Die Comburg

Historische Entwicklung

Groß- und Kleincomburg. Copyright: LMZ BW
Groß- und Kleincomburg. Copyright: LMZ BW

Im Jahr 1078 stiftete Graf Burkhart von Comburg-Rothenburg im Bereich seiner Burg auf dem Umlaufberg des Kochers das Benediktinerkloster St. Nikolaus. Den Anstoß dazu gaben wohl die geistigen und politischen Auseinandersetzungen im Zeitalter des Investiturstreits. Die Stifterfamilie verfügte über großen politischen Einfluss und weit gestreuten Besitz vor allem in und um Würzburg, Rothenburg ob der Tauber und Schwäbisch Hall-Öhringen. Neben den Grafen gehörten zum Schenkerkreis an Comburg auch Adlige aus der Umgebung und außerdem einzelne Personen, die ebenso als Förderer des Kl. Hirsau im Schwarzwald bezeugt sind, dessen monastische Gewohnheiten Comburg wohl um 1086 übernahm. Die Vogtei über das Kloster übten zunächst die Brüder Graf Burkharts, Rugger und Heinrich, aus. Nach deren Tod um 1115 gelangte sie über die Staufer an das Reich und lag seit 1348 bei der Stadt Schwäbisch Hall, seit 1485 bei den Bischöfen von Würzburg. 1488 wurde das Kloster in ein weltliches Chorherrenstift umgewandelt. Die würzburgische Vogtei verhinderte, dass Comburg evangelisch wurde, obwohl viele Untertanen des Stifts der neuen Lehre anhingen. 1632–34 gehörte Comburg zu den Besitztümern des schwedischen Obersten Bernhard Schaffalitzky von Muckendell (1591–1641). In der zweiten Hälfte des 17. Jh. verstärkte das Stift die gegenreformatorischen Bestrebungen. Frei werdende Güter wurden nur noch mit Katholiken besetzt, sodass die Zahl der evangelischen Untertanen rasch abnahm. Die Berufung der Kapuziner nach Kleincomburg wie auch die Stiftung neuer katholischer Kirchen in Hausen/Rot und in Großallmerspann 1696 beschleunigte diese Entwicklung. In der Säkularisation 1802/03 kam Comburg an Württemberg und diente zunächst als Residenz eines württembergischen Prinzen. Von 1817–1926 hatte dort das Königliche Ehreninvalidenkorps, eine Versorgungseinrichtung für Veteranen des württembergischen Heeres, seinen Sitz. In den Jahren zwischen 1926 und 1945 nutzte man die Gebäude als Heimvolkshochschule und Steinmetzschule, als HJ-Heim und als Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlager. Seit 1947 ist dort die Pädagogische Akademie Comburg untergebracht, eine Fortbildungseinrichtung für Lehrer aller Schularten.

Besitzverhältnisse

Das Ausstattungsgut des neuen Klosters konzentrierte sich auf drei Schwerpunkte. Die Hauptmasse des Besitzes lag um Tüngental und Reinsberg, im Kochertal um Ingelfingen und Künzelsau sowie in und um Gebsattel (Kr. Ansbach). Der Streubesitz reichte bis an den Main und in den Raum um Mosbach und Buchen sowie in die Umgebung von Mainz. Seit der zweiten Hälfte des 13. Jh. geriet Comburg immer wieder in wirtschaftliche Krisen, die weder durch die Inkorporation von Pfarrkirchen (Gebsattel und Tüngental 1259, Steinbach mit St. Michael in Schwäbisch Hall 1287 und Erlach mit Gelbingen 1423) noch durch eine Aufteilung der Klostergüter zwischen Abt und Konvent 1343 überwunden werden konnten. Gegen Ende des 14. Jh. stabilisierte sich die wirtschaftliche Lage etwas, wurde aber seit 1450 erneut schlechter. Seit 1493 häuften sich die Güterverkäufe. Den Tiefpunkt seiner Wirtschaftsgeschichte erreichte Comburg in den Jahren 1521/25, als für ca. 11 300 fl. Güter verkauft werden mussten, um Schulden und aufgelaufene Zinsen zu bezahlen. Vier Besitzschwerpunkte blieben übrig, nämlich Steinbach und Teile von Hessental, das Fischach- und Rottal um Hausen/Rot, Großallmerspann und Gebsattel. In den genannten Dörfern hatte das Stift die Vogtei über die meisten Bauerngüter inne und übte dort auch das Niedergericht aus. Die hohe Gerichtsbarkeit über die comburgischen Untertanen lag – je nach Ort – in den Händen der Herrschaften Limpurg beziehungsweise seit 1713 Würzburg, Hohenlohe, Schwäbisch Hall und Rothenburg ob der Tauber. Im zweiten Viertel des 16. Jh. erholte sich das Stift wieder und gelangte zu bescheidenem Wohlstand. Umfangreiche Zehntrechte erwarb Comburg zwischen 1606 und 1613 in Vellberg und um 1690 in Weinsberg. Außerdem kaufte sich das Stift erneut 1717 – wie vor 1493 – in die Ganerbschaft Künzelsau ein. Am Ende des 18. Jh. befanden sich in folgenden Gemeinden mehr als acht Häuser in comburgischem Besitz: Steinbach (109), Hessental (37), Tullau (10), Gschlachtenbretzingen (8), Hausen/Rot (36), Scheuerhalden (24), Tüngental (17), Reinsberg (8), Enslingen (16), Winzenweiler (12), Erlinhof (9), Großallmerspann (18), Mistlau (9), Gaggstatt (12), Gebsattel (77), Rödersdorf (10). Am 1. Dezember 1802 ging die Verwaltung des gesamten comburgischen Besitzes mit etwa 3000 Seelen auf das Herzogtum Württemberg über. Der Gesamtwert der Herrschaft dürfte etwa 400 000 fl. betragen haben.

Soziale Zusammensetzung der Konvente

Neben zahlreichen Wirtschaftskrisen, Fehden und anderen äußeren Einwirkungen bildete die soziale Zusammensetzung der Konvente eine der Hauptursachen für den wirtschaftlichen und spirituellen Verfall der Benediktinerklöster im Spätmittelalter. Seit dem Beginn des 14. Jh. kennt man für Comburg zunehmend die Namen einzelner Mönche. Zunächst dominierten die Haller Patrizierfamilien und der mit ihnen versippte Niederadel aus der näheren und weiteren Umgebung. Seit etwa 1450 kamen immer mehr Angehörige der fränkischen Ritterschaft nach Comburg, das heißt Angehörige der adligen Familienverbände, die in den Würzburger und Bamberger Stiften die Dom- und Chorherren stellten. Diese adlige Exklusivität bedeutete den Zerfall der mönchischen Gemeinschaft in eine kleine Gruppe von Pfründeninhabern, die Privateigentum hatten und ein wenig regeltreues Leben führten. Eine Reform hätte eine Öffnung des Klosters für andere soziale Schichten bedeutet. Gegen den Willen der Stadt Schwäbisch Hall und des Benediktinerordens wandelte Bischof Rudolf von Würzburg 1488 das Kloster in ein adliges Chorherrenstift um. Er gab damit den Standesinteressen des fränkischen Niederadels nach, der verhindern wollte, dass bei einer Reform des Klosters der Bauersmann in das Spital des Adels gelangen könnte. Der Würzburger Domdekan Wilhelm Schenk von Limpurg (1434–1517), damals als Vormund seiner Neffen der Repräsentant der Schenkenfamilie, finanzierte diese Veränderungen. Er dachte wohl daran, das alte Begräbniskloster seines Geschlechts zu einem Hausstift der Schenken machen zu können. Dem Comburger Kapitel gehörten zunächst zehn, später zwölf adlige Chorherren an. Sie mussten mindestens 24 Jahre alt sein und die höheren Weihen – nicht die Priesterweihe – empfangen haben. Die Mehrzahl der Kapitulare besaß weitere Pfründen vor allem in den Domkapiteln und Ritterstiften in Würzburg und Bamberg. Sie hielten sich also nur zeitweise hier auf, bezogen aber ihre volle Pfründe. Jeder der dauernd hier residierenden Chorherren besaß ein eigenes Haus (Kurie) mit eigener Haushaltung. Vier solcher Kurien sind erhalten und tragen die Namen ihrer letzten Bewohner: Gebsattel-, Reischach-, Adelmann- und Wamboldbau. Die Leitung des Stifts lag in der Hand des Dekans. Er musste Adliger und Priester sein und trug die Verantwortung für alles, was dort geschah. Die comburgische Verwaltung leitete ein juristisch gebildeter Oberamtmann, der einem Stab von etwa 40 Personen mit verschiedenen Dienstaufgaben vorstand. Die gottesdienstlichen Pflichten im Stift versahen zwölf Chorvikare, von denen acht bis zehn die Priesterweihe empfangen hatten. Sie hielten die kanonischen Tagzeiten und begingen 101 Jahrtage mit größerer und kleinerer Totenliturgie. Hinzu kamen tägliche Messfeiern und die feierlichen Gottesdienste an Marien- und anderen Festtagen. Die Chorvikare bekleideten auch Klosterämter wie Bibliothekar und Organist oder versahen die Pfarrei Steinbach. Im Großen und Kleinen Vikarienbau hatten sie ihre Wohnungen, und in der Kosthalterei nahmen sie ihre gemeinsamen Mahlzeiten ein. Sie bildeten also fast eine klösterliche Gemeinschaft. Außer den Chorherren und Chorvikaren zählten zum geistlichen Personal des Stifts auch die vier katholischen Pfarrer in Steinbach, Hausen/Rot, Großallmerspann und Gebsattel sowie die elf evangelischen in Gelbingen, Tüngental, Reinsberg, Anhausen, Stöckenburg, Michelfeld, Haßfelden, Geifertshofen, Steinkirchen, Kocherstetten und Kirnberg.

Architektur- und Kunstgeschichte

In den ersten Jahrzehnten seines Bestehens, das heißt im späten 11. und frühen 12. Jh. erlebte das Kloster den Höhepunkt seiner Geschichte. Damals entstanden die 1088 geweihte Klosterkirche, eine flach gedeckte Pfeilerbasilika mit Chor und Querhaus im Westen, mit einer Krypta und vielleicht apsidialen Chorschlüssen im Osten sowie die achsial im Westen der Kirche gelegenen, größtenteils erhaltenen Konventsbauten. Zwei bis drei Handschriften aus dem 12. Jh. kann man als Zeugnisse einer Comburger Schreibschule anführen. Hervorragende Kunstwerke wie das Antependium, der Radleuchter und zwei seit dem 17. Jh. verschollene Kostbarkeiten, nämlich ein Reliquienkreuz und ein Antependium in Kleincomburg, werden gleichfalls einer Comburger Werkstatt zugeschrieben. In die erste Hälfte des 13. Jh. fällt die Erhöhung des Westturms sowie der Bau der beiden Osttürme und der Sechseckkapelle über dem Zugang zur Kirche. Die Zeiten des Verfalls des Klosters im Spätmittelalter brachten nur wenige kulturelle Impulse. Zwischen 1470 und 1520 erfolgte die teilweise Einwölbung der Kirche, der Bau der alten Propstei (Gebsattelbau) und des eigentlich gar nicht mehr notwendigen Wehrgangs im Osten des Stifts. Dekan Erasmus Neustetter (1551–94) ließ den Gebsattelbau erweitern, die alte Dekanei, den Wambold- und Adelmannbau neu errichten und die gesamte Anlage mit weiteren Mauern und Türmen umgeben, sodass das adlige Stift ein burgartiges Aussehen bekam. Unter seiner Regierung wurden auch alle Gebäude innen und außen mit einer Spätrenaissance-Bemalung versehen, die der Konstanzer Maler Michael Viol (1543 bis nach 1600) ausführte. Das besondere Interesse Neustetters gehörte seiner Bibliothek, die er ständig vermehrte und zu einer hochwertigen Sammlung von Handschriften und Drucken aus allen Wissensgebieten erweiterte. Im 18. Jh. gab es unter den Dekanen Wilhelm Ulrich von Guttenberg (1695–1736) und Johann Philipp Heinrich von Erthal (1736–71) wieder kulturelle Initiativen, die zunächst die Stiftskirche betrafen. Das romanische Münster wurde bis auf die Türme niedergelegt und 1706–15 als barocker Bau nach Plänen des Würzburger Baumeisters Josef Greissing (1664–1721) neu errichtet. In den nächsten Jahrzehnten entstanden weitere Gebäude innerhalb und außerhalb der Ringmauer des 16. Jahrhunderts. Dazu gehörten vor allem die nicht fertig gewordene, aus der Ferne schlossartig wirkende neue Dekanei, eine Chorherrenkurie (Reischachbau), der Archivbau (heute Pfarrhaus), die Obervogtei sowie umfangreiche, heute verschwundene Gartenanlagen samt einer Orangerie am Fuß des Bergs. Die adligen Bauten des 16.–18. Jh. liegen in einem großen Halbkreis um die Kirche und die alten Konventsbauten mit den Wohnungen der bürgerlichen Chorvikare. Die burgartige Anlage des 16. Jh. wurde im 18. Jh. zu einer geistlichen Kleinresidenz ohne Residenzstadt. 1830 verschwand der westliche Kreuzgangflügel mitsamt der Marienkapelle und dem ehemaligen Bibliotheksraum. 1962–80 wurden die Gebäude für die Zwecke der Akademie generalsaniert, sodass sich das alte Kloster und Chorherrenstift heute in einem hervorragenden Bauzustand befindet.

Kleincomburg

Die Kirche St. Ägidien in Kleincomburg wurde 1108 von Graf Heinrich, dem Bruder des Comburger Gründers, wohl als Prozessionskirche für das Kloster gestiftet. Chroniken des 16. Jh. und eine Urkunde von 1291 lassen die zeitweilige Existenz eines Frauenkonvents oder einer Frauensammlung als möglich erscheinen. Sicher bezeugt ist dort seit 1248 eine comburgische Propstei mit eigenem Vermögen, bei der 1265 ein Jahrmarkt abgehalten wurde. Die Umwandlung Comburgs in ein Chorherrenstift bedeutete das Ende der Propstei Kleincomburg. Zwischen 1594 und 1682 gab es dort ein kleines Armenspital, das 1684 zugunsten einer Kapuzinerniederlassung aufgehoben wurde. Die Kapuziner unterstützten vor allem den Pfarrer von Steinbach bei der Seelsorge in seiner weit ausgedehnten Pfarrei. Außerdem betreuten sie die wieder belebte Wallfahrt auf dem Einkorn und wirkten als Beichtväter und Prediger im Stift, von dem sie deshalb auch vollkommen unterhalten wurden.

Die Säkularisation 1803 beendete das seelsorgerliche Wirken der Kapuziner, die mehrheitlich in das Sammelkloster nach Ellwangen übersiedelten. Die Gebäude kamen zunächst an den Staat, 1821 an die Kirchenstiftung Steinbach. Sie dienten 1849–72 als Mutterhaus einer Schwesternkongregation und bilden seit 1877 einen Teil der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Hall.

Die Kirche St. Ägidius von Kleincomburg aus dem ersten Viertel des 12. Jh. gehört zu den hervorragendsten romanischen Sakralbauten im Land. Für die Kapuziner wurde 1684 die Kirche barockisiert und der um 1450 errichtete Offiziantenbau aufgestockt. Als einziges barockes Kunstwerk hat das wohl von Johann Heinrich Schönfeld (1609–84) geschaffene Hochaltarbild die Reromanisierung der Kirche nach 1877 überdauert. Der Architekt Josef Greissing errichtete 1711–13 für die Kapuziner das Kloster auf der Nordseite der Kirche. Eine Generalsanierung 1966–72 versetzte Kleincomburg in den heutigen sehr guten Bauzustand.

Rainer Jooß

Veröffentlicht in: Der Landkreis Schwäbisch Hall. Hg. v. der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Schwäbisch Hall (Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg). Ostfildern 2005, Bd. 1, S. 119ff. 
Suche