Bonner Bildergeschichten

Der Ankauf schwäbischer Kunst durch den Bund 1949

Ausschnitt aus dem Brief von Kurt Weinhold an Walter Rosengarten vom 22. Oktober 1949. Vorlage LABW (StAS Wü 80 T 1-2 Nr. 624).
Ausschnitt aus dem Brief von Kurt Weinhold an Walter Rosengarten vom 22. Oktober 1949. Vorlage LABW (StAS Wü 80 T 1-2 Nr. 624). Zum Vergrößern bitte klicken.

Seit November 1946 leitete der Romanist Walter Rosengarten die Abteilung Kunst im Kultministerium Württemberg-Hohenzollern. Schon zuvor hatte er als Kunstreferent bei der französischen Militärregierung in Tübingen die junge regionale Nachkriegsmoderne in progressiven Ausstellungen lanciert. Entsprechend hoch waren die Erwartungen, als der Ausschuss für die künstlerische Einrichtung der Bundesgebäude im September 1949 an ihn und die übrigen Länder mit der Bitte herantrat, Werke noch lebender Künstler zur Ausschmückung der Bundesministerien in die Hauptstadt zu senden. Der Bund verpflichtete sich im Gegenzug, die jurierten Arbeiten zu erwerben.

Als Initiator der Verschönerungsaktion gilt der Staatssekretär im Bauministerium und Bonn-Macher Hermann Wandersleb. Er verstand den Ankauf weniger als Kunstfördermaßnahme denn als Dekorationskampagne für die gekachelten Flure und spartanisch eingerichteten Amtszimmer der ehemaligen Kasernengebäude, in denen man die Bundesministerien provisorisch untergebracht hatte.

Rosengarten stellte ein Expertengremium zusammen, das über eine vom Verband für Bildende Künstler Württemberg­Süd erarbeitete Liste abstimmte. Zu den Juroren zählten die Maler Jakob Bräckle, Julius Herburger, Johannes Wohlfahrt und der an der Bernsteinkunstschule lehrende Paul Kälberer, ergänzt durch den Kunsthistoriker Wilhelm Boeck, der in Tübingen lebhafte Debatten über Gegenwartskunst führte und seit 1946 am kunsthistorischen Institut der Universität Vorlesungen über moderne Malerei hielt. Aus der Korrespondenz mit den 23 Nominierten, etwa mit dem zu NS­Zeiten verfemten Calwer neusachlichen Maler Kurt Weinhold, geht hervor, unter welchen monetären Nöten man dem Auftrag entgegensah.

Das kunstpolitische Signal indes blieb aus. Ernüchtert resümierte Rosengarten in der Württembergischen Abendzeitung vom 22. Februar 1950, man hoffe nun, daß irgendein Ministerium die Aktion „Mehr Arbeitskraft durch Oelgemälde“ finanzieren werde. Der Unmut hatte vor allem mit den Entscheidungsprozessen in Bonn zu tun. Eine fünfköpfige weitgehend bayerisch und nordrhein-westfälisch besetzte Jury dezimierte die 800 Gemälde und Grafiken innerhalb eines Tages, damit die Herren zum Abendessen wieder zuhause sein konnten, auf 134. Anschließend lud man die zu Kunstsachverständigen beförderten Minister und Beamten ein, aus dem verbliebenen Fundus geeignete Arbeiten für ihre Büros auszuwählen. Das Votum polarisierte die Feuilletons: gegenstandslose, auch experimentellere Formate fielen zugunsten gefälliger Landschaften und Stadtansichten durch. Von den südwürttembergischen Arbeiten fand allein die konventionelle Hafenansicht Lindaus, ein preiswertes Aquarell von Ludwig Miller, einen ministerialen Abnehmer. HAP Grieshaber oder der in Sigmaringen ansässige Alfred Sohn-Rethel erhielten keine Stimme – ein Schicksal, das sie mit Willi Baumeister, Otto Dix und Emil Nolde teilten.

Nach langwierigem Ringen übernahm das Bundesfinanzministerium, neben den Speditionskosten, wenigstens den Ankauf der jurierten Kunstwerke. Wie sehr die regionale Kunstszene auf derartige Hilfen angewiesen war, belegt ein Schreiben des Verbandsvorsitzenden Gerth Biese im April 1950 an Rosengarten, in dem er anlässlich der kursierenden Nachricht, Bonn hätte eine zweite Bilderanfrage gestellt, monierte, dass Südwürttemberg in solchen Sachen sehr gerne übergangen wird.

Birgitta Coers

Quelle: Archivnachrichten 60 (2020) S. 54.

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