null

"Der Kongress tanzt"

 

Das politische Gleichgewicht – Eine Eugene Delacroix zugeschriebene Karrikatur im Magazin Nain Jaune, Ausgabe 15, Mai 1815 [Quelle: Bodleian Libraries - Wikimedia gemeinfrei]
Das politische Gleichgewicht – Eine Eugene Delacroix zugeschriebene Karrikatur im Magazin Nain Jaune, Ausgabe 15, Mai 1815 [Quelle: Bodleian Libraries - Wikimedia gemeinfrei]

Ab dem 18. September 1814 tagte der Wiener Kongress. Vorangegangen waren die Niederlage Frankreichs in der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 und die Abdankung Napoleons im Frühjahr 1814. Der unter Napoleon mit einigen deutschen Staaten geschlossene Rheinbund löste sich auf. Im Ersten Pariser Friedensvertrag wurde vereinbart, alle beteiligten Mächte nach Wien einzuladen, um neue Regelungen auf europäischer Ebene zu schaffen. Gastgeber war Franz I. von Österreich, der bis 1806 als letzter Kaiser, hier Franz II., dem Heiligen Römischen Reich vorgestanden hatte. Die Leitung des Kongresses oblag dem konservativen österreichischen Außenminister Fürst Klemens von Metternich. Der Kongress stand im Zeichen der Restauration. Erneut ging es um Fragen der territorialen Zugehörigkeit, ältere Besitzverhältnisse sollten teils wiederhergestellt, Expansionsbestrebungen einzelner Mächte eingedämmt werden.

Im Herbst 1814 traf eine Vielzahl europäischer Fürsten in der Donaumetropole ein. Neben Zar Alexander I. von Russland nahmen Monarchen wie die Könige von Preußen, Dänemark, Bayern und Württemberg teil, jeweils mit Familie und Gefolge. Während diese nach außen repräsentierten - Der Kongress tanzt - oblag es den Diplomaten und Bevollmächtigten, die Verhandlungen zu führen. Schätzungsweise sollen sich neben den rund 260.000 Einwohnern Wiens etwa 30.000 Menschen zusätzlich in der Stadt aufgehalten haben. Die politischen Vertreter kamen in Kommissionen zusammen. Eines der Hauptziele war die Herstellung eines europäischen Gleichgewichts. Da außerdem machtpolitische Interessen in die Waagschale geworfen wurden, trieben die mit der Geschichte des Kongresses fast sprichwörtlich verbundenen Verzögerungen die Diplomaten zur Verzweiflung. Von besonderer Bedeutung und Gegenstand separater Unterredungen waren eine neue Ordnung für die deutschsprachigen Territorien und die damit verbundene Verfassungsfrage. Nochmals für Unruhe sorgte die Flucht Napoleons, der im Februar 1815 Elba verließ, in Südfrankreich landete und im Juni bei Waterloo besiegt wurde. Schon im Mai 1815 wurden die Verhandlungen, aus denen schließlich die auf den 8. Juni 1815 datierte Deutsche Bundesakte hervorging, wieder aufgenommen. Sie trägt die Unterschrift der Bevollmächtigten der deutschen Staaten. Die Artikel legen die Grundlagen zur Organisation und Verfassung des Deutschen Bundes fest.

Die Deutsche Bundesakte wurde Bestandteil der Wiener Kongressakte vom 9. Juni 1815, die die Großmächte unterzeichneten. Der Kern des Bündnisses bestand in der wechselseitigen Anerkennung und Respektierung der neuen Ordnung sowie Unterstützung bei revolutionärer Bedrohung. Die Hoffnungen von Anhängern der in den vorangegangenen Jahrzehnten entstandenen freiheitlichen Bewegungen, seien sie liberaler und demokratischer oder nationalstaatlicher Natur, wurden enttäuscht. Die alten Monarchien gingen gestärkt aus den Wiener Verhandlungen hervor. Die unter Napoleon neu geschaffenen Staaten wurden aufgelöst. In Frankreich und Spanien erhielten die Bourbonen ihre Autorität zurück. Frankreich konnte sich die Grenzen von 1792 sichern und musste die Saar an Preußen sowie Landau an Bayern abtreten. Ebenfalls an Preußen fielen Teile des Rheinlands und Westfalens. Das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg wurde, in Personalunion mit England, zum Königreich Hannover. Polen kam teilweise an Russland.

Österreich erhielt Tirol und mehrere norditalienische Gebiete, verlor aber die Niederlande und seine oberrheinischen Besitzungen. Insgesamt zog sich die habsburgische Regierung aus dem Südwesten zurück. Das Königreich Württemberg und das Großherzogtum Baden konnten ihren territorialen Status weitgehend behaupten. Die kleineren von der Mediatisierung um 1806 betroffenen sowie die der Säkularisation zum Opfer gefallenen geistlichen Territorien gingen leer aus. Gegenstand weiterer Verhandlungen wurden Streitfragen, wie mit Bayern um die schließlich zu Baden gekommene rechtsrheinische Pfalz unter Einbeziehung von Mannheim und Heidelberg.

Von historischer Bedeutung ist die in Wien zum Einsatz gekommene Konferenzdiplomatie auf europäischer Ebene, womit strittige Punkte möglichst in kooperativen Gesprächen geklärt werden sollten. Der Wiener Kongress gilt deshalb als Weichenstellung für die Schaffung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union. Trotz Restauration und bleibenden Forderungen nach mehr demokratischer Beteiligung ermöglichten die Ergebnisse eine fast vierzigjährige Phase des Friedens in Europa und damit auch Weichenstellungen für wirtschaftliche Veränderungen.

Weiteres Informationsmaterial finden Sie hier:

00

More Blog Entries

Suche

LEO-BW-Blog

Logo LEO-BW-Blog

Herzlich willkommen auf dem LEO-BW-Blog! Sie finden hier aktuelle Beiträge zu landeskundlichen Themen sowie Infos und Neuigkeiten rund um das Portalangebot. Wir freuen uns auf Ihre Kommentare zu den einzelnen Posts.

Über den folgenden Link können Sie neue Blog-Beiträge als RSS-Feed abonnieren: 

https://www.leo-bw.de/web/guest/blog/rss