Reichenbach an der Fils - Altgemeinde~Teilort 

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Typauswahl: Ortsteil – Historisches Ortslexikon
Typ: Teilort
Ersterwähnung: 1150 [um]

Ortslage und Siedlung
(bis 1970):
Die Reichenbacher Gemarkung wird durch die Fils in zwei Bereiche geteilt, die im Norden zum Schurwald und im Süden zum Vorland der Alb zählen. Neben der Fils sorgten die von Norden einfließenden Bäche für Wasserreichtum. Die landwirtschaftliche Nutzfläche folgte insofern den geographischen Gegebenheiten, als dass die an den Gewässern gelegenen Gemarkungsteile vorrangig als Wiesen und Weiden genutzt und die höher gelegenen Gebiete stärker für den Ackerbau verwendet wurden. Die Lage des Orts an der wichtigen Handels- und Fernstraße durch das Filstal brachte Vor- und Nachteile mit sich, war in jedem Fall aber bestimmender Faktor für dessen Geschichte. Auch Hochwasser suchten den Ort öfters heim, so dass man 1696 mit großem Aufwand den Flussverlauf teilweise nach Süden umlenkte. Trotzdem folgten 1750, 1769, 1789 und 1817 Überschwemmungen mit großen Schäden. Von den 1383 Morgen der gesamten Gemarkung waren 1737 über 365 Morgen Wald in Gemeindebesitz, ebenso 163 Morgen Weideland. Privat genutzte Äcker umfassten 363 Morgen, die Nutzfläche der Wiesen und Mähder war mit 357 Morgen fast gleich groß. Kleinere Einheiten waren die 44 Morgen Gärten, die 13 Morgen Kraut-, Hanf- und Flachsländer und die 22 Morgen Weingärten. Nur 38 Morgen der Gesamtfläche wurden damals nicht bebaut. Der Weiler Siegenberg entstand an einer 1692 neu errichteten Verbindungsstraße vom Rems- ins Filstal, ab 1716 erbaute man hier einige Gehöfte, die 1744 kirchliche Filiale von Reichenbach wurden. Die westlich von Reichenbach gelegene Siedlung Bornhausen wurde wohl schon im 15. Jahrhundert aufgegeben, gleiches gilt wohl für Geroldsweiler, das anscheinend schon früher nicht mehr existierte. Der Ort in der Talweitung bei der Einmündung des Reichenbachs in die Fils erlebte bereits vor dem Zweiten Weltkrieg eine beträchtliche Erweiterung namentlich auf der Talsohle der Fils beiderseits der Hauptdurchgangsstraßen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte die Ausdehnung auf die Hänge des Filstals mit großen Wohnsiedlungen westlich (Siegenbergsiedlung 1950/72), östlich (»Ayösch« 1950/60) nordöstlich (»Rißhalde« 1962/70) und nördlich (Lützelbachstraße, Geishaldenweg, Reichenbachstraße 1950/70) des älteren Ortsteils. Industriegelände im Osten und links der Fils. Das 1553 erwähnte »Schlössle«, ein stattliches Gebäude mit Walmdach, war zeitweise Adelssitz und diente auch als Gasthof.
Historische Namensformen:
  • Richenbach 1150 [um]
Geschichte: Mit »Liutolt von Richenbach« wird 1112 vermutlich erstmals Ortsadel erwähnt, der Ort selbst wahrscheinlich um 1150 und dann 1268. Als übergeordnete Herrschaft können zunächst die Staufer vermutet werden, im ausgehenden 13. Jahrhundert erscheinen die Herzöge von Teck und die Grafen von Württemberg. 1299 verzichtete Herzog Hermann von Teck zugunsten Württembergs auf sämtliche Ansprüche im Dorf. Möglicherweise durch eine Adelsschenkung kam das Kloster Sankt Blasien vor 1354 zu einigem Besitz, der mit anderen Gütern des Klosters in der Gegend über die Propstei Nellingen verwaltet wurde. Besonders umfangreich war der Waldanteil des Klosters, das noch 1610 etwa 700 bis 800 Morgen Wald besaß, die nach 1649 durch Tausch an Württemberg gingen. Weitere Inhaber von Rechten sind im 14. Jahrhundert bisweilen mit Adligen der Umgebung greifbar, wie der Ritter Benz von Kirchheim, der 1382 die innere Mühle am Reichenbach verlieh, oder Kuno Münch, der 1367 Einkünfte aus dem Ort veräußerte. Am sogenannten Gatterzins, vorrangig Einkünften aus den Fischwassern zwischen Reichenbach und Plochingen, waren seit dem 14. Jahrhundert unter anderem die Herren von Wernau zu Pfauhausen und der Pfarrer von Neidlingen beteiligt. Auch die Sankt Nikolaus- und Katharinenpfründen des Kirchheimer Klosters bezogen hieraus Einnahmen. Den großen Zehnt teilte sich die Nellinger Propstei bis zur Reformation mit Kloster Adelberg, das diesen von drei Höfen einzog. Dafür beanspruchte Nellingen den Weinzehnt, der wiederum zur Versorgung der Pfarrei Hegenlohe diente. Der kleine Zehnt hingegen kam der Pfarrei, der Heiligenpflege und der Pfarrei Hochdorf zugute. Als Eberhard im Bart 1485 seinem Vetter Eberhard VI. das Amt Kirchheim zur Versorgung übergab, wurde Reichenbach von dort mit weiteren Orten dem Amt Göppingen zugeteilt, unter dessen Obergericht sich Schultheiß und Richter des Dorfs fortan stellten, wie 1486–1490 beim Rechtsstreit zwischen dem Propst von Nellingen und Hans Schend wegen der Teilung des Schendenhofs. Katastrophal für das stattliche Dorf wirkten sich die Ereignisse des 30-jährigen Krieges aus, besonders nach der Schlacht von Nördlingen 1634. Nach Kriegsende sollte das Dorf eines der am schlimmsten getroffenen des Amts Göppingen sein, Häuser standen leer und Äcker lagen wüst. Auch in den folgenden Jahrzehnten suchte durchziehendes Militär den Ort heim, wie bei den Franzoseneinfällen 1688, 1693 und 1796 oder im Spanischen Erbfolgekrieg (1701–14). Gleiches galt für die Napoleonischen Kriege, immer wieder mussten bis 1815 Geld und Lebensmittel für die Truppen zusammengebracht werden. Bis weit ins 19. Jahrhundert hatte Reichenbach, das 1806 dem neuen Oberamt Göppingen zugeordnet wurde, an diesen Belastungen zu tragen – erst um 1800 erreichte man wieder den Bevölkerungsstand von vor 1634. Reichenbach gehörte ab 1806 zum Oberamt Göppingen, 1938 zum Landkreis Esslingen gezogen.
Wirtschaft und Bevölkerung: Die frühen Nachrichten über Landwirtschaft und Handwerk in Reichenbach hängen oft mit der Nutzung der Gewässer zusammen: 1351 werden Einkünfte aus des »Binninmauers Mühle« vergeben, 1382 wird eine Mühle im Besitz eines Kirchheimer Bürgers genannt. Unter den Einnahmen der Nellinger Propstei befand sich 1402 ebenso der Zins aus einer Mühle. 1436 belehnten die Grafen von Württemberg Hans Müller von Hochdorf mit der Mühle zu Reichenbach nach demselben Recht, wie es die Mühlen zu Uhingen, Ebersbach und Faurndau hatten. Später konnte man zwei Mühlen – die äußere oder Wasenmühle an der Fils und die innere oder Bachmühle am Reichenbach – unterscheiden, die im Lauf der Geschichte etliche Umbauten und Besitzerwechsel erlebten. Bis zum 30-jährigen Krieg bestand im Ort eine Badstube, die auch die Bewohner der Nachbardörfer besuchten, später war ein Barbier im Ort tätig. Bereits im späten 14. Jahrhundert wurden mehrfach Zinserträge aus den ertragreichen Fischwassern in der Fils von Adligen und Bürgern der Umgebung ver- und gekauft. Von höchster Bedeutung war die Bewirtschaftung des Waldes, 1489 wurde ein Konflikt der Gemeinde mit dem Propst von Nellingen über die Forstnutzung friedlich geregelt. Erste Angaben über Bevölkerungszahlen ergeben sich im 16. Jahrhundert, nach Steuerlisten kann man von einer Bevölkerung von 300–400 Menschen ausgehen. 1617 wurden 298 Kommunikanten und 284 Katechismusschüler gezählt – seit Beginn des 17. Jahrhunderts war die Einwohnerschaft nochmals stark angewachsen. 1634 besaßen 114 Einwohner die vollen Bürgerrechte. Nach dem 30-jährigen Krieg war die Bevölkerung 1654 auf 144 Menschen abgesunken, davon 29 Vollbürger. Bis 1706 erholte sich der Ort – auch durch Zuwanderer aus Bayern, Österreich und Norddeutschland – auf 273 Personen, um im 18. Jahrhundert langsam auf 440 Köpfe (1792) zu steigen. Danach folgte ein rascheres Bevölkerungswachstum, allein zwischen 1792 und 1804 kamen 122 Bewohner hinzu. 1737 listete man im Ort, den damals etwa 300 Menschen bewohnten, 84 Gebäude auf. Gleichfalls wird das Dorfhandwerk dokumentiert: sechs Bäcker, fünf Weber, je drei Schneider, Schuhmacher und Metzger sowie zwei Hafner und je ein Schmied und Barbier. Dazu kam der Bachmüller, der neben zwei Mahlgängen einen Gerbgang betrieb. Drei Schildwirtschaften sowie drei Gassenwirtschaften geben Rückschlüsse auf den Durchgangsverkehr des Orts. Im 16. Jahrhundert hatte bereits mit dem an der Landstraße nach Plochingen gelegenen Schlössle eine bekannte Herberge existiert, in der im 18. Jahrhundert zeitweilig eine Brauerei betrieben wurde. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es vier Schildwirtschaften im Dorf (Hecht, Hirsch, Lamm, Löwe), deren Zahl weiter anwachsen sollte. Handelsgewerbe konnten sich bis zum 19. Jahrhundert dagegen kaum im Ort etablieren. Die Landwirtschaft auf der Reichenbacher Gemarkung war stark von Viehzucht geprägt, vor allem Schafe und Rinder wurden auf die Weiden getrieben. 1806 betrug der Rinderbestand 362 Stück, Pferde hielt man dagegen nur wenig. Außer Getreide bauten die Reichenbacher Flachs, Hanf und Kraut an. Der Weinbau, der 1737 noch auf 22 Morgen betrieben wurde, kam um 1800 zum Erliegen, die Weinstöcke ersetzte man durch Obstanbau, der sich im 18. Jahrhundert verstärkt eingebürgert hatte. Eine Besonderheit war der Reichenbacher Bergbau. Seit dem 16. Jahrhundert hatten die württembergischen Herzöge mehrfach versucht, hier Bunterze wie Malachit und Kobalt zu fördern und zu schmelzen. Doch der Ertrag lohnte den Aufwand nicht und 1739 wurden die letzten Unternehmungen eingestellt.

Name: Schlössle
Datum der Ersterwähnung: 1553

Ersterwähnung: 1268
Kirche und Schule: 1268 erscheint bereits ein Pleban von Reichenbach, nach dem Liber Decimationis (1275) hatte das Chorherrenstift Boll zunächst das Recht zur Besetzung der Pfarrei. Im 14. Jahrhundert werden mehrfach Reichenbacher Pfarrer als Zeugen oder Stifter genannt, wie 1376 Peter Böcklin, der neben der Ortspfarrei Sankt Mauritius eine Pfründe am Sankt Eberhardsaltar in der Schorndorfer Pfarrkirche innehatte. Schon vor 1442 muss die Kirchenhoheit an Württemberg gekommen sein, außerdem gab 1464 Graf Ulrich V. Pfarrer Konrad Dorß den Widumhof seiner Kirche als Erblehen. Der Pfarrer Peter Riecker war schon 1525 Anhänger der Reformation und auch der Bewegung des Bauernkriegs, 1528 musste er das Dorf verlassen. Der letzte altgläubige Seelsorger vor der Reformation 1534/35 sollte der aus Geislingen stammende Sigmund Con sein. Den Priestern standen damals neben Einkünften aus dem kleinen Zehnt und Heuzehnt auch Naturalien wie Dinkel, Hafer und 21 Hühner pro Jahr zu. Auch Heu- und Öhmdzehnteinkünfte aus Baltmannsweiler kamen zeitweilig der Pfarrei zugute, wurden aber im Verlauf des 16. Jahrhunderts dem Stift Göppingen zugeschrieben. Im 30-jährigen Krieg blieb die Pfarrei ab 1635 mehrere Jahre unbesetzt oder wurde sporadisch von Hochdorf aus mitversorgt. Erst zu Beginn der 1650er Jahre erhielt der Ort wieder einen eigenen Geistlichen. Aus der Spätgotik stammt noch der Westturm (1522) der Kirche, die 1684 eine gewisse Erneuerung und 1768 eine Orgel erhielt. Reichenbach war bis weit ins 19. Jahrhundert mehrheitlich evangelisch, wenn auch während des 18. Jahrhunderts vereinzelte Dienstboten katholischer oder calvinistischer Konfession im Ort arbeiteten. Die Dorfschule, die seit spätestens 1580 belegbar ist, besuchten 1654 nur noch 18 Schulkinder, während des 18. Jahrhunderts wurden es wieder um die 50–60. Die Schulmeister, die zudem als Mesner Dienst taten, waren zunächst oft hauptberuflich Handwerker, denn die Stelle war nur karg besoldet. Von 1699–1791 übte die Lehrerfamilie Krauß über mehrere Generationen dieses Amt aus. Die spätgotische evangelische Pfarrkirche ohne Chor, war im 18. Jahrhundert bereits wieder baufällig. Viereckiger Westturm von 1522 mit nach Süden offener Vorhalle unverändert erhalten. 1906/07 Vergrößerung des Schiffs und Anbau eines Chors. Ausschmückung im Jugendstil. 1965 zweite evangelische Kirche, gehört zu der 1965 gegründeten Pfarrei der Siedlung Siegenberg. Katholische Kirche zum Hl. Michael 1954 erbaut, Pfarrei seit 1959.
Patrozinium: Hl. Mauritius
Ersterwähnung: 1713

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