Als Baden um Hohenzollern warb oder wenn eine falsche Adresse peinlich wird

In den Akten der Tübinger Staatskanzlei erhaltene Abschrift des Einladungsschreibens mit Notizen des Staatspräsidenten Dr. Gebhard Müller. Quelle LABW (StAS Wü 2 T 1 Nr. 241, Bl. 5)
In den Akten der Tübinger Staatskanzlei erhaltene Abschrift des Einladungsschreibens mit Notizen des Staatspräsidenten Dr. Gebhard Müller. Quelle LABW

Die Umbrüche der Nachkriegszeit hatten in den Ländern der alliierten Besatzungszonen nicht nur Veränderungen in der politischen Landschaft, sondern auch im Bereich der regionalen Verwaltungsgliederung nach sich gezogen. So war in der französischen Zone das preußische Hohenzollern mit seinen beiden Landkreisen Hechingen und Sigmaringen im Oktober 1945 im Land Württemberg-Hohenzollern aufgegangen und der ehedem preußische Regierungsbezirk am 15. März 1946 offiziell aufgelöst worden. Die Stadt Sigmaringen hatte damit ihren Status als Sitz eines Regierungspräsidenten verloren. Nur im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung hatte mit dem so genannten Landesausschuss ein Relikt aus der preußischen Zeit überdauern können. Diesem Landesausschuss standen ein Landeshauptmann von Hohenzollern und sein Stellvertreter vor. Letzterer hieß Egon Müller und war im Hauptberuf Bürgermeister von Sigmaringen. Für Außenstehende waren diese verwaltungstechnischen Sonderregelungen in der Provinz kaum noch zu durchschauen.

So erging es auch dem Freiburger Oberlandesgerichtspräsidenten Dr. Paul Zürcher, CDU. Dieser hatte am 1. Februar 1949 im Auftrag seines Parteifreunds, des (süd-)badischen Staatspräsidenten Leo Wohleb, an den Herrn Regierungspräsidenten Dr. Müller in Sigmaringen eine Einladung zu einer vertraulichen Besprechung über die zwischen Württembergern und Badenern höchst umstrittene Frage der Neugliederung der südwestdeutschen Länder verschickt. Während Zürcher als Adressaten den stellvertretenden Landeshauptmann von Hohenzollern im Sinn hatte, glaubte ein aufmerksamer Postbeamter angesichts der nicht korrekten Titulaturen Regierungspräsident und Dr. einen Irrläufer vor sich zu haben. Folglich strich er das Sigmaringen auf dem Briefumschlag und setzte handschriftlich Tübingen, Staatskanzlei hinzu. Prompt landete das konspirative Schreiben auf dem Schreibtisch von Dr. Gebhard Müller (CDU), dem Staatspräsidenten von Württemberg-Hohenzollern. Wenige Tage später gelangte der Brief durch eine Indiskretion auch noch an die Presse. Das Treffen sollte am 18. Februar auf Burg Windeck bei Bühl tatsächlich stattfinden, wenn auch nicht mehr geheim und ohne die ursprünglich vorgesehenen Vertreter aus der Pfalz. Aus Hohenzollern war lediglich ein Verwaltungsbeamter als Beobachter zugegen. Diesem stellte Wohleb in Aussicht, dass Hohenzollern im Falle eines Anschlusses an Baden seine Freiheit wieder erlangen werde. Staatspräsident Müller verwahrte sich daraufhin in einem offenen Brief an Wohleb gegen den unerträglichen Eingriff des badischen Regierungschefs, der die hohenzollerischen Beamten zu einer schweren Pflichtwidrigkeit aufgefordert hätte. Wohleb konterte, dass es doch zweifellos ungewöhnlich sei, aus einer durch Bruch des Briefgeheimnisses erlangten Kenntnis politisches Kapital zu schlagen. Das Treffen sei rein privater Natur gewesen, bei dem befreundete Politiker und Privatleute verschiedener Parteizugehörigkeit es für richtig hielten, zusammenzukommen, um die ihnen ganz besonders am Herzen liegenden Fragen zu besprechen.

Das Ende der Geschichte ist bekannt. Wohlebs altmodisches Intrigantenstück, wie es in einer Glosse der Wochenzeitung Die Zeit vom 10. März 1949 hieß, blieb wie alle seine späteren Initiativen gegen die Bildung des Südweststaats ohne Erfolg. Seiner persönlichen Freundschaft mit Gebhard Müller tat die Affäre allerdings keinen Abbruch.

 Franz-Josef Ziwes

Quelle: Archivnachrichten 43 (2011), S.30-31.
 

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