Boll - Altgemeinde~Teilort 

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Typauswahl: Ortsteil – Historisches Ortslexikon
Typ: Teilort
Ersterwähnung: 1101

Ortslage und Siedlung
(bis 1970):
Der 1101 genannte Ort ist vermutlich der mittelalterlichen Ausbauphase zuzuordnen. Der Ortsname, der zuerst als »Bollo«, später häufig als »Bolle« erscheint, ist germanischen Ursprungs und spielt auf die geographischen Verhältnisse – runder Hügel – an. Allerdings finden sich auf der Gemarkung auch ältere Besiedlungsspuren, vor allem im Gewann Burgstall. Ein stark verflachter Grabhügel deutet auf ein hallstattzeitliches Grab (um 500 v. Chr.). Noch gut zu erkennen sind die Reste einer keltischen Viereckschanze (circa 0,5 Hektar), die vermutlich dem Gewann Burgstall auch seinen Namen gaben. Der Wall ist stellenweise noch bis zu 1 Meter hoch erhalten. Ganz in der Nähe, im Gewann Nollenbrunnen, lassen Scherben und Kleinfunde – darunter ein Silberdenar des Antoninus Pius – einen römischen Gutshof vermuten. Als typisches Straßendorf war Boll ursprünglich an einer Nord-Süd-Achse ausgerichtet, mit der Kapelle im Mittelpunkt. 1735 gab es insgesamt 16 Bauernhäuser und 15 kleinere Wohneinheiten. Der Schlatthof, an der Südwestecke der Gemarkung gelegen, scheint ursprünglich ein eigenständiger Herrenhof gewesen zu sein. Bereits 1491 ist das Gewann Hofäcker aber in die Zelgorganisation des Dorfes Boll eingebunden. Möglicherweise hat diese Vermischung zweier Gemarkungen zu jener uneinheitlichen Benennung der Boller Feldflur geführt, die sich in den Lagerbüchern abzeichnet: Neben den Zelgnamen »in Hofäckern«, »gen Sulz« und »uf Hülen« finden sich auch »in der Braitten«, »uff Schlath«, »gegen Härdlin« und »Bühel«. Die Boller Gemarkung erstreckt sich nach Westen bis zum Trauf des Neckarbogens, im Osten grenzt sie an die Feldflur von Bochingen und Sigmarswangen. Sie umfasst insgesamt gut 480 Hektar. Im 18. Jahrhundert wurde auf etwa der halben Fläche (781 Morgen) Ackerbau getrieben; hinzu kamen Wiesen und Gärten (185 Morgen), Weiden (223 Morgen) und Wald (288 Morgen). Bei Boll handelt es sich um ein kleines Straßendorf mit Neubauten in kurzen, siedlungsverdichtenden Querstraßen.
Historische Namensformen:
  • in Bollo 1101
  • ze Bolle 1296
Geschichte: Die frühe Geschichte Bolls ist eng mit dem Kloster Alpirsbach verknüpft. Bereits im Umfeld der Klostergründung wurde Boll 1101 von einem der Stifter, Adelbert von Zollern, an die Alpirsbacher Mönche überschrieben. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts treten die Grafen von Sulz als Ortsherren auf, sie verkauften das Dorf Boll allerdings im Jahr 1348 an einen Rottweiler Bürger. 1402 ging Boll dann durch Kauf (80 Gulden) an Cun von Brandeck über. Im weiteren Verlauf des 15. Jahrhunderts muss Boll dann wieder ans Kloster Alpirsbach gefallen sein, denn im Lagerbuch von 1491 werden für Boll insgesamt sieben Hofeinheiten (214 Jauchert Ackerland, 33 Mannsmahd Wiesen) verzeichnet. Mit der Aufhebung des Konvents und der Bildung des Klosteramts Alpirsbach ging Boll während der Reformationszeit an Württemberg über. Die »Ober- und Herrlichkeit« stand von da an uneingeschränkt den Herzögen von Württemberg zu. Neben den wechselnden Ortsherren verfügten bis ins späte 16. Jahrhundert vor allem die Oberndorfer Augustinerinnen – und später das Augustiner-Mannskloster – über Grundbesitz und Gültrechte in Boll (1534: 108 Jauchert Äcker, Wiesen und Wald). Im Jahr 1581 ging dieser Besitz jedoch im Rahmen eines Tauschgeschäfts fast vollständig an Württemberg über. Einen weiteren Hof in Boll teilten sich die Rottweiler Dominikanerinnen mit einem Sulzer Bürger. Dieser überschrieb 1497 seinen Anteil an die Klause zu Sulz, von wo dieser im Zuge der Reformation an die dortige Geistliche Verwaltung ging – also wiederum an Württemberg. Auch die Oberndorfer Johanneskaplanei war seit ihrer Gründung im Jahr 1475 mit einigen Gülten in Boll ausgestattet. Die Zehntrechte lagen urspünglich bei den Herren von Falkenstein. Sie gingen 1451 und endgültig 1470 an Württemberg über. Wie bereits die Herren von Falkenstein zogen auch die Württemberger den Zehnten in Boll nicht direkt ein, sondern verliehen ihre Rechte weiter – und zwar an die Oberndorfer Augustinerinnen, die ihr neues Lehen beim Lehensmann der Falkensteiner, Jörg von Leinstetten, auslösen mussten. 1559 trat das Augustiner-Mannskloster die Rechtsnachfolge des erloschenen Frauenkonvents an. Weil Boll auch nach der Reformation nicht zur eigenständigen Pfarrei erhoben wurde und somit keinen Pfarrer zu unterhalten hatte, verkauften die Württemberger ihre Zehntrechte schließlich. Ihre bisherigen Lehensleute, die Oberndorfer Augustinermönche, erwarben 1603 den Boller Zehnt (um 1000 Gulden). Bis zur Aufhebung des Klosters im Jahr 1806 war das evangelische Boll also katholischen Ordensleuten zehntpflichtig – den Getreidezehnten hatten die Bauern meist direkt ans Kloster zu liefern, der Kleinzehnt war verpachtet. Mit seinem kirchlichen Mutterort Wittershausen war Boll schon von alters her verbunden. Dort tagte das zuständige Dinggericht, und auch der württembergische Stabsvogt saß in Wittershausen. Rein innerdörfliche Angelegenheiten wie die Allmendnutzung, Überfahrtsrechte und Bürgergeld wurden jedoch direkt vor Ort geregelt. Ein Zeugnis dieser kommunalen Selbstverwaltung ist das Boller »Fleckenbüchlein«, das aus der Zeit von 1599 bis 1728 insgesamt 26 Einträge enthält. Neben kleineren Arrondierungen der Allmende wird vor allem die Verwendung von Quell- und Regenwasser geregelt – eine Renovation von Wegen und »Dorfflukhen« nach dem 30jährigen Krieg sieht ausdrücklich vor, dass selbst ein Wiesenbächlein in einen »trog auff die Allmandt« gelenkt werden soll. 1808 kam Boll zum Oberamt Sulz, 1938 Landkreis Rottweil.
Wirtschaft und Bevölkerung: Die vergleichsweise große und nur in sehr trockenen Jahren wasserarme Gemarkung bot für die wenigen Höfe, die Boll zu Beginn der Neuzeit umfasste, gute Entwicklungsmöglichkeiten: In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verdoppelte sich die Bevölkerung nahezu, und auch die großen Verluste des 30jährigen Kriegs konnten innerhalb von drei Jahrzehnten wieder ausgeglichen werden. Nach einer langen Zeit ruhigen Wachstums kam es in den späten 1790er Jahren allerdings zu einem leichten Bevölkerungsrückgang. Nicht allein die Besatzungslasten und Plünderungen im Gefolge der napoleonischen Kriege hatten den Menschen zugesetzt – in gleich zwei aufeinanderfolgenden Sommern wurde Boll von Hagelunwettern heimgesucht, denen im Jahr 1798 bei einem Schaden von 7685 Gulden fast die ganze Ernte zum Opfer fiel. Mitte des 16. Jahrhunderts hatte Boll etwa 90 Einwohner. Ihr gesamtes Vermögen belief sich auf knapp 1500 Gulden. Im Pro-Kopf-Vergleich lag Boll damit ungefähr im Durchschnitt des Klosteramts Alpirsbach. Vermögen über 500 Gulden besaß niemand im Ort, 13 (einschließlich Gesinde) besaßen bis zu 100 Gulden, sechs Personen zwischen 100 und 500 Gulden. Im Jahr 1735 gab es in Boll 35 Steuerzahler, darunter zwei Schmiede mit 40 beziehungsweise 60 Gulden Vermögen, einen Bäcker (50 Gulden), zwei Schuhmacher (30 beziehungsweise 50 Gulden), zwei Zimmerleute (30 beziehungsweise 50 Gulden), sechs Weber (30 bis 50 Gulden) und einen Schneider (60 Gulden).

Ersterwähnung: 1439
Kirche und Schule: 1353 erscheint Boll als Filiale der Stadt Oberndorf, dank einiger Stiftungen stieg es allmählich zur Kaplanei auf. Als 1439 die St. Nikolaus-Kapelle erstmals erwähnt wird, war dieser Status freilich schon wieder gefährdet. Denn mit Zustimmung der Heiligenpfleger veräußerte der damalige Kaplan einen Teil des Stiftungsvermögens. Danach wurde die Seelsorge für Boll wohl wieder von der Oberndorfer Remigiuspfarrei wahrgenommen. Das Widemgut der Boller Kapelle war als Erblehen ausgegeben, und noch bis ins 19. Jahrhundert bezog die Oberndorfer Pfarrei eine jährliche Gült. Außer der Kirche St. Nikolaus hat es am Rand der Gemarkung offenbar eine weitere Kapelle gegeben, denn im Jahr 1539 einigten sich die Boller mit der Stadt Oberndorf in einem Streit um Weiderechte – und zwar »ob Boller Staig derselbigen Halden, da vor ziten ein Capellin gestanden«. Mit der Reformation wurde das Dorf ins württembergische Wittershausen eingepfarrt und blieb bis 1836 dessen Filial. In Boll selber hielt der Pfarrer nur alle 14 Tage einen Nachmittagsgottesdienst ab, und besonders nach dem 30jährigen Krieg, als der Pfarrer von Vöhringen gleich drei Gemeinden versehen musste, wurde in Boll der Wunsch nach einem eigenen Pfarrer laut. Zu Spannungen mit den katholischen Nachbarn kam es vor allem wegen nicht gehaltener Arbeitsruhe an konfessionellen Feiertagen und bei »creutzfahrten« der Bochinger, die ihren Weg auch über Boller Feld nahmen. Bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts einigte man sich dann aber auf eine Route, die man für »nit mehr so überlästig« hielt. Nachdem die Boller Kinder zunächst in Wittershausen zur Schule gegangen waren, hatte der Flecken spätestens seit 1676 einen eigenen Winterschulmeister – einen Schuhmacher aus Vöhringen, der 10 Buben und 5 Mädchen unterrichtete. Das war nur etwa die Hälfte aller Kinder. Um 1770 besuchten dann zwar fast alle Kinder die Winterschule, aber nur 26 von 37 kamen auch den Sommer über. Und selbst als die Schülerzahl die Marke von 50 überschritt, mussten die Schulmeister noch in ihrer »eigenen Herberg die Schul« halten – allerdings wohl nicht für alle Kinder gleichzeitig. Erst 1801 konnte sich die Gemeinde auf den Bau eines öffentlichen Schulhauses verständigen. Die evangelische Pfarrei umfaßt auch den Ortsteil Bochingen; Kirche ursprünglich im gotischen Stil. Die Katholiken zur Pfarrei Böchingen.
Patrozinium: St. Nikolaus
Ersterwähnung: 1439

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