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Viele Steine gab’s – die Anfänge der württembergischen Zementindustrie in Oberschwaben

Das Kulturdenkmal und Museum Kalkofen Untermarchtal, Quelle Schwäbischer Heimatbund
Das Kulturdenkmal und Museum Kalkofen Untermarchtal, Quelle Schwäbischer Heimatbund

Die Bewohner der Schwäbischen Alb hatten es nicht leicht: trockene, wenig ertragreiche Böden mit unzähligen Steinen, entstanden aus dem kalkigen Untergrund des ehemaligen Jurameers. Zwar ließ sich der Kalk als Grundlage für Baustoffe wie Mörtel und Anstriche oder als Dünger verwenden, doch war die Produktion nicht nur hier auf kleine, wenig gewinnträchtige Brennereien beschränkt. Ein historisches Zeugnis ist der Kalkofen mit Museum zur Geschichte des Kalkbrennens in Untermarchtal.

Erst im 19. Jh. zeigte eine Erfindung, dass sich das Kalkgestein hervorragend für die Herstellung eines neuartigen Zements nutzen ließ. James Parker hatte das Produkt 1796 in England unter dem Namen Romanzement als Patent anmelden lassen. Mit dem Namen sollte an die Mörtel der römischen Baumeister erinnert werden, auch wenn diese eine andere Zusammensetzung aufwiesen. Die Grundlage der Parkerschen Erfindung bildeten Kalkmergelgesteine mit hohem Tongehalt, die bei eher niedrigen Temperaturen gebrannt und dann vermahlen wurden. Das sonst notwendige Löschen entfiel. Dieser Zement ließ sich im Gegensatz zu älteren Rezepturen einfacher und kostengünstiger herstellen. Beim Vermischen mit Wasser band er schnell ab und wies eine hohe Stabilität sowie Wasserfestigkeit auf, was ihn sogar aus heutiger Sicht interessant macht.

Der englische Romanzement stieß auch beim württembergischen König Wilhem I. auf Interesse. Tonhaltiges Kalkgestein, den Hauptrohstoff, gab es auf der Alb in Hülle und Fülle, dazu die Wasserkräfte von Blau und Ach. So wundert es nicht, dass sich in Ulm und Umgebung die Anfänge der württembergischen Zementindustrie etablierten. Erste Versuche wurden ab 1830 in Tuttlingen und Gerhausen im Blautal unternommen. Kurz darauf stellte der Apotheker Gustav Ernst Leube aus Ulm die Produktion auf eine professionellere Basis. Er hatte bereits zu Gesteinen geforscht und ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit untersucht. Gegen Ende der 1830er Jahre begann die Herstellung von Zement für den Verkauf, der u.a. für Bauarbeiten am Münster verwendet wurde. Zahlreiche weitere Unternehmen entstanden - Auftakt der Industrialisierung in Oberschwaben.

Der neuartige Zement leitete eine Revolution im Baugewerbe ein. Mit entscheidend für den Erfolg war einerseits die Errichtung der Bundesfestung in Ulm, andererseits die Schaffung von Eisenbahnlinien. Zement wurde in Brücken, Bahnhöfen und Schwellen verbaut. Außerdem kam er in Tunneln zum Einsatz. Einer der ersten befand sich im Rosenstein zwischen Stuttgart und Cannstatt. Eine Besonderheit stellen einige Bahnwärterhäuschen der Donautalbahn dar, die ab 1865 entstanden.

Die ständige Verbesserung der Herstellungsverfahren lässt sich anhand der Bauabschnitte der Ulmer Bundesfestung verfolgen, wobei der Zement nur in bestimmten Bereichen zu finden ist. Immer neue Anwendungsmöglichkeiten wurden erprobt, vorrangig durch Gustav Leube. So entstanden Bauteile wie Röhren oder Wegplatten, vorgefertigte Elemente, mit denen ein schneller Baufortschritt zu erzielen war. Für guten Absatz sorgten darüber hinaus Vertriebs- und Exportmöglichkeiten über die Donau. Um 1870 ersetzte der hochwertigere Portland- den ursprünglichen Romanzement.

Die früheren Kalkbrennereien finden sich bis heute in Orts- oder Flurnamen, wie dem Ortsteil Kalkofen der Gemeinde Hohenfels im Landkreis Konstanz

Das Kulturdenkmal und Museum Kalkofen Untermarchtal zeigt eine Geschichte des Kalk- und Zementbrennens von der Römerzeit bis zur industriellen Herstellung in der Alb-Donau-Region, wo bis heute viele Produktionsstätten den Raum prägen.

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