„Ebenso zweckmäßig wie schön und würdig“ - Das Generallandesarchiv in Karlsruhe

Die beiden Magazintrakte des Generallandesarchivs und das Fotoatelier (rechts), 1909. Vorlage: Landesarchiv BW, GLAK
Die beiden Magazintrakte des Generallandesarchivs und das Fotoatelier (rechts), 1909. Vorlage: Landesarchiv BW, GLAK

Das Lob kam von entscheidender Stelle. In ihrem Bericht an die II. Kammer des Badischen Landtags hob die Budgetkommission am 23. April 1900 die architektonischen Vorzüge des neuen staatlichen Bauvorhabens in der Residenzstadt Karlsruhe hervor: Der Entwurf des Architekten Adolf Hanser (1858 –1901) sei ebenso zweckmäßig wie schön und würdig. Die Verbindung von Funktionalität (zweckmäßig), Ästhetik (schön) und repräsentativer Ausstrahlung (würdig) fand den Beifall des Landtags. Ohne Debatte wurde das Baubudget in Höhe von 1,6 Millionen Mark bewilligt.

Das Projekt war ambitioniert, die Rahmenbedingungen nicht ganz einfach. In einem gemeinsamen Gebäudekomplex sollten drei badische Zentralbehörden, nämlich Generallandesarchiv, Oberrechnungskammer und Verwaltungsgerichtshof, die dringend benötigten neuen Räumlichkeiten erhalten. Das nach langen Debatten ausgewählte Grundstück war nicht unbedingt ideal geschnitten. An der Bahnstrecke zur Schiffsbrücke in Maxau gelegen, besaß es einen fast trapezartigen Grundriss. Allerdings war der Grundstückpreis in Zeiten des Karlsruher Baubooms an der Wende zum 20. Jahrhundert für dieses Objekt vertretbar. Zudem konnte der neue Baukomplex eine wichtige Funktion als Verbindungsglied zwischen den repräsentativen Bauten der Innenstadt und dem bald entstehenden Villengebiet der wohlhabenden städtischen Oberschicht im Karlsruher Westen bilden.

Die im Landtag genehmigten Entwürfe des Architekten Adolf Hanser sahen eine lockere Bebauung des Areals durch einzelne Gebäude in Form einer Pavillon-Architektur vor. Josef Durm, badischer Oberbaudirektor und badische Instanz in Fragen der Architektur, belegte die Pläne mit bissigem Spott und vernichtender Kritik. Für den renommierten Architekten hatten staatliche Gebäude durch eine strenge, geschlossene Bauform, die sich aus dem Formenschatz der Renaissance zu bedienen hatte, die Autorität des monarchischen Staatswesens auszudrücken. Erst nach der Entmachtung des badischen Architekturpapsts  war der Weg frei für den Neubau. Allerdings war der schwer kranke Adolf Hanser 1901 verstorben. Die Planungen wurden durch den Architekten Friedrich Ratzel (1869 –1907) weitergeführt.

1905 war der Baukomplex fertiggestellt. In wesentlichen Teilen des Neubaus ist die Handschrift Ratzels zu erkennen: Die zunächst geplanten Steinfassaden wurden durch verputzte Außenwände ersetzt. Elemente des Barock und Rokoko, also des absolutistischen Zeitalters, finden reichlich Verwendung. Die oft abgebildeten Insignien der badischen Monarchie verdeutlichten ein letztes Mal vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs den politisch-herrschaftlichen Anspruch des Kaiserreichs. Die Archivmagazine mit ihren modernen stählernen Regalkonstruktionen wurden hinter großen Rundbogenfenstern, flankiert von Pilastern, versteckt.

Zwei füllige Putti schauen auf die Passanten auf der Nördlichen Hildapromenade herab. Die beiden Figuren haben Handschriften und Urkundenkonvolute neckisch unter den Arm geklemmt und weisen den aufmerksamen Gast darauf hin, was ihn im Gebäude erwartet, nämlich die Schatzkammer badischer Geschichte. 2011 haben die beiden freundlichen Kollegen des Archivs eine neue Aufgabe bekommen: Die Mauer, auf der sie seit mehr als 100 Jahren stehen, verbindet nun den Baukomplex von 1905 mit dem modernen Erweiterungsbau. Die beiden Putti lenken die Besucherinnen und Besucher zum offenen und einladenden Foyer hinter einer transparenten Glasfassade. Architektonische Kontraste spiegeln tief greifende Veränderungen im archivarischen Selbstverständnis wider.

 Wolfgang Zimmermann

Quelle: Archivnachrichten 51 (2015), S.52.

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