Hans Waag (1876-1941)

Theaterintendant zwischen Weimarer Republik und Nationalsozialismus

Hans Waag, 1926. Fotografie des Baden-Badener Fotoateliers Kühn & Hitz. Vorlage: LABW (GLAK N Waag Nr. 169). Zum Vergrößern bitte klicken.
Hans Waag, 1926. Fotografie des Baden-Badener Fotoateliers Kühn & Hitz. Vorlage: LABW (GLAK N Waag Nr. 169). Zum Vergrößern bitte klicken.

Die »Gleichschaltung« des Badischen Landestheaters vollzog sich 1933 schnell und gründlich. Warum jedoch der Karlsruher Intendant Dr. Hans Waag bereits im März 1933 zunächst beurlaubt und dann 1934 aus »gesundheitlichen« Gründen in den Ruhestand versetzt wurde, ist umstritten.

Der umfangreiche Nachlass des Intendanten aus dem Schlossarchiv Neuweier gibt Einblicke in das Leben des viel beschäftigten Theaterintendanten, der vor seinem Karlsruher Engagement an den Bühnen von Mannheim, Braunschweig, Metz und Baden-Baden tätig gewesen war. Waag lebte nach dem Eheschluss mit Jacoba Rössler im Frühjahr 1936 auf diesem repräsentativen Anwesen, das sich in Besitz der Familie seiner Ehefrau befand. Die Unterlagen werfen darüber hinaus spannende Schlaglichter auf die Theatergeschichte des späten Kaiserreichs und der Weimarer Zeit. So erkundigte sich 1909 Stefan Zweig (1881–1942) vorsichtig bei Waag nach den Aussichten, ob sein Drama Tersites (1907) Chancen habe, in Mannheim auf die Bühne zu kommen. Waag stand 1925 mit dem Komponisten Richard Strauß (1864–1949) in Kontakt, mit dem Hamburger Theaterdirektor Carl Hagemann (1871–1945) war er seit der gemeinsamen Zeit in Mannheim in Verbindung.

Seine – für ihn und sein Umfeld offensichtlich völlig überraschende – Beurlaubung als Intendant in Karlsruhe lässt sich nach der Lektüre des Nachlasses zwar nicht lückenlos klären, doch lassen sich aus dem Knäuel von Andeutungen und Schuldzuweisungen verschiedene Erklärungsversuche herausfiltern. Der Intendant selbst blieb in seinem Lebenslauf, den er Bewerbungsschreiben beilegte, unklar: nach fast sieben Jahren [= der Tätigkeit in Karlsruhe] bewirkte die politische Umwälzung in Deutschland, wie bei vielen anderen leitenden Männern, meine Beurlaubung. Jacoba Rössler vermutete in einem zärtlichen Brief an ihren künftigen Ehemann (mein Hanselchen) politische Motive. Es sei ihr von einem Informanten zugetragen worden, Deine politische Einstellung von früher sei ihm [einem namentlich nicht genannten Baron] höchst unsimpathisch, Du seist sozialdemokratisch gewesen. Seine erste Ehefrau, die Kammersängerin Lilly Hafgren (1884–1965), vermutete hingegen unmittelbar nach dessen Beurlaubung im März 1933 ganz andere Motive: da du [...] stets unpolitisch warst, so kann nur das »ewig Weibliche« der schwache Punkt gewesen sein (sprach hier die eigene Lebenserfahrung?). Lina Krieg, Waags Sekretärin am Karlsruher Theater, vermutete böse Intrigen (böse Verleumdung und Verächtlichmachung) im Umfeld des Theaters, das sie als Intrigantenbau bezeichnete. Doch setzte sie alle ihre Hoffnungen in stramm nationalsozialistischer Gesinnung auf den »Führer«: hier wird gesäubert und es trifft allmählich die richtigen. (Es waren die jüdischen Kollegen gemeint, denen die junge Frau in einem anderen Brief einen schlechten, dreckigen Charakter attestierte). Hella, eine Tochter von Hans Waag aus einer unehelichen Beziehung, forderte im Herbst 1933 ihren Vater in einem Brief, den das Konterfei Adolf Hitlers ziert, dazu auf, sich direkt an den »Führer« zu wenden: er ist doch für uns alle da!

Versuche Waags, an einem anderen Theater wieder Fuß fassen zu können, scheiterten in den nächsten Jahren. Als Autor von populären Theaterstücken, die in der Region, so auch im Schlosshof zu Neuweier, durch Laienensembles aufgeführt wurden, griff er auf historische Stoffe zurück, zu denen ganz im Geist der Zeit auch der Türkenlouis gehörte. Die erhoffte Rehabilitation durch die Nationalsozialisten blieb aus. Nachdem Waag bereits 1939 als 63-Jähriger in die Wehrmacht eingezogen worden war, erlag er am 13. August 1941 einer Embolie an der Ostfront. Der badische Minister für Kultus und Unterricht, Paul Schmitthenner (1884–1963), würdigte in einem Kondolenzschreiben an dessen Witwe den Verstorbenen, der in vorbildlicher soldatischer Pflichttreue seit Beginn des weltgeschichtlichen Ringens um Deutschlands Leben und Zukunft [...] sich als Frontkämpfer zur Verfügung gestellt hatte. Der Antrag der Witwe, dass ihr nach dem Tod des Ehemannes dessen Pension weiter ausbezahlt werde, wurde jedoch abgelehnt: Sie habe ihren Mann erst nach dessen Ausscheiden aus dem Staatsdienst geehelicht.

Wolfgang Zimmermann

Quelle: Archivnachrichten 60 (2020) S. 50.

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Zum Nachlass von Hans Waag

Das Landesarchiv Baden-Württemberg konnte 2018 den persönlichen Nachlass des Intendanten Hans Waag als Teil des Schlossarchivs Neuweier erwerben. Der Bestand LABW, GLAK N Waag ist unter Beachtung der Nutzungsbedingungen im Generallandesarchiv Karlsruhe einsehbar.