Die traumhaften Pläne des Wilhelm August Friedrich von Woellwarth

Entwurf in klassizistischem Stil von Landbaumeister Atzel in Ulm – Quelle LABW (StAL PL 9/3 Bü 762)
Entwurf in klassizistischem Stil von Landbaumeister Atzel in Ulm – Quelle LABW

Seht her, das bin ich. Zu allen Zeiten waren prächtige Bauten ein beliebtes Mittel der Reichen und Mächtigen, dem Rest der Welt ihren Erfolg und Reichtum vorzuführen. Das Bedürfnis nach Repräsentation, den Wunsch nach einem herrschaftlichen Wohnhaus als Statussymbol hatte auch Wilhelm August Friedrich von Woellwarth (geb. 1763). Der über 30 Jahre in fremden Militärdiensten gestandene, kriegserprobte und unverheiratete Offizier stieg 1809 in Württemberg zum Generalleutnant auf. Er hatte zu dieser Zeit erstmals das Bestreben, sich am Stammsitz seiner Familie in Essingen niederzulassen. Seine Mutter war dort 1806 verstorben und keines seiner zahlreichen Geschwister lebte in Essingen. Ein neues vornehmes Domizil im angesagten klassizistischen Baustil sollte es schon sein, entsprach doch das bestehende, um 1555 erbaute Woellwarthsche Schloss nicht mehr dem Zeitgeist. Wilhelm ließ sich zwischen 1809 und 1815 von vier verschiedenen Baumeistern unterschiedliche Pläne anfertigen.

Der erste Entwurf (A) stammt von einem Steinhauermeister aus dem Nachbarort, der seine Pläne zu einem zweistöckigen herrschaftlichen Gebäude mit französischen Beschreibungen versah und als bevorzugte Lage den östlichen Teil des Schlossgartens erachtete. Der Praktiker aus der Provinz errechnete die Kosten auf 9.211 Gulden. 1811 ließ sich der in Stuttgart wohnende Generalleutnant von Stuttgarter Baumeistern einen zweiten Entwurf (B) anfertigen. Kosten für das ansprechende Palais mit Unterkellerung: 14.195 Gulden. Den ambitioniertesten Entwurf (C) legt Landbaumeister Atzel aus Ulm vor. Statt des geforderten Kostenvoranschlags, zu dem ihm als viel beschäftigtem Architekten die Zeit fehlte, geht Atzel auf künstlerische und bautechnische Details ein. So gestaltete er einen weiten Balkon auf altgriechisch dorischen Säulen, um vorzüglich der vorderen Fassade den Charakter des Erhabenen, einer mit edler Simplizität verbundenen Würde zu geben. Doch auch der Stararchitekt kam nicht zum Zug. Den vierten Entwurf (D) für ein noch aufwendigeres Schloss ließ sich Wilhelm wiederum von einem bodenständigen Handwerker machen, der zwar nur eine einfache Bleistiftzeichnung, dafür aber einen dicken Kostenkatalog lieferte. Der stolze Baupreis: 17.686 Gulden.

Doch auf einmal aus der Traum von einem neuen Schloss. Mangels Liquidität? Mehr Schein als Sein? Und ob! Wilhelm erhielt zwar nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Militärdienst eine monatliche Pension, aber nach dem Einzug der Deutschordensgebiete brachen seine Einkünfte als Komtur der Kommende Weddingen (Westfalen) weg. Über die Entschädigungsleistungen führte er bis in die 1830er Jahre einen erbitterten Prozess mit der Königlich Hannoverschen Regierung und wandte sich in mehreren Bitt- und Protestschriften an die Deutsche Bundesversammlung. Allem Anschein nach lebte Wilhelm über seine Verhältnisse, konnte mit Geld nicht umgehen. Sein Schuldenwesen ist im Archiv der Freiherren von Woellwarth nachweisbar. Bereits 1813 verkauft er seine als Dotation erhaltenen Güter bei Dillingen. 1815 leiht er sich privat 400 Gulden um Schuhmacher, Schneider und Sattler bezahlen zu können, nimmt noch 1.100 Gulden beim Gräflich Fuggerschen Rentamt zu Niederalfingen auf. 1816 leiht ihm seine Schwester aus Weimar 2.300 Gulden, er kauft auf Raten Reitpferde bei Kaufmann Kaulla. In den folgenden Jahren werden seine Schuldverschreibungen bei Verwandten und Privatleuten immer mehr und höher. Nach dem Tod Wilhelms am 20. Juni 1839 sah sich die Familie gezwungen, mehrere Gläubigeraufrufe zu veröffentlichen, da gegen ihn so viele Schulden angemeldet worden sind, dass solche Gläubiger, welche kein Vorzugsrecht haben, im gerichtlichen Wege auch nicht einmal auf eine teilweise Befriedigung rechnen können. Die Familie versuchte, mit den Gläubigern eine gütliche Abfindung zu erreichen und konnte die Kredite des Lebemanns Wilhelm erst mehrere Jahre nach seinem Tod vollständig abbezahlen. Ein neues Schloss ist in Essingen bis heute nicht gebaut, es blieb bei den Träumen …

Ute Bitz

Quelle: Archivnachrichten 45 (2012), S.14-15.
 

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