„Des types pas ordinaires…“

Die Rekrutierung von Fremdenlegionären in Offenburg

„Staatliche Kriminalpolizeistelle Offenburg – Erkennungsdienst – 1955: Auffanglager der Frem- denlegionäre Offenburg-Holderstock“, Vorlage: Landesarchiv BW, StAF B 728/1 Nr. 4482
„Staatliche Kriminalpolizeistelle Offenburg – Erkennungsdienst – 1955: Auffanglager der Frem- denlegionäre Offenburg-Holderstock“, Vorlage: Landesarchiv BW, StAF B 728/1 Nr. 4482

Dass die französische Fremdenlegion nicht aus gewöhnlichen Typen besteht, davon kündet nicht nur ihr Marschlied Le Boudin. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog sie neben Abenteuerlustigen auch Männer mit zweifelhafter Vergangenheit an. Die Legion kämpfte seinerzeit in In dochina gegen den Việt Minh und angesichts dort erlittener Verluste brauchte es neue Rekruten. So geriet die badische Kleinstadt Offenburg in den Sog eines fernab tobenden Konflikts – mit spürbaren Konsequenzen für das Alltagsleben der einheimischen Bevölkerung.

Ende 1948 hatten die Franzosen in Offenburg eine zentrale Auffangstelle der französischen Fremdenlegion für das Bundesgebiet eingerichtet, in der Bewerber gemustert wurden, um im Fall der Annahme über Marseille in ein Ausbildungslager nach Algerien transportiert zu werden. Zudem wurden vor allem aus Deutschland und Österreich stammende Legionäre nach Beendigung ihrer Dienstzeit vom Offenburger Lager aus entlassen. Ein Bericht des Landratsamtes Offenburg an den badischen Staatspräsidenten Wohleb vom Februar 1951 betonte, anfänglich hätten sich viele Arbeitslose, dem Militärleben geneigte oder auch abenteuerlustige junge Menschen aus wirtschaftlicher Not oder jugendliche [m] Idealismus heraus im Lager befunden. Doch seit den schweren Kämpfen in Indochina habe sich das Bild dahingehend verschoben, dass sich dort zunehmend kriminelle oder polizeilich gesuchte Elemente und lichtscheues Gesindel sammelten.

Etliche Bewerber wurden entweder abgelehnt oder verzichteten letztlich auf einen Eintritt in die Legion. Zudem verblieben manche Ex-Legionäre nach ihrer Entlassung im Raum Offenburg. Diese weitgehend mittellosen und oft entwurzelten Männer aus dem In- und Ausland, manche bereits zuvor wegen Kapitalverbrechen zur Fahndung ausgeschrieben, sorgten im Landkreis für einen signifikanten Anstieg der Kriminalitätsrate, nicht nur bei unerlaubten Grenzübertritten, sondern auch im Bereich der Einbrüche und Raubdelikte. Generalstaatsanwalt Karl Siegfried Baader äußerte zuspitzend in einem Plädoyer gegen drei junge Angeklagte aus Deutschland, die 1950 bei einem Raubüberfall zwei Menschen schwer verletzt hatten, Offenburg drohe zu einem Kriminalitätsmittelpunkt im Süden zu werden. Ein vom badischen Justizministerium eigens erstellter, auf Polizeiangaben fußender Bericht an die Staatskanzlei vom Februar 1951 offenbarte, dass sich unter den 109 im Jahr 1950 steckbrieflich verfolgten und von der Kriminalpolizei Offenburg festgenommenen Personen 90 aus dem Lager entlassene oder ins Lager strebende Männer befanden. Mehr und mehr Stimmen forderten eine Verlegung des Lagers nach Frankreich.

Im September 1951 wandte sich Staatspräsident Wohleb mit diesem Anliegen an das Auswärtige Amt in Bonn, das versprach, ein entsprechendes vorbereitendes Gespräch mit einem französischen Mitglied der Hohen Kommission zu führen. Im folgenden Jahr wurde das Lager tatsächlich aufgehoben. Für die Stadt Offenburg endete damit die Verstrickung in Frankreichs Kolonialkriege. Der verlustreiche Indochinakrieg dauerte noch weitere zwei Jahre und endete 1954 mit einer französischen Niederlage. Unter den Kriegstoten waren auch zahlreicheFremdenlegionäre.

Christof Strauss

Quelle: Archivnachrichten 58 (2019), S. 22-23

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