Kriegsausbruch und Vogesenfront

Von Kurt Hochstuhl

 
Ein extremes Kampfgebiet: der verschniete deutsche Hauptgraben auf dem Kleinen Belchen (1915/16) (Quelle: Landesarchiv BW, GLA 456 F 105, Nr. 164 Foto 27 )
Ein extremes Kampfgebiet: der verschneite deutsche Hauptgraben auf dem Kleinen Belchen (1915/16) (Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 456 F 105, Nr. 164 Foto 27 )

Das Attentat am 28. Juni 1914 auf den österreichischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajevo wurde von der europäischen Öffentlichkeit zwar als sensationelles Ereignis wahrgenommen, Grund zur Beunruhigung schien aber zunächst nicht zu bestehen. Als nach der österreichischen Kriegserklärung gegen Serbien jedoch Russland am 30. Juli 1914 die Generalmobilmachung anordnete, setzte – entgegen dem Kalkül der Akteure – die Logik der gegenseitigen Bündnisverpflichtungen ein: Den Mittelmächten Deutschland und Österreich-Ungarn stand die Entente aus Frankreich, Russland und England als Hauptkriegsgegner gegenüber. Aufgrund der verwickelten politischen Lage fiel es allen Beteiligten leicht, sich selbst als Angegriffene zu positionieren. Die große Kriegsbegeisterung der Massen war indessen nicht so eindeutig und allgemein, wie oft dargestellt. Überall gab es auch Angst und Sorge, vor allem bei der einfachen Bevölkerung, besonders aber in Grenznähe am Oberrhein. Doch selbst die international organisierte Arbeiterbewegung ließ sich für die jeweils nationalen Kriegsinteressen vereinnahmen.

Im Schlieffen-Plan, der deutschen Strategie zur schnellen Niederringung Frankreichs und damit zur Verhinderung eines Zwei-Fronten-Krieges, waren das Elsass und große Teile Lothringens nur als Glacis vorgesehen, auf dem ein bewusst schwach gehaltener linker Flügel den eindringenden Feind binden musste, während die deutsche Hauptstreitmacht auf dem rechten Flügel die französische Armee umgehen und auf Paris vorstoßen sollte. Karlsruhe, Straßburg und Freiburg waren wichtige Drehscheiben bei der verkehrstechnischen Verteilung der an die Westfront eilenden Soldaten.

Schon in der ersten Kriegswoche überschritt das französische 7. Armeekorps aus Belfort die Grenze bei Altkirch und stieß zweimal bis Mülhausen vor, doch wurde es jeweils von deutschen Truppen zurückgeschlagen – die Front kam im Sundgau zum Stehen. Der Angriff am Oberrhein hatte nicht so sehr strategische, als vielmehr politische Gründe: Frankreich wolle ein Zeichen zur Befreiung seiner 1871 verlorenen Provinzen setzen. Tatsächlich konnte sich die französische Armee in den südlichen Vogesen festsetzen und einen kleinen Teil des Reichslandes mit dem Hauptort Thann unter ihre Verwaltung stellen. In den Hochvogesen flammten in den Folgejahren heftige Kämpfe um die strategisch günstig gelegenen Höhen des Hartmannsweilerkopfes und des Lingekopfes auf, die wie in einem Mikrokosmos den Charakter des Weltkriegs mit seinem Stellungs- und Grabenkrieg, den Materialschlachten und den hohen Verlusten an Menschenleben bei zumeist unbedeutenden und nur kurzfristig erzielten Geländegewinnen widerspiegeln. Das extrem schwierige Terrain bedingte dabei auf beiden Seiten auch den Einsatz von Eliteeinheiten wie den Gebirgs- oder Sturmtruppen. Oft genug geriet die elsässische Zivilbevölkerung zwischen die Fronten. In den Kampfzonen kam es zu schweren Zerstörungen. Außer in Ostpreußen waren nirgendwo auf deutscher Seite Front und Heimat so nahe beisammen, war die Bevölkerung so unmittelbar mit den Schrecken, aber auch mit der Sinnlosigkeit des Krieges konfrontiert, wie links und rechts des Rheins.

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