Schwäbisch

Von Rudolf Bühler

 Die Dialekte Baden-Württembergs  
Die Dialekt- und Sprachräume in Baden-Württemberg [Quelle: Sprachatlas Baden-Württemberg, Universität Tübingen]

Das Schwäbische in Baden-Württemberg ist durch seine geographische Lage sozusagen „eingerahmt“ von den alemannischen und fränkischen Mundartgebieten unseres Landes. Dabei gibt es nicht nur sehr stabile Dialektgrenzen wie entlang des Schwarzwaldkamms oder zwischen Ostalb und Hohenlohe. Die schwäbischen Dialekte bilden mit ihren Nachbarn breite Übergangsgebiete, in denen es oft gar nicht möglich ist, die Mundart eines Ortes der einen oder der anderen Seite zuzuordnen. Besonders hier können sich die Mundarten verändern, indem Dialektmerkmale der einen Seite von der anderen im Laufe der Zeit übernommen werden. Das ist im ehemals vollständig alemannischen Gebiet am östlichen Bodensee der Fall, das nach der Gründung des Königreichs Württemberg unter den Einfluss der Verwaltung aus Stuttgart kam.

An der nördlichen Grenze besteht ein breites Übergangsgebiet zum südfränkischen Sprachraum, das sich vom Nordschwarzwald bis ins Hohenlohische erstreckt. Man kann innerhalb dieses Übergangsgebietes jeweils beide Dialektmerkmale erfassen, und es kommt häufig nur auf ein bestimmtes Wort oder die Aussprache einer einzelnen Person an, wie weit die jeweilige Lautung aus dem Schwäbischen nach Norden verbreitet ist. Im Osten reicht das Schwäbische noch weit über die Landesgrenze hinaus bis an den Lech, in Übergangsgebieten bis an den Chiemsee und im Süden bis zum Fernpass.

Sprachhistorisch ist das Schwäbische eigentlich ein recht junger Dialekt und entstand ab dem 15. Jahrhundert, als im Zuge der sogenannten „neuhochdeutschen Diphthongierung“ wie in großen Teilen des deutschen Sprachraums die langen Vokale ii und uu zu Doppellauten verändert wurden. So heißt es heute auch im Schriftdeutschen Zeit und Haus. Im Schwäbischen werden diese Laute jedoch nicht wie im Schriftdeutschen als ai und au gesprochen. Den schwäbischen Dialekten gemeinsam ist die „zentralisierte“ Aussprache ei oder äi und ou für diese Doppellaute. Weil diese Lautung in sehr vielen Wörtern vorkommt, eignet sich dieses Merkmal besonders gut, um damit unsere Dialekte räumlich einzuteilen. Weitere Lautungen werden gern herangezogen, um den schwäbischen Sprachraum weiter zu unterteilen. Die sogenannte „Schwäbische Senkung“, bei der die Vokale i und u in Wörtern, in denen sie vor n oder m stehen, als e bzw. o ausgesprochen werden (so wie in gsonds Kend für gesundes Kind), findet im Südschwäbischen nicht statt. Hier finden wir jedoch mit der Aussprache der alten ei-Laute in Wörtern wie breit oder heiß ein weiteres Merkmal, mit dem sich das Schwäbische einteilen lässt: Zwischen Bodensee, Stuttgart und Ostalb sagt man broet oder hoeß. Allein im Westschwäbischen hört man hierfür broat und hoaß.

West- und Zentralschwäbisch zeichnen sich durch ein gemeinsames Merkmal aus: Hier wurden nicht nur die alten langen ii und uu wie in Eis und Haus zu Doppellauten verändert, sondern auch die Laute ee und oo. So heißt es hier Schnai für den Schnee und graoß für groß.

Für das Ostschwäbische ist bei diesen Wörtern dagegen die Aussprache Schnäa und groaß charakteristisch. Die schwäbische Sprachlandschaft wird auch geprägt durch den Großraum Stuttgart, der auf unseren Sprachkarten immer wieder durch eine eigene Entwicklung auffällt. Einerseits wird die Sprache in einem Ballungsraum wie um Stuttgart dadurch geprägt, dass Menschen verschiedenster Herkunft sich stärker auf eine überregionale Sprachstufe verständigen, als das im Umland der Fall ist. So können Lautungen wie graoß für groß oder Kend für Kind als zu dialektal abgelehnt werden. Andererseits entstehen hier aber auch Ausgleichsformen, die nicht die Lautung aus dem Schriftdeutschen übernehmen, sondern eigene Ausdruckstypen bilden. So wird für Feuer oder haben nicht das hochsprachliche Foier bzw. habn verwendet, sondern es bilden sich aus Fuir und hao die neuen Kompromissformen Fäir und han.

Die Schwäbische Alb spielt entgegen der landläufigen Meinung keine Rolle als Sprachgrenze oder eigener Mundartraum.

Literatur

  • Bühler, Rudolf/Schupp, Volker, Wir sprechen (fast) alles außer badisch. Zur dialektgeographischen Situation in Baden, in: Badische Heimat 92, 2012, S. 268-276.
  • Klausmann, Hubert/Kunze, Konrad/Schrambke, Renate, Kleiner Dialektatlas. Alemannisch und Schwäbisch in Baden-Württemberg (3. Auflage) , Bühl/Baden 1997.
  • Klausmann, Hubert, Schwäbisch, Eine süddeutsche Sprachlandschaft, Darmstadt 2014.

 

Zitierhinweis: Rudolf Bühler, Schwäbisch, in: Alltagskultur im Südwesten, URL: […], Stand: 08.08.2020

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