Familienregister, Familienbücher

Von Christoph Florian

Familienregister von Dagersheim, Band 1 Nr. 1a, (Quelle: Stadtarchiv Böblingen A 17/4 Nr. 1)
Familienregister von Dagersheim, Band 1 Nr. 1a, (Quelle: Stadtarchiv Böblingen A 17/4 Nr. 1)

Definition der Quellengattung

Familienregister geben Auskunft über die verwandtschaftlichen Zusammenhänge einer Familie.[1] Sie wurden meist anlässlich einer Eheschließung angelegt. Der Eintrag in einem Familienregister umfasst drei Generationen, nämlich das Paar selbst, dessen Eltern und Kinder. Er fasst dabei Personenstandsfälle aus den anderen Personenstandsregistern (Geburts-, Heirats-, Sterberegister) zusammen.[2] Familienregister sind eine württembergische Besonderheit. In einem bei Eheschließung angelegten Blatt finden sich im Einzelnen Angaben über Herkunft, Abstammung, Eheschließung und mögliche Eheauflösung des Ehepaares sowie über dessen Kinder bis hin zu deren Eheschließung.[3]

Der zweite Teil der später eingeführten Familienbücher älterer Art und die Familienbücher jüngerer Art hatten die gleiche Aufgabe.[4] Bei dem Familienbuch älterer Art handelt es sich um ein 1938 in ganz Deutschland eingeführtes Personenstandsregister, das die Funktionen des Heiratsregister und im zweiten Teil gleich dem württembergischen Familienregister die familiäre Situation des Ehepaares abbildete. Mit der Novellierung des Personenstandsgesetzes 1957 übernahm das Familienbuch jüngerer Art bis 2008 dann mit einem veränderten Formular die Funktion des zweiten Teils des Familienbuchs älterer Art.[5]

Historische Entwicklung

Das Familienregister hat in Württemberg schon eine längere Tradition. Durch ein am 15. November 1807 erlassenes Generalreskript König Friedrichs von Württemberg führten die Kirchen in Württemberg seit dem 1. Januar 1808 neben den Kirchenbüchern gesonderte Familienregister. Die württembergische Verwaltung betrachtete die Familienregister auch nach dem Inkrafttreten des Personenstandsgesetzes 1875 als ein nützliches Mittel und wollte auf sie nicht verzichten.[6] Deshalb übertrugen die Ministerien der Justiz, des Inneren und des Kirchen- und Schulwesens durch Verfügung vom 26. Februar 1876 die Aufgabe der Familienregisterführung auf die kommunalen Standesämter. Durch eine Verfügung des Ministeriums der Justiz und des Innern vom 30. Oktober 1899 wurden „ausführlichere Bestimmungen zur ‚Führung der Familienregister‘ […] erlassen“. Der Inhalt dieser Verfügung galt dann fast unverändert bis zur Ablösung des Familienregisters durch das Familienbuch (neuerer Art) am 1. Januar 1958.[7]

Das Familienregister war für die württembergische Verwaltung wichtig, da es „ausführliche Auskunft über Familien- und Staatsangehörigkeitsverhältnisse“ der Gemeindebewohner gab. Es fungierte gewissermaßen als „Datenquerverbund“, vor dem kein „Datenschutz“ schützte.[8]

Durch die 1937 beschlossene und am 1. Juli 1938 in Kraft getretene Veränderung des Personenstandsgesetzes wurde das Familienbuch (älterer Art) eingeführt. Sein erster Teil beurkundete als Nachfolger des Heiratsregisters die Eheschließung, während der zweiter Teil der Darstellung der familiären Verhältnisse des Ehepaars diente. So vereinigte das Familienbuch älterer Art die Funktionen des Heiratsregisters und des württembergischen Familienregisters in sich.[9] Auch nach Einführung des Familienbuchs wurden die Familienregister in Württemberg zusätzlich zu den anderen Personenstandsregistern weitergeführt, jedoch keine neuen Einträge darin vorgenommen.[10]

Die Gründe für die Einführung des Familienbuchs in der gegebenen Form liegen in den Interessen des nationalsozialistischen Regimes. Der Religionsvermerk in beiden Teilen des Buchs und vor allem die Angabe der rassische[n] Einordnung der Ehegatten im zweiten Teil ermöglichten die Identifizierung möglicher jüdischer Vorfahren und machten das Familienbuch so zu einem Instrument der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik gegenüber den Juden.[11] Aufgrund der durch den Krieg erschwerten Arbeitsbedingungen für die Standesämter setzte allerdings die Vierte Verordnung zur Ausführung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes vom 27. September 1944, die am darauffolgenden 1. Oktober in Kraft trat, die Eröffnung, Fortführung und Berichtigung des zweiten Teiles des Familienstammblatts offiziell aus.[12]

 

Nach dem Krieg griff Württemberg wieder das alte Familienregister auf.[13] Am 24. Januar 1948 regelte das württembergisch-badische Innenministerium durch einen Erlass den Wegfall des zweiten Teils des Familienbuchs und führte das württembergische Familienregister im württembergischen Landesteil wieder offiziell ein.[14] In den Familienregistern, deren bestehende Einträge auf dem aktuellen Stand gehalten worden waren, konnten jetzt wieder neue Einträge vorgenommen werden. Zugleich wurde der bisherige zweite Teil des Familienbuchs durch ein verändertes Formular ersetzt.[15]

In den württembergischen Teilen des Landes Württemberg-Hohenzollern waren die bestehenden Familienregistereinträge ebenfalls von den meisten Standesbeamten weitergepflegt worden. Ab dem 1. Januar 1950 wurde das Familienregister dann in Württemberg-Hohenzollern offiziell wieder eingeführt und zugleich auf die hohenzollerischen Landesteile ausgedehnt.[16]

Die am 1. Januar 1958 in Kraft getretene Veränderung des Personenstandsgesetzes brachte die Einführung eines veränderten Familienbuchs in der Bundesrepublik Deutschland. Es wird als „wandernde[s]“ Personenstandsregister bezeichnet, da es dem Ehepaar in den jeweiligen Wohnort nachfolgte. Das Standesamt des jeweiligen Wohnorts führte es dann weiter.[17] Für Ehen, die vor 1958 geschlossen worden waren, konnte nachträglich noch ein Familienbuch neuer Art angelegt werden. Die bestehenden Familienregister wurden weitergepflegt, jedoch keine neuen angelegt.[18] Durch das neue Personenstandgesetz von 2007 erfolgte die Abschaffung des Familienbuchs neuerer Art.[19] Seit Ende 2008 werden in den Familienbüchern keine neuen Einträge mehr vorgenommen. Die bestehenden Einträge werden weiter gepflegt, die Verweise werden in den elektronischen Eheregistern und in besonderen Fällen in den Altregistern vermerkt.[20]

Aufbau und Inhalt

Die Familienregister liegen in gebundener Form vor, ebenso die 1938 eingeführten Familienbücher älterer Art. Die seit 1958 angefertigten Familienbücher jüngerer Art hingegen haben die Karteikartenform. Nach der Verordnung von 1876 sollten die Familienregister und -bücher chronologisch geführt werden. Bei jeder Eheschließung erfolgte die Anlage eines neuen Blattes.[21] Anfangs wurden die Bücher handschriftlich geführt, später dann maschinenschriftlich. Bei der Einführung wurde auch die Anlage eines alphabetisch geführten Registers angeordnet.[22]

Das 1876 eingeführte Formular war von Anfang immer gedruckt und änderte sich im Lauf der Entwicklung verhältnismäßig wenig. Es enthielt jeweils Vor- und Familiennamen, Geburtsdatum und -ort, Berufe sowie Datum und Ort der Eheschließung. Dazu kamen Vor- und Familiennamen, Berufsangabe sowie Wohnort der Eltern.[23] Schließlich folgten die Einträge für die künftigen Kinder der Eheleute, welche Vor- und Familiennamen, Geburtsdatum, -ort sowie Datum und Ort der Eheschließung und Namen der Ehepartner umfassten. Ein weiteres Feld war für den Eintrag von Todesort und –datum vorgesehen.[24] Die Religionszugehörigkeit wurde nicht abgefragt.[25]

Der zweite Teil des 1938 eingeführten Familienbuchs unterschied sich in seinem Formular, indem es mehr Angaben über die Eltern der Eheleute enthielt. Eine spezifische Angabe war jene der rassische[n] Einordnung der Brautleute.[26] Bei den Eheleuten und ihren Eltern wurde jetzt die Religion abgefragt. Auch gab es bei den Kindern getrennte Formularteile zu ehelichen Kindern, unehelichen Kindern weiblicher Abkömmling sowie zu adoptierten Kindern.

Nach dem Krieg wurde in Württemberg-Baden das Formular des Familienbuchs verändert. Durch die Verordnung von 1948 behielt es zwar seine alte Bezeichnung, doch vom zweiten Teil des Familienbuchs blieben nur noch die Namen der Eltern sowie deren Wohnort und mögliche sonstige Bemerkungen erhalten. Es war damit faktisch auf das alte Heiratsregister reduziert worden.

Im Formular des 1958 eingeführten Familienbuchs jüngerer Art fiel die Unterscheidung zwischen ehelichen, unehelichen oder adoptierten Kindern weg. Auch die Religionszugehörigkeit wurde nicht mehr abgefragt, sondern war eine freiwillige Angabe.[27]

Überlieferungslage und ggf. (vor)archivische Bearbeitungsschritte

Durch das Personenstandsgesetz von 2007 wurde der Zugang zu den Familienregistern und -büchern erleichtert. Die Abgabefrist orientiert sich an diejenige für die Heiratsbücher, die 80 Jahre beträgt. Das bedeutet, dass 80 Jahre nach dem Datum der Eheschließung, das im jüngsten Eheeintrag vermerkt ist, der entsprechende Band des Familienregisters in das Archiv kommt. Die zweiten Teile der Familienbücher älterer Art (1938–1957) kommen automatisch mit dem ganzen Band ebenfalls nach 80 Jahren in das Archiv. Die gleiche Frist gilt für Familienbücher jüngerer Art. Danach können Bücher, die für ab 1958 geschlossene Ehen angelegt wurden, frühestens ab 2038 in die Archive überführt werden. Dennoch sind schon Familienbücher jüngerer Art an Archive abgegeben worden. Es handelt sich dabei um die Familienbücher, die nachträglich für Eheschließungen angelegt wurden, welche vor 1958 geschlossen wurden.[28]

Familienregister liegen in dem für den Ort der Eheschließung zuständigen Kommunalarchiv. Die Familienbücher jüngeren Typus finden sich ebenfalls dort.[29]

Quellenkritik und Auswertungsmöglichkeiten

Wie die übrigen Personenstandsregister sind die Familienregister und Familienbücher eine hervorragende Quelle zur Familienforschung. Mittels dieser Quellengattung wird die Erforschung von Seitenlinien ermöglicht. Sie sind auch ein wichtiges Instrument bei Erbenermittlung. Nicht zuletzt sind die Familienregister und –bücher selbst Zeugnisse für die Tendenz neuzeitlicher staatlicher Bürokratien die Nutzung von Informationen über die einzelnen Bewohner durch Datenverknüpfungen immer effizienter zu gestalten.

Hinweise zur Benutzung

Weil die Unterlagen frühestens 80 Jahre nach der Eheschließung in das Archiv kommen, werden mögliche Einschränkungen wegen des Schutzes personenbezogener Rechte des Ehepaars sehr selten sein. Wahrscheinlicher ist es, dass in manchen Fällen für den Schutz der Rechte der Kinder des Ehepaares noch Sperrfristen gelten. Da für die Abgabe des Bands des Familienregisters das Datum der jüngsten Eheeintragung maßgeblich ist, kann es längere Zeit dauern bis der entstprechende Band an das Archiv abgegeben wird. Genannte Aspekte beeinflussen auch mögliche Digitalisierungsvorhaben.

Anmerkungen

[1] Mäder/Reichard, Änderungen, S. 14.
[2] Vgl. Stuber, Personenstandswesen, S. 69.
[3] Vgl. Schütz, Standesämter, S. 27.
[4] Vgl. ebd., S. 61 u. Stuber, Personenstandswesen, S. 69.
[5] Vgl. Fritz, Familienregister, S. 257.
[6] Schütz, Standesämter, S. 27.
[7] Peter, Familienregister, S. 254.
[8] Ebd., S. 256.
[9] Schütz, Standesämter, S. 61.
[10] Gesetze (1949), S. 3; Peter, Familienregister, S. 256.
[11] Dazu Schütz, Standesämter, S. 62f.
[12] Ebd., S. 75, 77.
[13] Ebd., S. 77.
[14] Gesetze (1949), S. 2f.; Peter, Familienregister, S. 256.
[15] Gesetze (1949), S. 2f.
[16] Peter, Familienregister, S. 256.
[17] Schütz, Standesämter, S. 87.
[18] Peter, Familienregister, S. 257.
[19] Vgl. Baumann, Schutzwürdigkeit.
[20] PStG VwV vom 29. März 2010, § 77.1.
[21] Verfügung (1876), S. 69f.
[22] Ebd., S. 70.
[23] Schütz, Standesämter, S. 28.
[24] Ebd.
[25] Ebd.
[26] Ebd., S. 62f.
[27] Stuber, Personenstandswesen, S. 70f. Dort ist auch das Formular abgebildet.
[28] Vgl. Baumann, Schutzwürdigkeit, S. 13.
[29] Peter, Familienregister, S. 258f.

Literatur

  • Baumann, Carolin, Die Schutzwürdigkeit von Daten in Personenstandsregistern und deren Einfluss auf archivische Arbeitsabläufe. Auswirkungen des Personenstandsgesetzes vom 19.02.2007, Bachelorarbeit FH Potsdam 2012, http://fiz1.fh-potsdam.de/volltext/diplome/12119.pdf (04.06.2017).
  • Mäder, Konrad/Reichard, Heinz, Die wichtigsten Änderungen des Personenstandsgesetzes 1957, Baden-Baden 1957.
  • Peter, Fritz, Das württembergische Familienregister, in: Das Standesamt 63 (2010), S. 253–259.
  • Schütz, Wolfgang, 100 Jahre Standesämter in Deutschland, Frankfurt a.M. 1977.
  • Stuber, Gerhard, Personenstandswesen. Eine Einführung (Praxishefte für das Standesamt), Stuttgart u.a. 1999.

Gesetzestexte

  • Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz (PStG VwV) vom 29. März 2010, in: Bundesanzeiger (2010/57a).
  • Gesetze, Verordnungen, Erlasse, Land Württemberg-Baden, in: Der Standesbeamte 2 (1949), S. 2f.
  • Verfügung der Ministerien der Justiz, des Innern und des Kirchen- und Schulwesens, betreffend die Fortführung der Familienregister. Vom 26. Februar 1876, in: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg Nr. 8, Stuttgart 1876, S. 69–76.

Zitierhinweis:  Christoph Florian, Familienregister, Familienbücher, in: Südwestdeutsche Archivalienkunde, URL: […], Stand: 07.07.2017.

 

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