Neckartenzlingen - Altgemeinde~Teilort 

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Typauswahl: Ortsteil – Historisches Ortslexikon
Typ: Teilort
Ersterwähnung: 1080 [um]

Ortslage und Siedlung
(bis 1970):
Erste Besiedlungsspuren im Gewann »Einöde« links der Erms sind auf 2300 vor Christus (Jungsteinzeit) zu datieren. 18 Grabhügel im Rainerwald südwestlich des Orts verweisen auf die Hallstattzeit. 1903 stieß man bei Grabungsarbeiten bei der Spinnerei Gminder auf ein gepflastertes Stück der Römerstraße von Rottenburg nach Cannstatt. Die alemannische Besiedlung erfolgte vermutlich um 500 nach Christus (Reihengräberfunde östlich des Ortskerns). Die Erstnennung des Ortes (»Tuntzlingen«, vom Personennamen »Tunzilo«) erfolgte um 1080, als das Kloster Hirsau die Getreidemühle an der Erms, vermutlich von den Ortsherren, erworben hatte. Neben einer Rodungssiedlung im Wald Reusch bestanden abgegangene Hofanlagen im Gebiet Klettenbach (»Cretenbach«) und vermutlich am Hartwald im Grenzgebiet zu Mittelstadt. Der alte Ortsteil mit ursprünglichem Haufendorfcharakter liegt im westlichen Mündungswinkel von Neckar und Erms. 1721 zählte man 130 Gebäude, und die Flur teilte sich auf in 726 Morgen Äcker, 362 Morgen Wiesen, 331 Morgen Wald, 280 Morgen Weiden, 80 Morgen Weinberge und 54 Morgen Land zum freien Anbau. Besonders schweres Hochwasser gab es 1741, bei dem die alte Neckarbrücke so stark beschädigt wurde, dass 1742 eine neue erbaut werden musste. 1745 sind schwere Hagelschäden und eine große Viehseuche mit 248 Stück verendetem Vieh (86,7 Prozent des Bestands) verzeichnet. Eine Hungersnot gab es 1770/71. Im westlichen Mündungswinkel zwischen Erms und Neckar der alte Ortskern mit Fruchtkasten der Geistlichen Verwaltung Nürtingen von 1602 (Schießscharten) und 3 stattlichen Bauernhöfen des 16./17. Jahrhunderts (Fränkische Hofanlage). Ortserweiterungen jenseits des Neckars im Anschluss an das »Schlößle« aus dem 16. Jahrhundert (vormals »Burg zur Mühle«) sowie am Hang östlich der Erms. Nach dem Zweiten Weltkrieg neue Wohnsiedlungen in den Bezirken Oberer Rotenbach, »Fleckenäcker«, »Eichwasen«, Unterer Rotenbach, Rotenbach und »Spitzacker« aus vorwiegend Ein- und Mehrfamilienhäusern. Industrieanlagen im Ermstal und seit 1957 im Gebiet »Aule«.
Historische Namensformen:
  • Tuentzlingen 1100 [Kopialüberlieferung 16. Jahrhundert]
  • Tuntzlingen 1100 [Kopialüberlieferung 16. Jahrhundert]
  • Neccardentzlingen
Geschichte: Als frühe Ortsherren werden um 1100 die Herren von Tuntzlingen erwähnt: Adalbertus und sein Sohn Berngerus schenkten dem Kloster Hirsau insgesamt drei Huben »ad Rischga« (vermutlich eine Rodung im Wald Reusch). 1295 sind strittige Vogteirechte zwischen den Herren von Riet und dem Kloster Hirsau belegt. Im 14. Jahrhundert hatten die Kaib von Hohenstein die Ortsherrschaft inne. Nachdem Berthold Kaib der Ältere seinen Besitz 1335 der Lehenshoheit des Klosters Reichenau unterstellt hatte, erteilte letzteres 1406 die Erlaubnis zum Verkauf der Güter sowie größtenteils der Vogteirechte an Württemberg im selben Jahr. Mit Erwerb der Grafschaft Urach zwischen 1254 und 1265 hatte Württemberg bereits die Oberhoheit über den Ort erlangt. Zunächst Teil des Grötzinger Amts (bis circa 1484), zählte die Gemeinde anschließend zum Nürtinger Amt. Größter geistlicher Grundherr war das Kloster Hirsau (1726 mit 108 Morgen Äcker, 83 Morgen Wiesen, 58 Morgen Wald). Das Kloster Allerheiligen in Schaffhausen verkaufte seinen örtlichen Besitz 1524 an die Spitäler in Urach und Nürtingen. Letzteres erwarb 1526 mit den Stiftsgütern Tachenhausens weiteren Besitz im Ort. Das Stift Oberhofen bei Göppingen war seit 1448 Empfänger des Groß-, Wein- und Heuzehnts. 1534 wurde mit der Reformation die Geistliche Verwaltung in Nürtingen Zehntempfänger. 1458 wird erstmals ein Schultheiß genannt. 1526 sind zehn Richter und drei Männer »von der Gemeinde« erwähnt. Das erste Rathaus wurde vermutlich 1512 erbaut, stürzte aber bereits 1530 bei Hochwasser ein. Der Nachfolgebau verbrannte 1643 im 30-jährigen Krieg. Das bestehende Rathaus wurde 1680 erbaut. Die Herren von Tenzlingen errichteten vermutlich im 12. Jahrhundert die Burg oberhalb der alten Neckarmühle links des Neckars. 1268 befand sich die Burg zur Mühle in Besitz der Familie von Riet, 1365 der Kaib von Hohenstein. Nach dem Verkauf an Württemberg 1406 kaufte sie 1440 Wilhelm Dürner von Dürnau. Nachdem die Burg erneut an die Kaib gegangen war, zog sie 1471 wieder Württemberg an sich. Danach waren die Speth Besitzer der Burg, die 1484 in bürgerliche Hand verkauft wurde. 1515 erwarb die später geadelte Familie Spengler die Burg (bis 1614). 1525 verbrannte die Burg während des Bauernkriegs. Im 16. Jahrhundert erfolgte der Wiederaufbau als »Neckarburg«, später Schlössle genannt (Fachwerkbau auf gemauertem Sockelgeschoss). Nach wechselnden Besitzern kam die Anlage 1750 in bürgerliche Hand und wurde als Bauernhaus benützt. Neckartenzlingen gehörte zum Amt Grötzingen, seit dem 16. Jahrhundert Amt, Oberamt, Landkreis Nürtingen. Personen: Georg Liebler (1524-1600), Professor der Theologie, 1585 Rektor der Universität Tübingen.
Wirtschaft und Bevölkerung: Von circa 518 Einwohnern (115 Türkensteuerpflichtige) 1544 stieg die Bevölkerungszahl bis 1634 auf etwa 684 (152 Bürger). Nach der Schlacht bei Nördlingen 1634 suchte Soldateska das Dorf heim. Anschließend brach die Pest aus, die bis 1635 277 Bewohnern das Leben kostete. 1643 wurde das Dorf erneut überfallen. 1655 zählte man noch etwa 252 Einwohner (56 Bürger), was einer Überlebensrate von 36,8 Prozent entspricht. Erst ab 1742 (657 Einwohner) konnte der Bevölkerungsverlust des 30-jährigen Krieges annähernd ausgeglichen werden. 1749–66 sind 106 Personen als Auswanderer nach Pennsylvania belegt. Nach der Türkensteuerliste von 1544/45 wies der Ort folgende Vermögensstruktur auf: Auf 115 Schatzungspflichtige kam ein Schatzungsvermögen von 17 735 Gulden, im Durchschnitt 157 Gulden (Amtsschnitt 199 Gulden), wobei die Besitzer von 100 bis unter 500 Gulden mit 48 Prozent deutlich überrepräsentiert waren (Amtsschnitt 44 Prozent). In der Amtsschadensliste 1604 nahm der Ort dem Steueraufkommen nach den sechsten Rang von 26 Gemeinden ein, bei der Ordinaristeuer 1752 den fünften Platz. Haupterwerbsquelle in der Landwirtschaft war lange die Viehzucht (1765 278 Morgen Allmendeweiden). Für die bedeutende Schafzucht hatte die Gemeinde eine Schafweide. Aus der traditionell ausgeprägten Gänsehaltung im Ort erwuchs den Einwohnern der Übername »Neckargänse«. Die um 1080 von Hirsau erworbene Getreidemühle an der Erms gelangte 1468 durch Tausch an Württemberg, das sie 1480 als Erblehen ausgab, dabei wurde sie Bannmühle für alle Einwohner, welche vorher dem Neckarmühlbann unterstanden hatten. Ab 1571 konnte die Gemeinde nach und nach Besitzanteile an der Mühle erwerben. 1583 erhielt sie der Schultheiß als Träger in Erbpacht. Um 1585 wurde eine Sägmühle angeschlossen. Die 1295 erwähnte Neckarmühle hatte bis 1832 die Funktion einer Bannmühle für Altenriet, Dörnach, Pliezhausen, Schlaitdorf und Walddorf. Die Mühle wurde nach Verkauf durch die Kaib an Württemberg 1406, unabhängig von der Burg, an bürgerliche Müller verliehen. 1515 erwarben mit der Burg die Spengler zunächst einen Teil der Mühle. Die Mühle wurde vermutlich 1589 abgebrochen und neu errichtet. Sie hatte verschiedene Besitzer und Anteilseigner wie die Stadt Nürtingen 1661, die sie 1750 verkaufte. Der neue Besitzer Schiedt erhielt 1757 die herzogliche Holzfaktorei dazu (Handelsmonopol mit Flößereiholz). Der Ort war Neckar-Endstation der Langholzflößerei aus dem Schwarzwald geworden, als die Brennholzflößerei 1668 über die Erms einsetzte. Um 1740 stand eine Ölmühle südlich des alten Ortskerns an der Erms, die 1780 nördlich des Schießhauses verlegt wurde. Das Rathaus von 1512 diente bis zu seiner Zerstörung auch als Kelter des ehemals großflächig Weinbau treibenden Orts. Zuvor war die Kelter bei Altenriet zu benutzen, die dem Frühmesser der Martinskirche als Einnahmequelle diente. 1530 wurde eine neue hölzerne Kelter mit vier Kelterbäumen errichtet. 1758 abgerissen, folgte ihr ein Neubau mit steinernem Sockelgeschoss und drei Kelterbäumen (bis 1848 Bannkelter für alle Einwohner). Der 30-jährige Krieg brachte einen Einbruch des Weinbaus. 1721 waren wieder 80 Morgen bebaut. Daneben wurde zunehmend Obstbau (vor allem Steinobst) betrieben. Als ältestes genanntes Gewerbe im Ort gelten zwei Metzger (1559). 1721 werden daneben sieben Bäcker und ein Hafner erwähnt. Schankgerechtigkeiten waren mit der Neckarburg (bis 1904) und mit dem Hammetweiler Hof verbunden. 1721 gab es mit dem Hirschen, dem Ochsen (1787 Krone) und dem Lamm (alte Krone) drei Schildwirtschaften nebst zwei Gassenwirtschaften. 1781 erscheint erstmals ein Rößleswirt.

Name: Neckarburg (später Schlößle genannt)
Datum der Ersterwähnung: 1200 [13. Jahrhundert]

Ersterwähnung: 1275 [um]
Kirche und Schule: Um 1275 ist die Martinskirche erstmals urkundlich erwähnt. Der bestehende spätgotische Kirchenbau wurde 1518 errichtet. Das Martinspatrozinium ist 1535 nachgewiesen. Die Kirche wurde 1611 Grablege der Spengler. Im 18. Jahrhundert erweiterte man den Innenraum durch drei Emporen. Der Pfarrsprengel erstreckte sich auch über Altenriet, das sich 1684 im Streit über zu tragende Glockenkosten ablöste. Hammetweil gehörte zum Sprengel Mittelstadt. Um 1350 (1507 bestätigt) stifteten die Kaib eine Frühmesspfründe auf den Marienaltar. Ferner bestand eine Kaplaneipfründe am Altar des Heiligen Kreuzes. Das Patronat fiel im 14. Jahrhundert an Württemberg, das es an Peter von Rieth als Lehen ausgab. Dieser veräußerte den Kirchensatz 1365 an Benz Tettinger, Kirchherr von Metzingen. 1448 schenkte Graf Ulrich V. dem neu gegründeten Stift Oberhofen in Göppingen Patronats- und Zehntrecht. Mit der Reformation trat Württemberg 1534 wieder in diese Rechte ein. 1458 stiftete die Gemeinde eine Marienkapelle und Messpfründe am Neckar. In der Reformation wurde eine bestehende Sebastiansbruderschaft aufgelöst. 1552 ist von einem zuvor schon tätigen Schulmeister im Ort die Rede. 1557 wurde ein Schulhausbau angeordnet und 1559 realisiert. Da besuchten sechs bis sieben Knaben die Sommerschule. Im Winter waren es 36 Jungen, darunter aus Bempflingen, Riet und Schlaitdorf. 1783 wurde die Schule erweitert. 1785 zählte man 113 Knaben und Mädchen im Sommer und 126 im Winter. Schulmeisterstelle und Mesneramt wurden zunächst in Personalunion versehen. Spätgotische evangelische Pfarrkirche von 1518 mit Westturm und eingezogenem Chor. Dieser um 1629 zur Grablege der Spengler umgestaltet. St. Pauluskirche 1956. Katholische Pfarrei seit 1960.
Patrozinium: Hl. Martin
Ersterwähnung: 1535

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