Klingele, Otto Heinrich 

Geburtsdatum/-ort: 15.12.1917;  Todtnau
Sterbedatum/-ort: 10.09.1995;  Schollach/Schwarzwald
Beruf/Funktion:
  • Schriftsteller und Rundfunkautor
Kurzbiografie: 1924-1932 Volksschule Todtnau
1932-1938 Handelsschule Zell im Wiesental; kaufmännische Lehre mit Gesellenprüfung; Angestellter der Textilwerke Todtnau
1938-1945 Arbeits- und Militärdienst in Belgien, Frankreich, Polen und Russland; Verwundung (1944); Genesungskompanie Konstanz (1944/45)
1945-1947 landwirtschaftlicher Gehilfe in Schollach
1947-1954 Textilkaufmann in Todtnau
1954-1970 zahlreiche Studien- und Forschungsreisen mit Schwerpunkt Orient: Heiliges Land, Arabien, Niltal, Zweistromland; ferner Finnland und Lappland; Sardinien
1955-1977 freier Mitarbeiter beim Süddeutschen Rundfunk, Heimat- und Kirchenfunk; seit 1971 auch Fernsehen; zeitweilig Österreichischer Rundfunk, Landesstudio Tirol
1958-1966 freier Mitarbeiter beim Südwestfunk, Kirchenfunk und Literatur
1973-1987 freier Mitarbeiter Österreichischer Rundfunk, Landesstudio Vorarlberg
1960-1990 Vortragstätigkeit bei der Volks- und Erwachsenenbildung Südbaden
1958-1995 wohnhaft in Todtnau und Bozen; seit 1986 Schollach, Gfellhof
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1958 (Meran) Waltraut, geb. Fuchs (geb. 1928)
Eltern: Vater: Otto (1882-1954), Magaziner
Mutter: Maria, geb. Fritz (1882-1957)
Geschwister: 2:
Maria (geb. 1916)
Albert (1920-1943)
Kinder: Uta (geb. 1959)
GND-ID: GND/116228814

Biografie: Clemens Siebler (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 182-184

Bestimmende Elemente im Leben und publizistischen Schaffen Klingeles waren seine Heimat-, Natur- und Freiheitsliebe. Schon früh hatte er sich der Pfadfinderbewegung angeschlossen und als er 1933 zum Eintritt in die Hitlerjugend gezwungen wurde, unternahm er den riskanten Versuch, innerhalb der örtlichen Hitlerjugend eine den Idealen der „Scouts“ treu bleibende Gruppe um sich zu sammeln. Seinen Beruf fand Klingele in der heimischen Textilindustrie des Wiesentales.
Auf den Reichsarbeitsdienst folgte unmittelbar die Einberufung zur Wehrmacht. Den II. Weltkrieg machte er an der West- und Ostfront mit. Nach seiner schweren Verwundung (1944) war er einer Genesungskompanie in Konstanz zugewiesen. Im Zuge des allgemeinen Zusammenbruchs arbeitete er zwei Jahre lang als Gehilfe auf dem Bauernhof eines Kriegskameraden im Hochschwarzwald. In vielen Nächten entstand dort der Schwarzwaldroman „Wer in den Wäldern wohnt“ (1952). Dieses schriftstellerische Erstlingswerk machte den Autor bekannt, und schon damals sprach man von einem neuen Heimatdichter; bis 1995 erfuhr der Roman sechs Auflagen.
Als Textilkaufmann kehrte Klingele 1947 in den erlernten Beruf nach Todtnau zurück. 1954 begann er mit zahlreichen und ausgedehnten Studienreisen. Seine besondere Vorliebe galt dem Orient. Mehrmals kam er in das Heilige Land und in die arabische Wüste. Er bereiste das Niltal stromaufwärts bis Khartum und das Zweistromland auf den Spuren der Babylonier und Assyrer. Schon 1956 war er zum erstenmal durch Finnland zum Eismeer gewandert; im darauffolgenden Jahr ging er auf die Insel Sardinien. Bei all diesen Reisen suchte Klingele den direkten Kontakt zu den Menschen, zu den Beduinen Arabiens ebenso wie zu den Rentierzüchtern Lapplands oder den sardischen Schafhirten in den Bergen von Nuoro und Orgósolo.
Bereits während der 1950er Jahre fanden diese Reisen ihren publizistischen Niederschlag in verschiedenen Reiseberichten, die vorwiegend im „Feuerreiter“, Köln, und im „Konradsblatt“, Karlsruhe, veröffentlicht wurden. Eine noch größere Breitenwirkung erzielte Klingele mit seinen Radiosendungen, die er als freier Mitarbeiter verschiedener Rundfunkanstalten redigierte. Seine langjährige Rundfunkarbeit inspirierte ihn dazu, sich auch als Hörspielautor zu betätigen. Seit 1971 wurden Klingeles Beiträge auch vom SDR-Fernsehen übernommen. Wie in seiner Lebensführung spiegelt sich auch im publizistischen Schaffen Klingeles die bei ihm so charakteristische Symbiose von Entdeckerfreude und Bodenständigkeit wider. Nicht nur fremde Länder und Kulturen hat er thematisiert; auch das heimatliche Brauchtum vorab des „alemannischen Volkes, dessen Sprache, Geschichte und Land von den Vogesen bis zum Arlberg“ („Auf der Straße der Kamele“, Klappentext) hat er seinen Hörern und Lesern immer wieder nahezubringen versucht. Seine langjährige Rundfunktätigkeit im süddeutschen Kulturraum bot ihm hierfür die geeignete Plattform.
Reisebücher im eigentlichen Sinn, die er durchgängig mit eigenen Zeichnungen illustriert hat, schrieb Klingele erst seit 1963, u. a. das ägyptische Reisebuch „Seit wann trägt dich der Nil, Feluke?“ (1963). Seine Erlebnisse im Heiligen Land erschienen 1965 unter dem Titel „Der Wind weht, wo er will“. Der Band „In den Höhlen hausen die Adler“ (1967) schildert das Leben der frühchristlichen Mönche und Eremiten im Morgenland. Klingeles Bethlehem-Buch „Im Haus der bitteren Brote“ erschien 1968. Das Bändchen „Im Wüstenkloster“ (1979) bezeichnete der Autor selbst als „eine abenteuerliche Forschungsgeschichte“; es ist der spannungsgeladene Bericht vom „Codex Sinaiticus“, der alten Bibelhandschrift im Katharinenkloster auf der Halbinsel Sinai und ihres Entdeckers Konstantin von Tischendorf in der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Auch seine heimatbezogenen Bücher haben viel Beachtung gefunden. Neben dem schon genannten Schwarzwaldroman „Wer in den Wäldern wohnt“ gilt dies vor allem für den Kriegs- und Heimkehrerroman „Auf allen Wegen wartest nur noch Du“ (1988). Ort des Geschehens ist die Landschaft des südlichen Schwarzwaldes in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen und des Jahrzehnts nach 1945. Der Roman berichtet von der Not und Armut der Bergbauern am Belchen, von junger Liebe und Leidenschaft, von Krieg und Gefangenschaft in den Schweigelagern hinter dem Ural, von der Heimkehr mit dem Namen eines Toten. Der Autor hat die schöpferische Kraft von drei Jahrzehnten benötigt, um dieses Werk als Zeugnis seiner Generation niederzuschreiben. – Gleichsam als heimatliches Gegenstück zu „Im Haus der bitteren Brote“ hat Klingele 1970 „Bethlehem in den schwarzen Wäldern“ herausgebracht. Es ist eine Sammlung von Weihnachtsgeschichten und -gedichten aus dem Schwarzwald, die in eine freie Übertragung der Kindheitsgeschichte Jesu nach Lukas und Matthäus in die alemannische Mundart eingebunden sind. Als Manuskript hat Klingele eine Übertragung des gesamten Neuen sowie großer Teile des Alten Testamentes ins Hochalemannische hinterlassen.
Klingeles Lebenswerk wurzelt zutiefst im christlichen Glauben. Als Buch- und Rundfunkautor schöpfte er immer wieder aus dem reichen Schatz der Volksfrömmigkeit, des religiös-kirchlichen und heimatlichen Brauchtums. Seiner sozialen Herkunft und Heimatverbundenheit entsprach es, daß er sein großes Wissen auch breiteren Schichten der bäuerlich-ländlichen Bevölkerung zugänglich machen wollte. Innerhalb des Badischen Bauernverbandes hielt er seit 1960 vornehmlich bei der Landjugend und seit 1965 bei den Landfrauen über viele Jahre hinweg Vorträge religions-, bibel- und volkskundlichen Inhaltes. In der gleichen Absicht hatte sich Klingele auch in den Dienst der kommunalen und kirchlichen Erwachsenenbildung gestellt.
Seit seiner Heirat (1958) war ihm Südtirol zur zweiten Heimat geworden. Mit der einheimischen Bevölkerung litt auch er unter der politischen Teilung Tirols, in der er ein echtes Abbild des europäischen Schicksals sah. Während des letzten Jahrzehnts lebte Klingele in Schollach, wo er unmittelbar nach Kriegsende die ersten Impulse für sein schriftstellerisches Schaffen erhalten hatte.
Quellen: Nachlass, darunter zahlreiche Zeichnungen, im Familienbesitz; mündl. Informationen Frau W. Klingele, Eisenbach, Frau M. Brauner-Klingele, Todtnau, Frau V. Galler, Freiburg; schriftl. Informationen SWF (jetzt: SWR) Baden-Baden, SDR (jetzt: SWR) Stuttgart, ORF Landesstudio Tirol (Innsbruck) u. Vorarlberg (Dornbirn).
Werke: Bibliographien (unvollst.), in: Dt. Literatur Lexikon, begr. v. W. Kosch, Bd. 8, Sp. 1332/33, 1981 3. Aufl.; Kürschners Dt. Lit. Kal., 60. Jg., 1988, 615 f.; Kürschners Dt. Lit. Kal., Nekrolog 1971-1998, 1999, 321. – Auswahl: Ins Land d. Bibel. Ein Reisebericht, in: Konradsblatt, 35. Jg., 1955, Nr. 3-20; In Allahs heißem Land. Tagebuch einer Morgenlandfahrt, in: Der Feuerreiter, 33. Jg., 1957, Nr. 10-19; Die Insel d. vergessenen Türme. Eine Sardinienfahrt, in: Der Feuerreiter, 35. Jg., 1959, Nr. 7-16; Wiedersehen mit dem Morgenland, in: Konradsblatt, 43. Jg., 1959, Nr. 19-31; Hexenkessel Arabien. Eine Morgenlandfahrt, in: Der Feuerreiter, 36. Jg., 1960, Nr. 11-26; Mit dem Rucksack zum Polarkreis. Durch das Land d. 1 000 Seen, 1962 (2. neu bearb. Aufl. u. d. T.: In den endlosen Wäldern. Ein finnisches Fahrtenbuch, 1968). – Reise- u. Heimatbücher: Häuptling aller Wölfe. Die Abenteuer einer Indianerhorde im hohen Schwarzwald, 1967; Gesucht Wildkater mit neun Schwanzringen, 1972; Hinter den dunklen Toren von Babylon. Reise durch Mesopotamien, 1976; Der Bluträcher. Ein Kampf zwischen zwei Beduinenstämmen, 1978; Cornelia. Geschichte einer jungen Liebe, 1981; Albert Krautheimer. Er schwieg nicht, 1982; S’ Wuedîs-Heer. Die Sage von d. wilden Jagd, 1985; Auf allen Wegen wartest nur noch Du. Romantrilogie, 1988.
Nachweis: Bildnachweise: Auf allen Wegen wartest nur noch Du, Buchdeckel, Rückseite (vgl. Werke) u. im Familienbesitz.

Literatur: N.N. Kurzbiographie O. Klingele, in: O. Klingele, In den Höhlen hausen die Adler (Klappentext), 1967, ferner in: O. Klingele, Auf der Straße d. Kamele (Klappentext) 1979; V. Galler, In memoriam O. Klingele, in: Bad. Bauernzeitung 48. Jg., Nr. 39 vom 30. 9. 1995, 16.
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