Schwoerer, Paul 

Geburtsdatum/-ort: 09.08.1874;  Kenzingen
Sterbedatum/-ort: 29.04.1959;  Freiburg
Beruf/Funktion:
  • Landeskommissär
Kurzbiografie: 1880-1889 Volksschule und Höhere Bürgerschule Kenzingen
1889-1893 Berthold-Gymnasium Freiburg, Abitur
1893-1897 Jurastudium in Freiburg
1893-1894 Militärdienst als Einjährig Freiwilliger 5. Badisches Infanterie Regiment Nr. 113 in Freiburg
1897 1. juristische Staatsprüfung, Eintritt in den Staatsdienst als Rechtspraktikant, Beförderung zum Leutnant der Reserve
1900 2. juristische Staatsprüfung, Referendar
1903 Legationssekretär im Ministerium des Großherzoglichen Hauses und der Auswärtigen Angelegenheiten
1904-1908 Amtmann, Bezirksamt Freiburg, 1907 Bezirksamt Lahr
1908 Bürgermeister der Stadt Baden-Baden, vom 01.01. bis 31.12. aus dem Staatsdienst beurlaubt; Beförderung zum Oberleutnant der Reserve
1909 Oberamtmann, Zweiter Beamter am Bezirksamt Waldshut
1912-1918 Oberamtmann und Amtsvorstand, Bezirksamt Boxberg
1914-1916 Kriegsteilnehmer, Kompanieführer, Hauptmann der Reserve
1918-1927 Amtsvorstand in Säckingen, 1920 in Offenburg, 1924 Amtsvorstand in Freiburg, Titel Landrat
1927 Landeskommissär in Freiburg, zuständig für Großkreise Offenburg, Freiburg, Lörrach
1929-1945 Vorsitzender des Landesvereins Badische Heimat
1944 Hans-Thoma-Medaille
1946 Zurruhesetzung zum 01.10.
1949 Ehrensenator der Universität Freiburg, Lehrbeauftragter für Verwaltungsrecht
1953 Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: 1907 Jutta, Tochter des Freiburger Fabrikanten Heinrich Kuenzer
Eltern: Vater: Dr. Friedrich Ignaz Schwoerer, Arzt in Kenzingen
Mutter: Marie Josephine, geb. Krafft aus Straßburg
Geschwister: 4 Brüder, 5 Schwestern
Kinder: 2 Söhne, 2 Töchter, beide Söhne 1944 in Rußland verloren, gefallen bzw. vermißt
GND-ID: GND/117431923

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 348-350

Schwoerer begann seine berufliche Laufbahn als Staatsbeamter des Großherzogtums Baden, und er schied nach dem Zweiten Weltkrieg als 72jähriger in einer völlig gewandelten Welt aus dem Dienst aus. Viele Zeitgenossen sahen in ihm die Idealfigur des Beamten, geistig beweglich und Neuem stets aufgeschlossen, dennoch volksnah und traditionsverbunden, stets korrekt und beherrscht, vor allem im Umgang mit der Macht. Er stammte aus einer katholischen Arztfamilie aus Kenzingen, in der eine großbürgerlich-liberale Gesinnung herrschte. Zielstrebig absolvierte er Schule, Militärdienst und Studium, so daß er schon als 23jähriger den Vorbereitungsdienst antreten konnte. Amtsgerichte, Bezirksämter und eine Anwaltspraxis lernte er dabei kennen. Kenzingen, Offenburg, Emmendingen, Waldshut, Engen, Bonndorf und St. Blasien waren seine Stationen. Auch nach dem zweiten Staatsexamen hatte er noch reichlich Gelegenheit, verschiedene Amtsstädtchen kennenzulernen.
Im nordbadischen Boxberg leitete er zum ersten Mal selbständig ein Bezirksamt. Von hier aus meldete er sich als 40jähriger Reserveoffizier freiwillig zum aktiven Militärdienst. Er nahm an den Stellungskämpfen im Oberelsaß teil und wurde zwischenzeitlich wegen angegriffener Gesundheit einem Ersatzbataillon in Karlsruhe zugeteilt. Als in Offenburg 1923 während des sogenannten Ruhrkampfes französisches Militär einrückte, war Schwoerer als Leiter des Bezirksamtes der höchste staatliche Repräsentant am Ort. Er protestierte beim verantwortlichen französischen Offizier gegen die Verletzung des Friedensvertrages und rief – analog zu den Maßnahmen der Reichsregierung – die ihm unterstellte Beamtenschaft zum passiven Widerstand auf. Das führte dazu, daß er in militärischen Gewahrsam genommen wurde: Die Franzosen hielten ihn in einem Hotel fest, brachten ihn anderentags aus der besetzten Zone und setzten ihn auf der Fahrstraße nördlich von Appenweier auf freien Fuß. Mit seiner Dienststelle wich er für die Dauer der Besatzungsmonate nach Gengenbach aus. 1924 wurde Schwoerer als Bezirksamtsleiter nach Freiburg versetzt.
1927 rückte er zum Landeskommissär auf. Er hatte als Bevollmächtigter des Ministeriums des Innern die Aufsicht über die Staats- und Kommunalverwaltung der Kreise Offenburg, Freiburg und Lörrach zu führen, wobei eine der Hauptaufgaben darin bestand, die Polizeiverwaltung der Ämter und Gemeinden zu überwachen. Die Institution des badischen Landeskommissärs überstand die Verwaltungsreformen des Dritten Reiches und lief erst nach dem Zweiten Weltkrieg aus. Schwoerers Wirken während des Dritten Reiches fand auch aus der Nachkriegssicht heraus breite Anerkennung. Er hatte es vermocht, dank seiner starken persönlichen Stellung unrechte Maßnahmen des damaligen Regimes abzumildern. Er habe Wege gefunden, die „das Optimum bei der bestehenden Situation“ darstellten, und er sei „im Elend trübster Tage unentwegt gegen den entarteten Mißbrauch angemaßter Herrschaft eingeschritten“, wie ein jüdischer Rechtsanwalt in einer Geburtstagsgratulation 1954 formulierte.
Ein wesentlicher Teil von Schwoerers Lebenswerk ist sein Engagement für die heimatliche Kultur- und Naturpflege. Von 1929 an war er Präsident der Badischen Heimat, er wirkte im Schwarzwaldverein mit und gehörte dem Vorstand des Freiburger Münsterbauvereins an. Die Arbeit in der Badischen Heimat war für ihn besonders prägend. Er führte den Verein durch die Jahre des Dritten Reiches und fand auch hier ein annehmbares Maß, die Zugeständnisse an den Zeitgeist im Rahmen zu halten. Was beim Studium seines Nachlasses besonders auffällt, ist sein großer, vielseitiger und hochkarätiger Bekanntenkreis. Da sind einmal die Weggefährten aus der Badischen Heimat, zu denen Künstler gehörten wie die Maler Bühler, Glattacker und Daur, und zum andern die Mitglieder des Freiburger Rotary Clubs, an dessen Gründung Schwoerer 1932 Anteil hatte. Unternehmer, Vertreter des Adels und namhafte Universitätsprofessoren gehörten zu diesem Kreis. Badische Heimat und Rotary International – Schwoerer versuchte die Liebe zum heimatlichen Volkstum mit Weltoffenheit zu verbinden, was in den 30er Jahren kein so selbstverständliches Ziel war und sich damals nur schwer verwirklichen ließ. Charakteristisch für Schwoerers Persönlichkeit ist seine lebenslange Orientierung nach vorn: Während der Diskussion über die Länderneugliederung Anfang der 50er Jahre engagierte er sich, obwohl er selbst ein lebendes Denkmal des alten Landes Baden war, für den Südweststaat.
Quellen: Ungedruckte Quellen: Stadtarchiv Freiburg: Fotos und Briefe aus dem Nachlaß von Paul Schwoerer; StAF: PA Schwoerer (Hilfsakte, 1945 zusammengestellt) 200/2/5, 360/1329 und 360/1372. – Nachlaß Schwoerer im Besitz seiner Tochter, Frau Maria Bock, Freiburg
Werke: Aus der deutschen Gemeindeordnung vom 30.1.1935. Mein Heimatland (hg. BH 22, 1935, 237); Das Reichsnaturschutzgesetz vom 26.6.1935, Ebd., 366; Aus der Geschichte des Landesvereins Badische Heimat. Ansprache anläßlich der Wiedergründung des Vereins in Freiburg 1949. Veröffentlichung in Zeitschrift „Baden“ Heft 4, 49ff.; Ferdinand Stein, der Geschichtsschreiber von Lahr 1791-1835, BH 31, 1951, 219; Otto Hoerth zum 75. Geburtstag, BH 34, 1954, 87-89
Nachweis: Bildnachweise: Portrait, 1944 gemalt von Hans Adolf Bühler, in Privatbesitz, Fotografien siehe Quellen und Literatur

Literatur: Eugen Fischer, 50 Jahre Landesverein Badische Heimat, in: BH 39, 1959, 98 ff.; Ludwig Vögely, Chronik des Landesvereins Badische Heimat, in: BH 64, 1984, 744 ff. und 791-793; Karl Stiefel, Baden von 1648-1952. Bd. 2, 1095; BZ vom 09.08.1954: Ein vorbildlicher Beamter. BZ vom 02/03.05.1959: Der letzte Landeskommissär – zum Tode von Paul Schwoerer
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