu erschweren, wurde auf die Rückseite des Großen Siegels noch ein weiteres, kleineres Siegel eingedrückt. Eine Urkunde war so erst rechtswirksam, wenn beide Siegel angebracht waren. Schließlich ist noch das Signet zu nennen: Dieses – häufig, aber nicht zwingend als Ring gestaltet – war ein Siegel, das nicht in der Kanzlei, sondern für private oder geschäftliche Briefe verwendet wurde. Es kam im 14. Jahrhundert auf und wurde dann meist auf das nun zunehmend verwendete Papier aufgedrückt.

Doch aus welchem Material waren die Siegel eigentlich? Im Mittelalter waren Siegel zum einen aus Metall. Abgeleitet vom lateinischen Ausdruck für Metallsiegel – bulla – wurden sie Bulle genannt. Zum anderen aber – und das war das am häufigsten verwendete Material – waren Siegel aus Bienenwachs, das entweder ungefärbt (eben wachsfarben) war oder – seit dem 12. Jahrhundert in Mode – gefärbt: schwarz, grün oder rot. Das Wachssiegel wurde ursprünglich auf die Urkunde aufgedrückt. Diese Anbringung aber war auf die Dauer unpraktisch, weil das Siegel häufig wieder abfiel und leicht beschädigt wurde, wenn man die Urkunde rollte. Ab dem 11./12. Jahrhundert wurde es deshalb angehängt, wie es auch bei der hier abgebildeten Urkunden der Fall ist: An der Urkunde wurde der untere Teil umgefaltet, so dass die sog. Plica entstand, und daran ein Faden oder ein Pergamentstreifen befestigt.

Pergamenturkunde mit Stadtsiegel von Bruchsal, 1265, (Quelle: Landesarchiv BW, HStAS A 489 U 163)
Pergamenturkunde mit Stadtsiegel von Bruchsal, 1265, (Quelle: Landesarchiv BW, HStAS A 489 U 163)

Dieser wurde dann bei der Besiegelung durch das Siegelwachs umschlossen. Da Wachssiegel zerbrechlich sind, wurden sie bereits seit dem Spätmittelalter mit Stoff- oder Pergamenthüllen geschützt oder in Holz- oder Metallkapseln gelegt. Im Verlauf der Jahrhunderte kamen auch andere Materialien auf: Seit dem 16. Jahrhundert finden sich Lacksiegel. Der Siegellack wurde dabei auf dem Papier verteilt und der Siegelstempel hineingedrückt. Oblatensiegel, aus Mehl hergestellt und mit einem Papier bedeckt, sowie reine Papiersiegel wurden mit dem Siegelstempel geprägt und mit einem Klebstoff aus Mehl auf dem Papier des Dokuments befestigt. Letztere werden bis heute beispielsweise auf notariellen Dokumenten verwendet. Seit dem 18. Jahrhundert schließlich findet sich der Farbdruck mit erhabenen Siegelstempeln, die ab dem 19. Jahrhundert aus einer Gummifläche gefertigt waren und heute üblicherweise verwendet werden.

Den ausführlichen Artikel von Wolfgang Krauth zu der Entwicklung der Siegel können Sie im LEO-Themenmodul „Südwestdeutsche Archivalienkunde“ weiterlesen.

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