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Ein Leben „im Versteck“ - Die Lebensgeschichte von Ehud Loeb

Alte Judenschule und Synagoge am Johannesplatz in Bühl, um 1930. Während der Pogrome im November 1938 wurde die Synagoge durch Inbrandsetzung zerstört. Die Ruinen wurden zusammen mit weiteren Gebäuden der jüdischen Gemeinde abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 253]
Alte "Judenschule" und Synagoge am Johannesplatz in Bühl, um 1930. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 253]

Am 22. Oktober 1940 wurden rund 6.500 Menschen jüdischen Glaubens oder Herkunft in das französische Internierungslager Gurs deportiert. Von den rund 6.500 Deportierten überlebten nur die wenigsten, meist durch Flucht oder Untertauchen, im Ausnahmefall auch durch Ausreise in ein sicheres Drittland. Einer dieser Deportierten war der aus Bühl in Baden stammende Ehud Loeb.

Die Lebensgeschichte Ehud Loebs ist gut dokumentiert und wurde unter dem Titel „Im Versteck – Die Geschichte einer Rettung“ veröffentlicht. Die Geschichte betrachtet die Ereignisse aus der Perspektive des erwachsenen Ehud Loeb. Es ist jedoch kein autobiografisches Werk, vielmehr wurde es jugendgerecht in der Zusammenarbeit von Ehud Loeb selbst, sowie von Pädagoginnen und Pädogogen der International School for Holocaust Studies in Yad Vashem aufgebaut. Dem Werk angehängt sind zwei Kurzgeschichten, die Ehud Loeb in den Jahren 1996 und 1998 geschrieben hat und die von der Erfahrung des Verlustes erzählen.

Ehud Loeb wurde 1934 unter dem Namen Herbert Odenheimer als Kind von Hugo und Julchen Odenheimer in der Stadt Bühl geboren. Vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten lebten insgesamt 72 Jüdinnen und Juden in Bühl. Als am 1. April 1933 der Boykott gegen die jüdischen Geschäfte propagiert wurde, waren auch in Bühl ein Kaufhaus und mehrere andere Geschäfte davon betroffen. Schon 1935 waren zudem Übergriffe in der Bühler Synagoge gemeldet worden, bis sie während der Novemberpogrome gänzlich zerstört wurde. Am 22. Oktober 1940 wurden die 26 noch in Bühl verbliebenen Jüdinnen und Juden – alle diejenigen, die nicht durch eine sogenannte „Mischehe“ geschützt waren – nach Südfrankreich deportiert und im Internierungslager Gurs inhaftiert, unter ihnen auch die Familie Loeb. Über die Deportation heißt es in Loebs Kurzgeschichten:

An diesen Morgen im Oktober 1940 erinnere ich mich noch gut. Die Sonne schien in das kleine Zimmer in dem schrecklich überfüllten Haus, in dem alle Juden der Stadt zusammengepfercht waren. Hier lebten wir. Wir waren dreißig Personen. Darunter junge Menschen, Ältere und Kranke. Früh am Morgen war die Gestapo plötzlich bei uns eingefallen und hatte uns befohlen, innerhalb einer Stunde unsere Sachen zu packen. Pro Person zehn Kilo. Reisefertig sein.

Im Februar 1941 gelang es dem Kinderhilfswerk O.S.E Kinder aus dem Lager Gurs zu retten, unter anderen Ehud Loeb. Die Organisation Œuvre de secours aux enfants war zur Zeit des Zweiten Weltkriegs eine der Organisationen, die jüdische Kinder aus den Internierungslagern rettete und unter falschen Identitäten bei anderen Familien in Frankreich, der Schweiz oder auch Italien unterbrachte. Ab 1939 eröffnete sie zudem Kinderheime. Nach der Verschärfung der Lage in Frankreich und einigen Festnahmen von Mitgliedern der O.S.E arbeitete sie im Untergrund weiter.

Das Kinderheim Chabannes bei St. Pierre de Fursac war Ehud Loebs erste Station, doch als die Nationalsozialisten nach untergetauchten Juden suchten, musste er mit anderen Kindern fliehen und wurde bei Familie Roger im kleinen Dorf Buzançais versteckt. Diese mit der Résistance verbundene Familie nahm ihn einige Zeit auf, doch auch hier war die Unsicherheit zu groß und Loeb musste in ein anderes Heim und später zur Großmutter der Familie.

Nach der Befreiung musste Loeb erfahren, dass seine Mutter am 4. September 1942 und sein Vater drei Tage später nach Auschwitz deportiert worden waren. Beide wurden ermordet, wie auch die meisten anderen Angehörigen Ehud Loebs.

Nach dem Krieg kehrte er zu Familie Roger zurück und wurde von dort erneut in ein Kinderheim eingewiesen, wo die Kinder auf ihre Eltern oder Verwandten warteten. 1946 wurde Ehud zu Verwandten in die Schweiz geschickt und nahm den Namen seiner Adoptivfamilie – Loeb – an.

Dr. Ehud Loeb arbeitete als Archivar im Israel Museum in Jerusalem sowie als Dozent für Kunstgeschichte an der Hebräischen Universität. 2013 benannte die Stadt Bühl die bisherige Hindenburgstraße nach ihm. (JH)

Weitere Quellen:

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