Neue Bau- und Repräsentationsformen im 18.Jahrhundert

Plan der Residenz Mannheim, zweite Hälfte 18. Jahrhundert – Quelle LABW (GLAK H Mannheim 1a)
Plan der Residenz Mannheim, zweite Hälfte 18. Jahrhundert – Quelle LABW

Der Wandel in der Auffassung von Herrschaft im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit brachte zwangsläufig auch neue Bau- und Repräsentationsformen hervor. Das gesteigerte Selbstverständnis des modernen Fürsten und sein absoluter Herrschaftsanspruch mussten für jedermann erfahrbar werden und fanden ihren Ausdruck schließlich in der Entdeckung der Achse. Zwar wurde eine in Rom bereits zur Zeit Papst Julius‘ II. (1503–1513) geplante Achse zwischen dem Petersdom und der Engelsburg erst Jahrhunderte später ausgeführt, jedoch instrumentalisierte offensichtlich schon wenige Jahre danach der Neubau des Schwetzinger Schlosses die Sichtachse zwischen dem Königstuhl über Heidelberg und der Kalmit im linksrheinischen Haardtgebirge zur Demonstration des kurpfälzischen Herrschaftsanspruchs über das Oberrheingebiet. Das ab 1599 von Seiten Württembergs betriebene Projekt Freudenstadt blieb ohne Schloss ein Torso.

Mit allen Konsequenzen gebaut wurde nach den Grundsätzen der Regelmäßigkeit am Oberrhein erstmals um die Wende zum 18. Jahrhundert im Auftrag des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden-Baden, des Türkenlouis, in Rastatt. Die dortige, nach der totalen Zerstörung im Orléans'schen Krieg ganz neu geschaffene Stadt und ihr Residenzschloss sind von einer Achse durchzogen, die von Ettlingen im Norden bis nach St. Louis im Elsass reicht. Darüber hinaus sind der Stadtgrundriss und das Straßennetz, soweit die Topographie im Bogen der Murg dies zuließ, regelmäßig gestaltet, im Zentrum nach dem Vorbild von Versailles mit dem Grundmuster des Drei- oder Gänsefußes. Von größter Originalität ist die bald darauf von dem Baden-Durlacher Markgrafen Karl Wilhelm inmitten des Hardtwalds gänzlich neu gegründete Stadt Karlsruhe. Den Mittelpunkt der Anlage bildet hier der Turm des Schlosses. Von diesem ausgehend durchziehen zahlreiche strahlenförmig angeordnete Achsen als Straßen und Richtwege die am Reißbrett entworfene und streng symmetrisch ausgeführte Stadt sowie den Wald und das ganze darum gelegene Land – bis auf den heutigen Tag.

Als schließlich 1720 der Kurfürst von der Pfalz seine Residenz von Heidelberg nach Mannheim verlegte, konnte er mit seinem ambitionierten Schlossbau an eine bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstandene, streng planmäßig angelegte Festungsstadt (Friedrichsburg) anknüpfen und diese buchstäblich krönen. Um das auf das Schloss bezogene Straßenkreuz von Hauptachse (Breite Straße) und Querachse (Planken) gruppieren sich innerhalb des Festungsberings exakt vermessene Quadrate, auf deren Grundlage es in der Mannheimer Innenstadt noch heute statt Straßennamen ein alphanumerisch bezeichnetes System von Planquadraten gibt. Zweck solch konsequenter Planmäßigkeit war das absolutistische Verlangen nach strikter Zuordnung von Stadt und Land auf den Fürsten und sein Haus:
Stets durchqueren die Achsen die vornehmsten Räume des Residenzschlosses – in Rastatt den Ahnensaal, in Karlsruhe den Festsaal, in Mannheim den Rittersaal – und stellen so den Fürsten mit seiner Dynastie und seinem Hof in den Mittelpunkt allen Geschehens.

Kurt Andermann

Quelle: Archivnachrichten 45 (2012), S. 9
 

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