„Ich wünschte ihm guten Morgen und Weidmanns Heil…“

Erlebnisse von Emil Reiß in Deutsch-Südwestafrika

Porträt von Oberleutnant Emil Reiß. Druck: F. E. Metzler, Frankfurt am Main, Vorlage: Landesarchiv BW, GLAK 456 G 2 Nr. 350
Porträt von Oberleutnant Emil Reiß. Druck: F. E. Metzler, Frankfurt am Main, Vorlage: Landesarchiv BW, GLAK 456 G 2 Nr. 350

Der Krieg ist für uns Deutsche jedenfalls der schwerste, den wir seit 1870/71 gehabt haben, denn die Hereros fechten ausgezeichnet und sind ein gewandter sehr beweglicher Gegner. Dies schrieb Emil Reiß in seinem letzten Brief an seine Eltern am 12. März 1904 aus Windhuk, Deutsch- Südwestafrika, über den Hereroaufstand. Die auf dem Gebiet der Kolonie lebenden Herero hatten sich aus verschiedenen Gründen gegen die deutsche Kolonialmacht gewandt, unter anderem weil man ihnen Land und Vieh nahm. Der Aufstand begann mit Überfällen auf deutsche Siedlungen Anfang Januar 1904. Zur Niederwerfung bat die Schutztruppe von Deutsch-Südwestafrika um Verstärkungen aus dem Deutschen Reich. Oberleutnant Emil Reiß, geboren am 9. September 1872 in Karlsruhe, aus dem 3. Badischen Dragoner-Regiment Nr. 22, trat sogleich in die Schutztruppe ein. Neben ihm meldeten sich auch Friedrich von Klüber (1870–1909) aus demselben Regiment und Angehörige anderer badischer Regimenter für die Schutztruppe, wie aus Akten des badischen Armeekorps im Generallandesarchiv Karlsruhe hervorgeht. Über Familiennachlässe gelangten Briefe und andere Dokumente von Reiß und seinen Kameraden ins Archiv, in denen sie ihr persönliches Erleben und ihre Sicht des Geschehens schildern, und die so die deutsche Sicht der Zeit widerspiegeln. Auch Fotografien vom Schauplatz, die der oben erwähnte Friedrich von Klüber angefertigt hat, sind im Generallandesarchiv Karlsruhe im Nachlass der Familie von Klüber überliefert.

Bereits von 1896 bis 1900 war Emil Reiß in der Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika gewesen. In einem Brief aus Epukiro 1898 an seine Eltern schildert er seine Erlebnisse, worin sich auch der Umgang der Deutschen mit der örtlichen Bevölkerung, den Eingeborenen, zeigt, darunter eine Auseinandersetzung mit widerständigen Herero. Im Morgengrauen war er mit einer kleinen Truppe unbemerkt in eine Hererowerft eingedrungen und hatte die Bewohner gefangen genommen: Es waren 250 Köpfe mit Frauen und Kindern […]. Einen Teil der jungen Leute habe ich als Arbeiter nach Windhoek für die Regierung geschickt, während ich die andern, nachdem ich sie mit Groß- und Kleinvieh bestraft […], wieder im Damara-Land angesiedelt habe. Daneben erzählt er von privaten Vergnügungen, wie Jagden und Pferderennen. Das anstrengende, wilde Leben, wie er es bezeichnet, schade allerdings seiner Gesundheit und er habe es doch ziemlich satt.

Blick auf Hütten in einem Dorf in Deutsch-Südwestafrika. Foto von Friedrich von Klüber, ca. 1904/06, Vorlage: Landesarchiv BW, GLAK 69 von Klüber 58
Blick auf Hütten in einem Dorf in Deutsch-Südwestafrika. Foto von Friedrich von Klüber, ca. 1904/06, Vorlage: Landesarchiv BW, GLAK 69 von Klüber 58

Im Januar 1904 brach Emil Reiß zum Kampf gegen die Herero wieder in die Kolonie auf. Dort fiel er am 13. April 1904 bei Okatumba, östlich von Okahandja. Sein letzter Brief und der Brief eines Kameraden verraten uns Absichten, Taten und Kriegserlebnisse. In der deutschen Überlieferung tritt uns Reiß als Held entgegen, der sein Leben einsetzte, um mit den Herero für ihr Vorgehen gegen deutsche Farmer – um es mit seinen Worten zu sagen – etwas abzurechnen. Ein Kamerad schildert in einem Brief an Reiß‘ Eltern ihre letzte Begegnung: Ich wünschte ihm guten Morgen und Weidmanns Heil, worauf er mit Weidmanns Dank antwortete. Dies war das letzte Mal, daß ich seine Stimme hörte. Wie zwei Jäger begrüßten sie sich, obwohl sie sich im Kampf gegen Menschen befanden. Die Sprache verrät den kolonialen Rassismus, der den Gegner in die Nähe eines Tieres rückte.

Die Eltern erhielten eine kurze Mitteilung über den Heldentod ihres Sohnes, der noch posthum für seinen Einsatz im Kampf gegen die Herero gewürdigt wurde.

Sara Diedrich

Quelle: Archivnachrichten 58 (2019), S. 12-13

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