Political Correctness in der Weimarer Republik

Die Beseitigung monarchischer Symbole in Württemberg

Gipsmodell des Stuttgarter Kunstprofessors Ludwig Habich für den Guss der neuen württembergischen Grenztafeln, 1923. Quelle: Landesarchiv BW, HStAS E 151/02 Bü 170
Gipsmodell des Stuttgarter Kunstprofessors Ludwig Habich für den Guss der neuen württembergischen Grenztafeln, 1923. Quelle: Landesarchiv BW, HStAS E 151/02 Bü 170

Tausende Demonstranten strömten am 9. November 1918 zum Stuttgarter Wilhelmspalais, dem Privatwohnsitz des letzten württembergischen Königs. Dort erlebten sie, wie einige revolutionäre Aktivisten in das Gebäude eindrangen und die königliche Standarte vom Dach holten. An ihrer statt hissten sie eine rote Fahne. Inmitten des politischen Umbruchs fiel damit das erste Hoheitszeichen des alten Systems.

Ein halbes Jahr später, am 8. Mai 1919 bekundete der Sozialdemokrat Wilhelm Blos, der erste Staatspräsident des freien Volksstaates Württemberg, sein Missfallen darüber, dass auf amtlichen Briefbögen und Stempeln noch immer das Beiwort „Königlich“ geführt werde. Auch nahm er Anstoß daran, an öffentlichen Gebäuden nach wie vor monarchische Embleme sehen zu müssen. In einem Schreiben an sämtliche Ministerien pochte er darauf, diese Anachronismen zu beseitigen, soweit dies ohne wesentliche Beeinträchtigung oder Verunstaltung und ohne allzu erheblichen Kostenaufwand geschehen könne.

Mit seiner Forderung zielte Blos auf eine konsequente Erneuerung des Staates im republikanischen Geist, die sich im Verwaltungshandeln, aber auch in der Gestaltung des öffentlichen Raumes manifestieren sollte. Doch der Austausch der Behördenschilder, die Entfernung der königlichen Portraits aus den Amtsstuben, die Umbenennung von Straßen vollzog sich nur zögerlich. Seit der Novemberrevolution waren bereits über drei Jahre vergangen, als das vom Stuttgarter Landtag beschlossene Gesetz über ein neues Landeswappen am 20. Februar 1922 verkündet wurde. Erst jetzt konnten die Ministerien und sukzessive auch die nachgeordneten Behörden ihre alten Siegelstöcke und Stempel durch neue ersetzen lassen. Mit Nachdruck forderten Sozialdemokraten und Gewerkschafter im Juli 1922, die Hoheitszeichen des alten Staats rascher, als dies bisher geschehen sei, zum Verschwinden zu bringen. Denn noch standen an den Landesgrenzen die alten Grenzstöcke mit der Aufschrift Königreich Württemberg, die erst im Sommer 1924 ausgetauscht wurden. Die neuen Grenztafeln trugen neben dem Wappen nur den Landesnamen Württemberg. Anders als in der benachbarten Republik Baden hatte man – wohl aus antirepublikanischen Rücksichten – auf die Benennung der Staatsform verzichtet.

Eine treibende Kraft, die sich der Festigung der Weimarer Demokratie verschrieben hatte, war die von pazifistischen Kreisen in Berlin gegründete Republikanische Beschwerdestelle e. V., die seit 1926 eine Filiale in Stuttgart unterhielt. Beharrlich beanstandete sie den Zusatz Kgl., unter dem einzelne Amtsgerichte und Forstämter noch in den 1920er Jahren firmierten. Vehement forderte man 1923 die Beseitigung der Königskrone über dem Landeswappen am Portal der württembergischen Gesandtschaft in Berlin und drängte auf die Umbenennung von drei Bodenseedampfern, die auf die Namen von Mitgliedern der Königsfamilie getauft waren. Auch das Fortbestehen traditioneller Titel wie Hofjuwelier oder Hofapotheke störte die selbst ernannten Wächter der Republik.

Zweifellos verstand es die Republikanische Beschwerdestelle, politisch zu sensibilisieren und auf die Beseitigung von Missständen hinzuwirken. Mit ihren oft kleinlichen, hartnäckig vorgebrachten Eingaben stieß sie jedoch auf Ablehnung – und dies nicht nur bei Anhängern der Monarchie. In einer Landtagsrede betonte Innenminister Eugen Bolz (Zentrum) im Juni 1927 die Entschlossenheit, mit der die württembergische Regierung die Relikte der Vergangenheit beseitigt habe. Dem engstirnigen, aufdringlichen, mitunter grotesken Agieren der Beschwerdestelle erteilte er jedoch eine Absage.

Albrecht Ernst

Quelle: Archivnachrichten 56 (2018), S. 14 und 15.

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