Das Schützenfest in Biberach

Von Felix Teuchert

Kinderschützenfest in Biberach, 1913 [Landesfilmsammlung Baden-Württemberg]

Anders als der Name vermuten lässt, handelt es sich beim Biberacher Schützenfest – ähnlich wie beim Ravensburger Rutenfest – um ein Schulfest, das bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht und heute vor dem Beginn der Sommerferien gefeiert wird. Mit den namensgleichen Schießwettbewerben hat dieses Fest also nichts zu tun. Der Name des Biberacher Schützenfestes geht vermutlich darauf zurück, dass der Umzug der Schulkinder zum Schützenhaus auf dem Schützenberg führte. Als evangelisches Schulfest wurde das Biberacher Schützenfest erstmals 1650, nach anderen Quellen erstmals 1668 gefeiert. Ab 1703 hielten auch die katholischen Schulen ein solches Fest ab. Während des 17. und 18. Jahrhunderts fanden in der Reichsstadt also zwei Schützenfeste, ein katholisches und ein evangelisches statt. Erst seit 1824 gibt es eine gemeinsame, gemischtkonfessionelle Veranstaltung.

Die meisten Elemente des Fests stammen aus dem 19. und 20. Jahrhundert. 1816 trat eine Trommelgruppe auf, 1821 formierte sich eine Knabenkapelle, aus der die „Kleine Schützenmusik“ hervorging, die heute zu den ältesten Jugendblasorchestern in Deutschland zählt. Die sogenannten Schützentrommler und -pfeifer sind wohl als Kern und Ursprung des Schützenumzuges anzusehen. Seit 1910 findet auch, nach dem Vorbild des Ravensburger Rutenfestes, ein Wettschießen mit der Armbrust statt. Ursprünglich war das Wettschießen nur für die Jungen ab der 8. Klasse gedacht, doch die Mädchen, die sich mit dem ihnen zugewiesenen Ballwettbewerben nicht zufriedengaben, bestanden darauf, ebenfalls zum Armbrustschießen zugelassen zu werden. Mit Erfolg: 1976 durften beide Geschlechter am Armbrustschießen teilnehmen. Auch die „Heimatstunde“, die das NS-Regime einführte, hat sich bis heute erhalten, allerdings ohne ideologische Konnotation. Zu den Höhepunkten des neuntägigen Festes zählen mehrere Umzüge, darunter der Bunte Zug, bei dem die Biberacher Schulen ein vorher festgelegtes Motto kreativ in Szene setzen, ein Historischer Zug, der Figuren und Szenen der Biberacher Stadtgeschichte zeigt, und der Tanz der Jahrhunderte, bei welchem Tänze der verschiedenen Stände und Zünfte aus unterschiedlichen Epochen aufgeführt werden. Ein Großteil der Umzüge wird von den Schülerinnen und Schülern aus Biberach bestritten, aber es gibt mittlerweile auch generationenübergreifende Veranstaltungen, beispielsweise den „Tanz für Jung und Alt“ und den „Jahrgänger-Umzug“. Ein besonderer Höhepunkt – auch hier zeigt sich eine Parallele zum Ravensburger Rutenfest – ist das „Schützentheater“, das es seit 1819 gibt. Die Biberacher Kinder und Jugendlichen bringen hier jedes Jahr ein singspielartiges Märchenstück zur Aufführung.

Auch wenn die Schülerinnen und Schüler nach wie vor im Zentrum des Fests stehen, wurde aus dem Schulfest im Laufe des letzten Jahrhunderts ein stadtweit gefeiertes Volks- und Heimatfest. Mittlerweile gilt das Schützenfest in der ehemaligen Reichsstadt als wichtigstes Ereignis im Jahreslauf.

Literatur

  • Graupner, Christa/Schönberg, Susen, Das Biberacher Schützenfest, Biberach 1999.
  • Maeker, Ursula/Ruf-Sprenger, Gabi, 200 Jahre kleine Schützentrommler und –pfeifer. 1816-2016: Biberacher Schützenfest, Biberach 2016.

 

Zitierhinweis: Felix Teuchert, Schützenfest in Biberach, in: Alltagskultur im Südwesten, URL: […], Stand: 09.11.2020

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