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Die Technisierung und Rationalisierung der Landwirtschaft

 Lokomobile Plan (Quelle: LABW)
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Lokomobilen häufig auf abgelegenen Höfen zur Stromerzeugung eingesetzt. Hier bittet der Müller Karl Fr. Beck im Jahr 1904 um die Austellung einer Lokomobile [Quelle: Landesarchiv BW, StAF B 698/5 Nr. 6418]

Die Technisierung und Rationalisierung in der Landwirtschaft hatte, auch mit staatlicher Unterstützung, schon im frühen 19. Jahrhundert eingesetzt. Energiebasis blieb zunächst die Muskelkraft von Mensch und Tier. Bis zu den 1850er Jahren hatte sich eine große Erwartungshaltung an die Dampfmaschine aufgebaut. Nachdem sie bereits vorher in den Fabrikhallen ihren Dienst geleistet hatte, sollte sie nun auch den Agrarsektor revolutionieren. Der Agrarwissenschaftler Rudolf Theodor Simler (1833–1873) erklärte, dass „zwischen der Verbrennung von Nahrung im Tier- und Menschenkörper und der Verbrennung von Kohle in einem Fabrikofen ein ‚vollkommener Parallelismus‘ bestehe“. Die Dampfmaschine könne der landwirtschaftlichen Arbeit das bieten, was Mensch und Tier nicht zu leisten fähig seien. Sie müsse nicht gefüttert werden, keine Pausen machen und habe auch keinen eigenen Willen, der sich gegen das Arbeiten aussprechen kann.

Das tatsächliche Resultat der Anwendung von dampfbetriebenen Motoren auf den Feldern ließ allerdings zu wünschen übrig. Sie konnten nur stationär und mit Hilfe einiger Personen eingesetzt werden. Die Geräte, die von Tieren angetrieben wurden, blieben vorerst also die einzige Form der Modernisierung im Agrarsektor. Durch diese Umstände nahm im 19. Jahrhundert sogar die Bedeutung der landwirtschaftlichen Arbeitstiere zu. Diese von Pferden gezogene Dampfmaschinen, Lokomobilen genannt, trieben vor allem Dreschmaschinen, aber auch Sägen und andere Maschinen für die Hofarbeit. Mit der Erfindung des Dampfpflügens durch John Fowler 1860 gewann die Lokomobile neue Bedeutung. Sie stand am Ackerrand und zog den Pflug an einem Seil hin und her. Große Ackerflächen konnten in kürzerer Zeit bestellt werden. Wegen der hohen Anschaffungskosten der Lokomobile entwickelte sich ein „Verleihgeschäft“ und die ersten landwirtschaftlichen Genossenschaften entstanden.

Im Südwesten trug Heinrich Lanz in Mannheim maßgeblich an den Technisierungsprozessen bei: seit 1859 als Importeur englischer Produkte, ab 1867 auch als Hersteller eigener Maschinen. Insbesondere Lokomobilen und Dampfdreschmaschinen, die 1879 ins Produktionsprogramm aufgenommen wurden, verhalfen den Lanzwerken zu Weltruhm. 1956 wurde die Aktienmehrheit des Unternehmens durch den US-amerikanischen Landmaschinenhersteller John Deere übernommen.

Mit der Verbreitung der Elektrizität um 1900 und dem zunehmenden Einsatz von Traktoren seit den 1950er Jahren veränderte sich die Landwirtschaft und die Lebensmittelerzeugung radikal. Unter dem Eindruck der Hungerjahre des Zweiten Weltkriegs und um von Nahrungsmittelimporten unabhängig zu werden, wurde der „Grüne Plan“ als Förderprogramm für die Landwirtschaft aufgelegt. Die Flurbereinigung veränderte das Gesicht der Landschaft grundlegend: Äcker wurden zusammengelegt, Hecken verschwanden, um Platz und große Flächen für die Mähdrescher und andere raumgreifende Maschinen zu haben, asphaltierte Wirtschaftswege entstanden. Die Höfe wurden ausgesiedelt, die Tiere verschwanden aus dem Dorf. Viele kleine Bauern konnten mit den ständigen Erweiterungen und Neuinvestitionen nicht mithalten. Rund zwei Drittel der Höfe wurden  aufgegeben, die verbliebenen Betriebe haben sich dafür enorm vergrößert. Auch die Aufgaben der Bauern haben sich im Laufe der Jahrzehnte enorm erweitert. Zur Lebensmittelproduktion kommen die Pflege der Kulturlandschaft, die Erhaltung der Artenvielfalt und der Anbau nachwachsender Rohstoffe hinzu.

Mehr über die Entwicklung der Landwirtschaft lesen Sie im Themenmodul zur Südwestdeutschen Alltagskultur. (JH)

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